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Ausgabe:

1916 Nr. 7

Spalte:

153

Autor/Hrsg.:

Witte, Leopold

Titel/Untertitel:

Aus Kirche und Kunst. 2., mehrfach veränd. Aufl 1916

Rezensent:

Stuhlfauth, Georg

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153

Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 7.

154

lieh aber fei noch hingewiefen auf wertvolle kirchenrechtliche Erörterungen
z. B. über Temporalienvergebung durch den Papft S. I und 58, über
Beuefizienpluralität S. 25 f. und 60f., ferner auf die Berechnung des
Jahreseinkommens der Fremden aus englifchen Pfründen S. 62f., und
endlich auf die intereffanten Früchte der vergleichenden Studien D.s in
der Publiziftik von Beruhard von Clairvaux bis auf die reiche Literatur
zu Anfang des 14. Jh.s S. 15, 77, 79. — Vom preußifchen Inftitut in
Rom wurde im Herbfl 1914 gemeldet, daß D. auf dem weltlichen Kriegs-
fchauplatz ftehe; möchten fich die Hoffnungen erfüllen, welche die hier
befprochene Schrift und fchon eine kleine Abhandlung von 1910: ,Der
Übergang von der Natural- zur Geldbefoldung an der Kurie' (Viertel-
jahrsfehrift f. Sozial- und Wirtfchaftsgefchichte VIII, 56—78) erweckt haben.

Marburg. K. Wenck.

Witte, Superint. Geiftl. Infp. Prof. D. Leopold: Aus Kirche
und Kunlt. 2. mehrfach veränd. Aufl. (VII, 432 S.) 8°.
Halle, M. Niemeyer 1913. Geb. M. 6 —

Rom als Stadt hat es dem Verfaffer angetan, wie vor
ihm und nach ihm fo vielen. Rom als Kirche war ihm
zeitlebens der Gegenftand des Anftoßes. Beides, jenes
ewige und diefes für den evangelifchen Bundesmann zwiefach
unchriftliche Rom, hat üafein und Richtung der 17
Auffätze bedingt, die in dem vorliegenden Bande vereinigt
find. Die Einheitlichkeit der zum Buche gefammelten Abhandlungen
fcheint in der zweiten Auflage zum Vorteil
des Ganzen durch Ausfcheidung von fünf Beiträgen, die
dem Verfaffer felbft entweder zu ftark wiffenfchaftlich-
theologifch oder zu zeitgefchichtlich und epifodifch oder
fonft antiquiert waren, und durch Einftellung von vier neuen
gegenüber der erften Auflage vom Jahre 1897 noch wefent-
lich gewonnen zu haben. Es wäre in diefer Beziehung
nützlich gewefen, wenn der Verfaffer fich hätte entfchließen
können, auch noch den erften Artikel (,Die Bedeutung
der dreißigjährigen Stille Jefu') zu ftreichen. Im übrigen
find nicht alle, aber faft alle Auffätze um Rom orientiert,
fowohl die, die es in polemifchem Sinne mit ihm zu tun
haben als die, die ihre Entftehung dem Intereffe allgemeiner
Bildung verdanken. Gemeinfam haben fie überdies
, daß fie zumeift biographifcher Natur find.

Die ganze Reihe ift folgende: i. Die Bedeutung der 30jährigen Stille
Jefu; 2. Überlieferung oder Schrift; 3. Die unfichtbare Kirche und Rom;
4. Der Protect gegen die römifch-kathol. Entftellung des Chriftentums
eine Pflicht chriftlicher Frömmigkeit; 5. Die biblische Kritik eine Gehilfin
der Wahrheit; 6. Pelagia [in Jamben]; 7. Savonarola; 8. u. 9. Michelangelo
; 10. Vittoria Colonna; II, Aus den Prozeßakten Carnesecchis;
12. Torquato Taffo; 13. Luigi Desanctis, eiu ital. Proteftant der Neuzeit;
14. Jakob Böhme; 15. Ignaz Döllinger; 16. Carlyles religiöfe Stellung;
17. Gladftones Kampf gegen Rom.

Am meiften gefeffelt haben mich Nr. 15 und 17.
Alle Auffätze find allgemein verftändlich und mit warmer
Verfenkung in den Stoff gefchrieben. Sie eignen fich, wie
fie der Verfaffer felbft zunächft für fich und feine Haus-
genoffen ausarbeitete, noch immer zum Vorlefen im fchlich-
ten wißbegierigen Kreife. Daß der Verlag die Titelfeite
des zur Anzeige überfandten Exemplares mit dem Stempel
,Rezenfions-Exemplar' befchmierte, hat das Buch nicht
verdient.

Berlin. Georg Stuhlfauth.

Wehberg, Dr. Hans; Das Paplttum und der Weltfriede. Unter -
fuchungen üb. die weltpolit. Aufgaben u. die völker-
rechtl. Stelig. des Papfttums. (Umfchlag: Die Stelig.
des Papftes im Völkerrecht. Das Papfttum u. die inter-
nat. Verftändigg. Das Papfttum u. die Haager Friedenskonferenzen
.) (131 S.) 8°. M. Gladbach, Volksvereins-
Verlag 1915. M. 1.80

Die Schrift zerfällt in vier Abfchnitte: die Stellung
des Papftes im Völkerrecht; das Papfttum und die internationale
Verftändigung; das Papfttum und die Haager
Friedenskonferenzen; ein Wort an die deutfehen Katholiken
. Man ift verfucht, das Buch kurz fo zu charakteri-
fieren: es will die Katholiken zu Pazififten machen und

die Pazififten — wenn auch nicht zu Katholiken machen,
fo doch zum Eintreten für des Papftes Intereffen be-
ftimmen. Tatfächlich ift es das Ziel des letzten Abfchnitts,
wenigftens die deutfehen Katholiken für folche Friedens-
beftrebungen zu gewinnen, wie fie der Bund ,Neues Vaterland
' vertritt, auf den W. ausdrücklich hinweift; der erfte
Abfchnitt, der die gegenwärtige Lage des Papfttums als
unhaltbar dartun will, wendet fich natürlich nicht bloß an
Pazififten; immerhin wird man annehmen dürfen, daß der
Verf. gerade auf diefe Kreife, die großenteils politifch
radikal und kirchenfremd find, gern wirken möchte. Der
zweite Abfchnitt fucht zu zeigen, daß die Päpfte die
Fried ensbeftrebungen eifrig und erfolgreich förderten.
Durch das Material, das hier aus Kundgebungen namentlich
der letzten Päpfte gefammelt ift, ift das Buch ficher
nützlich. Neu war mir, daß Pius IX. am 22. Juli 1870
einen Brief an Wilhelm I. fchrieb, um den Frieden zu
erhalten; W. fagt freilich nur, er habe ,etwa' den mitgeteilten
Wortlaut gehabt, eine Quelle gibt er nicht an.
Die friedensfreundlichen Äußerungen der Päpfte find in
der Tat zahlreich; freilich finden wir darunter auch Übertreibungen
wie: durch die Rüftungsausgaben feien attritae
civitatum opes (S. 49, aus dem apoftolifchen Schreiben
praeclara von 1894). Daß W. davon fchweigt, wie krie-
gerifch manche Päpfte der Vergangenheit waren, wird
man verftehen. Erwünfcht wäre, wo er vatikanifche
Äußerungen in indirekter Rede wiedergibt, Angabe der
Quelle. Daß die Päpfte nicht zu den Haager Konferenzen
zugezogen wurden, bedauert er. Natürlich wird, wer mit
fo lebhafter Verehrung von katholifcher Kirche und Papfttum
Ipricht, wie W., nicht nur manches anders ausdrücken,
als der bewußt Evangelifche, fondern manches wirklich
in anderem Lichte fehen. Immerhin, find es übertreibende
Wendungen, daß ,der höchfte Kirchenfürft
.... eine ungeheure Macht auf alle Völker ausübt' (27),
oder daß Schädler und Orterer als ,deutfche Staatsmänner
unter den Katholiken' bezeichnet werden (115). Solche
Sätze lange zu kritifieren, lohnt nicht; fie finden fich bei
W. in Menge. Wichtiger find Behauptungen wie:

Außer Frankreich haben demnächft faft alle beim Friedensfchluß
befonders in Betracht kommenden Mächte ihre Vertretungen beim Vatikan
und man darf daraus entnehmen, daß die Rolle, die der Papft beim Ende
der Feindfeligkeiten fpielen wird, eine überaus bedeutfame fein wird. Es
befteht geradezu ein ftillfchweigendes Übereinkommen unter den Staaten,
daß der Papft fpäter die Friedensverhandlungen anbahnen foll (92).

Der erfte diefer Sätze enthält zweifellos einen fehr
übereilten Schluß — haben fie nicht alle ihre Vertreter
auch in Wafhington oder Madrid oder im Haag? Zum
zweiten aber kann man nur fagen: entweder hat der Verf.
geheime Beziehungen zu höchften Kreifen, und wir haben
hier die wichtigfte diplomatifche Ankündigung vor uns,
die während des Krieges erfolgt ift, oder aber — und es
liegt Grund vor, feinen Satz zu bezweifeln — man foll
in einer ernftgemeinten Schrift nicht derartige Phantafien
in die Welt fetzen. S. 122 fagt W. felbft: ,Bei den eigentlichen
Friedensverhandlungen werden ja wohl nur die
Kriegführenden felbft vertreten fein' — dem Buchftaben
nach nicht notwendig ein Widerfpruch zum Obigen, und
zu langen politifchen Erörterungen ift in der ThLZ kein
Raum; das Eine aber fei gefagt: wenn W. ftändig vorausfetzt
, es werde einen Friedenskongreß, wohl ähnlich dem
Wiener 1814/15, geben, fo ift das unbewiefen; warum follen
wir nicht zum Friedensabfchluß mit unferen einzelnen
Gegnern kommen? (noch abgefehen von der Frage, ob
das nicht das uns Erwünfchte fein muß). Und das wiederholte
Reden von der glanzvollen Rolle, die dann das
Papfttum fpielen werde, erweckt im katholifchen Volke
Hoffnungen, deren Scheitern Mißftimmung hervorrufen
muß; diefe Verantwortung foll man fich recht überlegen.
In einer juriftifchen Rezenfion würde mehr das erörtert
I werden, was W. im einzelnen an Vorfchlägen zur För-
J derung des Weltfriedens vorbringt. Seine Literaturan-
j gaben da nachzuprüfen bin ich nicht in der Lage; er ift
I aber als Schriftfteller auf dem Gebiet des Völkerrechts