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Ausgabe:

1916 Nr. 4

Spalte:

78-79

Autor/Hrsg.:

Vaccari, Alberto

Titel/Untertitel:

Un commento a Giobbe di Giuliano di Eclana 1916

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 4.

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briefe, dazu eine Reihe echter Paulusreden zu kennen,
fondern auch fünf echte Johannesfchriften. Solchem Traditionalismus
wirkt die methodifche Vorficht, mit der
zwifchen den Haupt- und den kleinen Briefen des Paulus
und zwifchen Evangelium und Apokalypfe zumeift ge-
fchieden wird, nur wenig entgegen.

Diefe freilich nicht überall durchgeführte Unter-
fcheidung rührt davon her, daß der Verf. fich in erfter
Linie mit den Tübingern, befonders mit Köftlin und
Hilgenfeld auseinanderfetzt. So kommt es auch, daß der
moderne Kritiker manche Anflehten, die M. nun verteidigt,
gutheißen kann: daß Urapoftellehre und Paulinismus keine
feindlichen Gegenfätze find, daß die Apokalypfe nicht
antipaulinifch ift ufw. Andrerfeits geht er in der Ablehnung
Tübinger Exegefe doch auch wieder zu weit. Wenn
die Tübinger z. B. bei Job., von gnoftifchem Dualismus und
Antijudaismus fprachen, fo übertrieben fie nur einen
wirklich vorhandenen Tatbeftand. Zu Unrecht behauptet
M., bei Joh. fei xööfioq immer als Heilsobjekt gedacht
(S- 55); .gelegentlich auch' muß man fagen. Und daß
die Juden für Joh. trotz einzelnen Ausnahmen, die er vermeldet
, das Volk, das in feinem Unglauben untergeht,
find, daß er keine Bekehrung Ifraels am Ende der Tage
erhoffte, charakteriflert ihn gerade gegenüber Paulus —
ein offenkundiger Gegenfatz, den M. überfieht — und
weift ihm in diefer Hinficht feinen Platz zwifchen Paulus
und der heidenchriftlichen Gnofis und Marcion an. Tat-
fächlich find eine Reihe von fcharf pointierten Ausfagen
jedenfalls gegen dualiftifch-gnoftifche Auslegung nicht
gefchützt.

Der Hauptfehler M.s ift damit angedeutet: er ift viel
zu fehr Apologet, ftrebt viel zu einfeitig darnach, Über-
einftimmungen zu konftatieren und Unterfchiede zu ver-
wifchen oder in ihrer Bedeutung zu verkleinern. Aber
das Problem Paulus und Johannes will fehr feinfühlig
behandelt fein. Daß ein Zentralgedanke von Paulus bei
Johannes peripherifch ift oder nur gelegentlich angedeutet
erfcheint, während eine wefentlich andere Auffaffung für
Joh. grundlegend ift, das ift für das Verhältnis der beiden
oft gerade entfeheidend. Wie die Nichtbeachtung diefer
Regel geradezu zur Verzeichnung verleiten kann, beweift
z. B. M.s Erklärung, die joh. Vorftellung vom Menfch-
gewordnen fei von der paulinifchen infofern verfchieden,
als Joh. mehr als P. die Herrlichkeit des menfehgewordnen
Logos betone, aber ein Widerfpruch fei nicht vorbanden,
da die Fleifchwerdung, die Johannes lehre, doch eine
gewiffe Einfchränkung der göttlichen Herrlichkeit bedeute.
In Wahrheit hat Chriftus auf Erden nach P. feine göttliche
Herrlichkeit vollftändig verborgen, nach Joh. vor
Jüngern und Feinden greifbar enthüllt; daß der joh.
Chriftus gelegentlich auch menfebliche Empfindungen
zeigt, ift hier ganz bedeutungslos. So bleibt das Urteil
des Verf.s oftmals fchief, fo fehr er auch erfreulicherweife
Unterfchiede zwifchen Paulus und Joh. offen zugefteht.

Daß die Arbeit gleichwohl als anregend bezeichnet
werden kann, ift vor allem der überfichtlichen Ordnung
des Stoffes zuzufchreiben. Sehr gut ift eine Tabelle der
fich befonders nah berührenden Stellen bei Paulus und
Joh. Über die fünf auffallendften paulinifchen Anklänge an
Joh. (Joh. 3,5. 6. 16. 6,63. 12,24) entfeheidet freilich die
Annahme, daß es echte Herrenworte find, die P. verwertete.
Andrerfeits rechnet er da, wo auch für den Traditionaliften
der Evangelift fpricht (z. B. 1,13 und 12,37fr.) mit der
Möglichkeit, daß Joh. fich an Paulus anlehne. Daß Joh.
die Paulusbriefe kannte, gilt ihm als ficher.

S. 35 ift überfehen, daß fich auch bei Paulus fcharfe Polemik gegen
das Judentum findet: I Theff. 2, 14ff., Phil. 3, 2ff. Zu S. 81: 1. Z. «3
v. o. Apg. 13, 28 ftatt 27 und füge I Tim. 6, 13 hinzu; das Bild von der
Herde I Cor 9, 7 kann feines Zufammenhangs wegen kaum von Joh. 10
abhängig gedacht werden.

Weder die Echtheit des Joh. noch die Richtigkeit
feines Chriftusbildes hat M. erwiefen. Es konnte ihm
daher auch nicht gelingen, die joh. Theologie entwick-

lungsgefchichtlich richtig einzuordnen. Gute Anfätze dazu
weift fein Buch auf. Sie durchzuführen hindert ihn fein
Traditio nalismus.

Leiden. Hans Windifch.

Vaccari. P. Alberto, S. J.: Un commento a Giobbe di Giu-
liano di Eclana. (VIII, 218 S.) gr. 8°. L. 3 —

In der Revue Benedictine 1913 hatte G. Morin mit
meifterhafter Präzifion feine Entdeckung vorgetragen und
zugleich vor jedem Zweifel gefichert, daß wir von dem
gefahrlichften Gegner Auguftins, dem Bifchof Julianus von
Eclanum noch Kommentare zu Hofea, Joel, Arnos befitzen
, die bisher, wenig beachtet, als Anhang zu den
Werken Rufins gedruckt worden waren. Wer Morins
Abhandlung gelefen hatte und darnach auf den Hiob-
Kommentar fließ, der unter dem Namen eines Presbyters
Philippus erftmalig 1897 im Spicilegium Casinense III 1
p. 335—417 publiziert worden ift, konnte kaum zweifeln,
daß hier ein weiteres Schriftftück jenes faft genialen und
doch auch wieder abflößenden Menfchen vorliege.

Es ift kein Wunder, von Andrem abgefehn, daß nicht
Vielen der neue Fund glückte, denn der dritte Band der
Caffinenfer Sammlung ift, weil noch nicht vollftändig, auf
den Bibliotheken fchwer zugänglich. Das Verdienft des
vorliegenden Buches ift, wenn Ichon nur in Morins Spuren
erreichbar, kein geringes. Vaccari hat bewiefen, daß der
Hiob-Kommentar aus Monte Caffino mit dem des Philippus
, den wir feit 1527 durch Joh. Sichardus und aus
älteren Beda-Ausgaben kennen, nichts zu tun hat, dagegen
in der innigften Verwandtfchaft mit den Werken des
Bifchofs Julianus fleht. Ich beherrfche die italienifche und
die fpanifche Sprache, in der die Veröffentlichungen des
päpftlichen Institutum Biblicum zum Teil erfcheinen, nicht
genügend, um über alle Einzelheiten urteilen zu können;
doch kann ich verfichern: den Hauptzweck feiner Arbeit
hat der Verfaffer, jedem Patriftiker und jedem Dogmen-
hiftoriker fehr zu Dank, erreicht. Nach einer Einleitung
über den wahren und den falfchen Philippus und über
den Caffinenfer Kodex des ,falfchen' führt er in 3 Kapiteln
den Beweis 1. aus der Lehre, die pelagianifch und fpe-
zififch julianifch ift, 2. aus Sprache und Stil, 3. aus der
exegetifchen Methode. Die Einleitung könnte etwas
tiefer gehen, z. B. mehr Fehler des Kodex, den fie erftmalig
befchreibt, verbeffern; zu S. 2 n. 2 bemerke ich,
daß nicht die Bafeler Ausgabe bei Hervagius 1563 zuerft
den Philippus-Kommentar unter Bedas Werken bringt,
fondern fchon die zu Paris bei Jo. Poigny 1545 (t. I), die
fich auf dem Titelblatt rühmt, Commentarios Bedae Vener.
in lob nostra industria nunc primum in lucem prodire, a
tineis et blattis, quibuscum misere colluctabantur, vindicatos.

Dadurch, daß V. in § 2 und 3 des erften Kapitels die
juriftifchen Lieblingsbegriffe des Julian und feine Gelehr-
famkeit gefondert behandelt, wird das lexikalifch-gram-
matifche Material in Kap. 2 um wertvolle Beftandteile
vermindert, auch von Kap. 3 gilt dies, wo Ausdrücke wie
consequentia, contextus, familiäre est Scripturis befprochen
werden. Ferner dient diefer dritte Abfchnitt nicht lediglich
dem Erweife der Herkunft des Hiob-Kommentars,
fondern daneben einer Charakterifierung feiner exegetifchen
Arbeitsweife und feiner Grundfätze auch betreffs
des Gebrauchs andrer Bibelbücher. Kap. 4 über die
griechifchen Quellen, die Julian benutzt hat, insbefondere
Polychronius, den Bruder des Mopfuefteners Theodor,
würde ja auch feinen Wert behalten, wenn der Kommentar
nicht von Julian flammte, fondern von einem uns fonft
unbekannten Zeitgenoffen, Namens Philippus. Der Anhang
über Philippus und Pelagius erfcheint mir nach
allem Vorausgegangenen überflüffig; um fo notwendiger
ift die Unterfuchung S. 185 — 205 betreffs des von Julian
benutzten griechifchen Hiob-Textes, den V. in einer
Bibel mit antiochenifchem Text findet, wie ihn bei Hiob

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