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Ausgabe:

1916

Spalte:

74-76

Autor/Hrsg.:

Strack, Hermann L.

Titel/Untertitel:

Berakhoth. Der Misnatraktat ‚Lobsagungen‘ 1916

Rezensent:

Duensing, Hugo

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf Harnack

Fortgeführt von Professor D. Arthur TitiuS und Professor Lic. Hermann Schuster

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig__Halbjährlich IQ Mark

Manufkripte und gelehrte Mitteilungen find au s fc h 1 i e ß 1 i c h an _ _ ,

•41. Jahrff. NT. 4t ProfefforD. Titiu sin Göttingen, Nikolausberger Weg 66, rufenden. J« eDFUcir liJlO

Rezenfionsexemplare ausfchließlich an den Verlag.

Silberer, Probleme der Myftik und ihrer Symbolik
(Strunz).

Strack, Pirqe Aboth. — Bnakhoth (Duenfing).

Monfe, Johannes und Paulus (Windifch).

Vaccari, Un commento a Giobbe di Giuliano
di Eclana (Jülicher).

Möhler, Die Kardinale Jakob u. Peter Colonna
(Stimming).

Seeliger, Deutfche u. engliiche Reformation
(Kawerau).

Berger, Die religiöfen Kulte der franzöfifchen
Revolution (Kohlmeyer).

Reuter, S.Kierkegaards religionsphilofophifche
Gedanken im Verhältnis zu Hegels religions-
philofophifchem Syriern (Dorner).

Franz, Der foziale Katholizismus in Deutfch-
land bis zum Tode Kettelers (Vigener).

Railton, General Booth (Loofs).

Clafen, Der Salutismus (Derü).

Broeke, A constructive Basis for Theology
(Thimme).

Cohen, Über das Eigentümliche des deutfchen

Geifles (Troeltfch).
Stage, Geift und Leben (Bussmann).

Schulz, Licht, Liebe, Leben (Schloffer).

Referate: Nilsfon, Die volkstümlichen Fefte
des Jahres. — Pefch, Zur neueren Literatur
über Neftorius. — Kneller, Der hl. Cyprian
und das Kennzeichen der Kirche. — Mün-
chcner Mufeum tür Philologie des Mittelalters
und der Renaiffance. — Diehl, Adam Franz
Lennig. — Meyer, Liturgifchc Texte. —
Schwencker, Bilder zu den altkirchlichen
Perikopen. —Albani, Vierzig Tage in der
Wüfte.

Wichtige Rezenfionen. — Neuefte Literatur.

Silberer, Herbert: Probleme der Myftik und ihrer Symbolik.

(283 S.) gr. 8°. Wien, H. Heller 6k Co. 1914. M. 9 —

Diefes eigenartige Werk macht das erftemal den
intereffanten Verfuch, die Ergebniffe der modernen Pfycho-
analyfe und ihrer Deutungsart zu einer tieferen Erklärung
oder Exegefe der alten alchimiftifchen (beziehungsweife
rofenkreuzerifchen und freimaurerifchen) Literatur zu verwenden
. Und zwar handelt es fich um eine ernfte quel-
lenkritifche Arbeit eines tüchtigen Hiftorikers der Welt-
anfchauung. der meift vorfichtig abwägt und den warmen
Blick fürs Menfchliche hat. Er bedient fich ohne Fanatismus
der Methoden der Freudfchen Schule als Hilfsmittel,
um jener heute verfunkenen und fchon zu ihrer Zeit ab-
fichtlich verhüllten Welt der Sinnbilder und bildlichen
Abzeichen, der feelifchen Masken und erotifchen Verkleidungen
, der bedeutungsvollen Decknamen für Zeugung,
Werden, Vergehen und Wiedergeburt auf den Grund zu
kommen. Der Verfaffer bleibt nicht bei der oberften
Schicht eines Wortes ftehen, es genügt ihm nicht, einen
Ausdruck wie irgendeinen leblofen Terminus einer be-
ftimmten Schuldisziplin kühl zu regiftrieren. Damit ift
nämlich, wie der Kundige weiß, auf dem Gebiete der
Gefchichte der Alchemie und Freimaurerei herzlich wenig
getan. Die eigentliche Arbeit des Hiftorikers beginnt
erft, wenn er die feelifchen Hintergründe einer folchen
Wortfetzung, die Pfychologie und Logik diefer Nomenklatur
zu erforfchen hat. Darum find heute fo manche
unterer gutgemeinten Hiftorien der alten Naturwiffenfchaft
und Symbolik leere Namenaufzählungen, tote Jahreszahlen
, trockne Inhaltsangaben von Büchern, weil gerade
diefer pfycbologifche Zug immer wieder fehlt. Warum
fteht hier diefes Wort? Was bedeutete es einft dem
Uneingeweihten, was dem Wiffenden? Was sollte es
verhüllen? Welche Weltanfchauung befeelt den eigentlichen
Sinn? Welche „Ketzerei"? Welche Vorgänge
des Gefchlechtslebens, welche Phantafien einer heftigen
Erotik follen verdeckt fymbolifiert werden, um den Zu-
fammenhang mit jenen Dunkelheiten anzudeuten, aus
denen wir alle kommen, den Zufammenhang mit jener
.Mutter', in die wir wieder zurück müffen? Verhüllen
die Worte etwas, das fcheinbar regellos, herrifch, unge-

laffen würde? Mit folchen Fragen kommt man der Sprache
der alten Alchemiftenmyftik und ihrem feltfamen Naturgefühl
näher, vorausgefetzt, daß man vor allem die antiken
Autoren kennt — alle Alchemie geht auf Ariftoteles und
Piaton zurück — auf denen fich das Ganze aufbaut. Ich
glaube, es handelt fich im Tiefften nicht um Goldmachen,
fondern um Werden, Entwicklung, Energieumformung,
Wiedergeborenwerden, um Darftellung von Lebensvorgängen
, Umformungen und Hemmungen der Lebenskraft,
um Liebe zum Leben und zum Menfchen. Um den
Menfchen handelt es fich, und so mancher Alchemift hat
in faftreicher Bilderrede nur das Wort fymbolifiert: Sind
wir denn nicht viel mehr, denn die ganze Pracht der
Welt?. . . Hier in dem wegkundigen Buch Silberers
kommt diefer intime feelifche Zug gut heraus. Es wird
gezeigt, wie im Forfcher, im Alchemiften, im Symboliker
von damals die Seele der Raffe fich Bilder fchafft, wie
das .Menfchliche' fich die Vorder- und Hintergründe
der Weltanfchauungen baut, die Symbole, womit ein
Wiffen, das Bewußte und das — Unbewußte ausgedrückt
wird. Vielleicht ift Herbert Silberer der erfte, der uns
einen Beitrag zu dem Problem von der Unficherheit
alter naturwiffenfchaftlicher (vor allem alchemiftifcher und
naturphilofophifcher) Begriffe gegeben hat, jener Begriffe
hinter denen das innige Suchen und Finden einer kulti-
fchen Gefinnungsgemeinfchaft ftehen, die Steigerung gei-
ftiger Utopien, primitive Ekftafen, die Überftiegenheiten
einer religiös gefärbten Erotik, Bekenntniswiffenfchaft
und die Wünfche der Träume. Gerade die Alchemiften
Pannen viel über die Vorgänge der Zeugung und haben
in ihrer Art den infantilen Sexualtheorien großes Intereffe
entgegen gebracht. Es ift ein Verdienft des vorliegenden
Buches, diefe Tatfachen einmal, trotz mancher rein fub-
jektiven Auffaffung, kritifch unterfucht und damit zur
Hieroglyphik manches unenträtselbaren Alchemiftenwortes
den Schlüffel gefunden zu haben.

Wien Franz Strunz.

Strack, Prof. D. Dr. Hermann L.: Pirqe Aboth. Die Sprüche
der Väter. 4., ganz neu bearb. Aufl. Mit Vokabular
u. drei Regiftern. (Schriften des Inftitutum Judaicum
reimt ift wie der Traum, aber aucl?fo eiTÜUt von unbe- | in Berlin Nr. 6.) (44 u. 40* S.) 8°. Leipzig, J. C. Hinwußten
,titanifchen Bildungskräften', die aus dem Inner j richs M 1 7 e

ften heraus die dunkel fchaffende träumende Phantafie „ .. 7. L_ , T , »'/

bewegen und die Seele {SSfch SwfnlLl t.r- " ,-rakHOth. Der Misnatraktat Lobfagungen'. Mit Vo-

wältigen? Steckt in den Worten ein verhüllter Wunfeh, kabular u. 3 Regiftern. (Schriften ufw. Nr. 44.) (24 u.

deffen Erfüllung unfere Seele zur Genefung kommen 32* S.) 8°. Ebd. 1915. M. 1.20

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