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Ausgabe:

1917

Spalte:

174-176

Autor/Hrsg.:

Fenner, Johannes (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Predigtbuch der Dorfkirche. 4 Hefte 1917

Rezensent:

Schian, Martin

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bei allerlei finnlichem Außenwerk der überlieferten Vor-
ftellungen aufhält und anftatt der chriftlichen Jenfeitshoff-
nung irgendfonft welche allgemeine Vorftellungen von
einer individuellen Fortdauer zu verteidigen fucht. Dem
gegenüber betont er (S. 30): ,Was fich an alter, fpätjü-
difcher Apokalyptik und an modernen, gedankenlos aber
defto fefter übernommenen Vorftellungen um die chriftlichen
Grundgedanken hat herumlegen dürfen, kann und
muß auch wieder befeitigt werden'. Die Abficht ift ganz
diefelbe, wie fie meinem Buch über den Unfterblichkeits-
glauben zugrunde liegt; und unfere Gedanken gehen
denn auch in vielen beinahe überrafchend denfelben "Weg.
Mir würde fich nur unter anderem die Frage erheben,
ob die Geiftleiblichkeit der Verklärung wirklich fo
fich er nicht zu demjenigen gehört, was fich ,an alter,
fpätjüdifcher Apokalyptik' ,um die chriftlichen Grundgedanken
hat herumlegen dürfen'; ähnlich alle Vorftel-
lung von Höllenqualen, auch wenn man fie — anftatt bei
dem Entfeheidungsernft der chriftlichen Verkündigungen
ftehen zu bleiben, — aus dem Phyfifchen ins Pfychifche
überletzt. Was Kropatfcheck hier ausführt z. B. in der
Polemik gegen den altheidnifchen Glauben einer bloßen
Seelenunfterblichkeit, — für die ich ja, freilich in anderer
Weife, auch nicht eintreten würde, — leidet befonders
unter dem Skizzenhaften des ganzen Schriftchens. —
Für eine im guten Sinne populär gemeinte Darbietung
fcheint mir die fpringende Art der Darfteilung nicht
fonderlich günftig. Sie hindert den für folchen Zweck
doch erforderlichen ruhigen und überfichtlichen Fortgang
der Gedankenführung.

Gnadenfeld. Th. Stein mann.

Linderholm, D. Emanuel: Krillendomen och kriget i hilto-
rilk och principiell belysning. (VII, 351 S.) 8°. Stockholm
, P. A. Norftedt & Söner 1916. kr. 4.50

Der Auffchlag des Buches ift nach dem Worte des
Verfaffers begonnen vor dem Weltkrieg, ,im Vorausempfinden
der nahenden Krife' (Vortrag 24. 3. 1914). Der
Verfaffer beabfichtigt eine hiftorifche und prinzipielle Beleuchtung
des Problems: Chriftentum und Krieg, zu liefern,
betont aber erftens die außerordentlich verwickelte Art
der ethifchen Seite des Problems, zweitens die Vcrnach-
läffigung des hiftorifchen Teils der Aufgabe in der mo-
dernen kirchengefchichtlichen Forfchung. Einen Grund
diefer Vernachläffigung meint der Verfaffer in einerlangen ,
Friedenszeit und in den daraus erzeugten Hoffnungen
eines ungeftörten Friedens zu finden.

Nachdem in der Einleitung die Vorausfetzungen des
Problems angedeutet worden find: der Gegenfatz der
chriftlichen Anfchauung zu dem Tatbeftande in der Welt, |
folgt eine kurze Überficht der altteftamentlichen Gedanken j
über Krieg und Frieden. Die wichtigen Abfchnitte:
Jefus — bzw. das Urchriftentum — und der Krieg, werden j
mit einem non liquet erledigt. Dann werden etwas j
breiter gefchildert: die veränderte Stellung der altkatho-
lifchen Freikirche zum Kriege; der Krieg und die mit I
dem Staat verbündete Kirche bis an die Reformation; |
Krieg und Chriftentum im Zeitalter der Reformation und j
der Gegenreformation; die allgemeine Stellung des Pro- |
teftantismus in moderner Zeit; die Friedensideen, Humani- I
lätsbeftrebungen und Kriegführung im Zeitalter der Altaufklärung
; die völkerrechtliche Arbeit des Idealismus j
— bzw. der Neuaufklärung — zum Zwecke der Regulierung
und Humanifierung der Kriege; die Kriegführung
im Zeitalter der Neuaufklärung.

Endlich folgen die drei wichtigften Abfchnitte des
Buches: die Stellung der modernen proteftantifchen Theo- j
logie zum Kriege; der Krieg von prinzipiell chnftlichem j
Standpunkte aus; die Kirche und die Chriften Schwedens
gegenüber der Verteidigung des Vaterlandes. Aus der
Darfteilung des Verfaffers möchte ich folgendes hervorheben
. Die Befchäftigung mit feinem theologifchen Ge-

i genftande hat den Verfaffer zu weitgehenden Studien der
j Kriegsgefchichte, Völkerrecht ufw. getrieben. Seine
j Darftellung der Kriegführung der letzten Jahrzehnte bis
an 1914 geht, trotz der Verwendung einer gelegentlich
englifch-freundlichen Quelle, auf das Urteil aus: die größte
j Rohheit in der Kriegführung und diegröbften Kränkungen
j des Völkerrechts find unwiderleglich England und U. S. A.
| zuzufchreiben.

Zur Frage der Stellung der modernen proteftantifchen
I Theologie zum Kriege ift zu bemerken, daß die ftärkfte
Verdammnis über den Krieg von der Seite Englands und
Amerikas zu warten ift, obfehon erfteres der größte pro-
teftantifche Erobererftaat der modernen Zeit ift, und letzteres
wegen feiner politifchen Lage nicht imftande ilt,
das Problem des Krieges zu fühlen und zu verftehen.
Es ift für englifche Autfaffung fehr bezeichnend, daß die
von Auguftana im 16. Artikel behauptete Forderung der
Gerechtigkeit der Kriegführung (justa bella admini-
strare) in den 39 Artikeln (Art. 37) der anglikanifchen
! Kirche weggelaflen worden ift. Übrigens hat der Verfaffer
wegen Mangel an Literatur von der anglo-ameri-
! kanifchen Theologie abfehen muffen. Eine Befchränkung
j auf die Theologie Deutfehlands war daher geboten. Überhaupt
meint der Verfaffer, daß das Problem des Kriegs
; durch die neue Heimfuchung in allen evangelifchen Kir-
j chen Europas von deren mehr befinnungsvollen Kirchenmännern
und Theologen weiter gefchärft und vertieft
j worden fei. ,Es fcheint mir auch, fahrt er fort, als ob
! man fchon fagen konnte, daß das ethifch-religiöfe Problem
des Krieges kaum irgendwo eine ftärkere Vertiefung und
Schärfung als in der evangelifchen Kirche und Theologie
Deutfchlands erfahren habe. So bewährt es fich, daß
der große Weltkrieg, wie niemals früher, alles was Krieg
heißt, zu einem unausweichlichen Problem chriftlicherKirche
und Theologie gemacht hat'. Der Verfaffer führt eine
Reihe älterer und jüngerer Theologen Deutfchlands an.
Die Anfchauungen Rothes und W. Herrmanns fcheinen
ihm nicht befriedigend. Beffer gefallen ihm Frank, Katten-
bufch, Troeltfch, und befonders Ihmels.

Die prinzipielle Betrachtung des Verfaffers enthält
eine Vielheit guter und gefunder Gedanken, läßt fich aber
kurzweg zufammenfaffen: die Pflicht der Chriften ift einer-
feits Willigkeit, das Leben einzufetzen für höhere Werte,
andrerfeits ernfte Arbeit für das noch ferne Ziel: einen
dauerhaften Frieden.

Der Schlußabfchnitt: die Kirche und die Chriften
Schwedens ufw. betont fehr ftark die Aufgabe und Verantwortung
der nationalen Kirche Schwedens, der unterwühlenden
Arbeit der meiftens national gleichgültigen
Sekten von englifcher oder amerikanifcher Abkunft völlig
eingedenk. Die Sympathien des Verfaffers, von den Anforderungen
der Objektivität bisher zurückgedrängt, werden
jetzt laut ausgefprochen: ,Mit unferem germanifchen
Stamme im ganzen werden wir als Volk ftehen oder fallen
in dem Streite, der zuletzt gemeinfam werden muß'. — ,Freies
Denken, foziale Pflege, perfönliche Freiheit haben auf
germanifchem Boden ihren Platz zu jeder Zeit gefichert'.

1 Lilltofta in Schweden. H. Scholander.

Predigtbuch der Dorfkirche. Unter Mitwirkg. v. Freunden
der Dorfkirche hrsg. v. Pfr. Johs. Fenner. 4 Hefte.
(83 S.) 8° Berlin, Deutfche Landbuchh. 1915.

M. 3—; geb. M. 4 —
Der Kreis, den wir uns als .Dorfkirchenfreunde' zu
bezeichnen gewöhnt haben, gibt ein Predigtbuch für das
deutfche evangelifche Landvolk heraus. Daß das eine
nützliche Sache ift, follte niemand leugnen, er mag fonft
über Dorf- und Stadtpredigt denken, wie er will. Sollte
einer doch noch zweifeln, fo wird ihn diefe Sammlung
überzeugen. Eine Dorfpredigt braucht gar nicht aufdringlich
ländlich zu fein; fie muß nur der Eigenart des Land-