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Ausgabe:

1916 Nr. 3

Spalte:

64-65

Autor/Hrsg.:

Briggs, Charles Augustus

Titel/Untertitel:

Theological Symbolics 1916

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 3.

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in der Entwicklung zu kennen. Das hieße über ihren Langhausbau
arbeiten ohne Kenntnis der Gefchichte der gewölbten
Bafilika. Die Raumformen aus dem Quadrat, dem
Sechseck und Achteck geben die Grundlage, die Ein-
flellung der Stützen die weitere Abwandlung, der Einfluß
des Längsbaues die Mifchformen. Bei Frankl feffeln vor
allem die Virtuofenftücke, die das Ende der Reihen dar-
ftellen; es fcheint, daß die Übertragung vom Mutterboden
auf fremde Erde dabei eine Rolle fpielt. Von Wichtigkeit
ift, daß der Proteftantismus die Entwicklung durch
die Forderung der Einheitlichkeit des Raumes günftig
beeinflußt.

Im zweiten Abfchnitt über die Entwicklungsphalen
der Körperform möchte man gern ein Wort darüber an
der Spitze fehen, daß Kuppel und Säule nur dann zu-
fammen arbeiten können, wenn die letztere ihre antiken
Verhältniffe aufgibt und fleh nach der Höhe ftreckt. Das
unglückliche Zufammentreffen einer archäologifch nach
den Säulenordnungen forfchenden Richtung mit der Entwicklung
der Raumform bringt eine Tragik in die Entwicklung
der Renaiffance, die Frankl für felbftverftändlich
anzunehmen fcheint. Und doch hängt gerade daran das
Schickfal des Kuppelbaues und vielleicht die Möglichkeit
einer neuen Geftaltung des Problems für den Norden in
der Zukunft. Auch dabei werden wieder die ,Gothik' im
Gebiete des Langhausbaues, die armenifche Kirchenbau-
kunft, foweit der Kuppelbau in Betracht kommt, wichtige
Führer fein, weil fie von der antiken d. h. menfehlichen
Proportion abfahen. Die erfte Stufe der Maffendurchbil-
dung ift eine wiffenfehaftliche Ausbeutung der antiken
Säulenordnungen ohne Rückficht auf die Forderung des
Kuppelraumbaues. Daraus mußte eine Spannung entliehen,
deren Löfung eine gewaltfame, eben das Barock war.
Frankl befchreibt diefen Gegenfatz von Renaiffance und
Barock überaus glücklich S. 117 f; aber ftatt im Problem
der Form zu bleiben und es zu erklären, deutet er die
Wirkung unmethodifch fofort inhaltlich aus als Glück und
Qual. Dabei konnte es zu keiner klaren Erkenntnis
kommen, und die Einftellung auf die Polarität .Ausgangspunkt
der Kräfte und Durchgangspunkt' ift fehr gewunden,
fällt auch Rokoko und Klaffizismus gegenüber weg. Die
Grundlage der Behandlung der Schmuckformen hätte die
Spannung zwifchen dem aufftrebenden Raum und der
antik proportionierten Maffe bilden müffen.

Der dritte Abfchnitt behandelt die Entwicklungs-
phafen der Bildform. Frankl verlieht darunter den op-
tifchen, in erfter Linie durch Helligkeits- und Farben-
gegenfätze beftimmten Gefamteindruck des Bauwerkes.
Ei könne in der Renaiffance mit einem Blick erfaßt wei den,
fei im Barock vielbildig. In der folgenden Periode fei
er auf den Eindruck des Unendlichen gerichtet und kehre
dann wieder zur Einfachheit zurück. Man möchte gern
reichlicher Abbildungen geboten erhalten, um alle die
Einzelbeobachtungen des Verfaffers mit genießen zu
können. Im Übrigen find die formalen Probleme mit
Raum, Körper und Licht nicht erfchöpft, manches, was
zur Raumwirkung gehört, wird durch Einführung des Begriffes
,Bild' mit den Licht- und Schattenwirkungen verknüpft
, dagegen die Maffigkeit ebenfo wie die Farbe als
gefonderte Probleme gar nicht behandelt. Ob die Kategorie
.Körper' — ich nenne fie .Geftalt' — überhaupt in
eine Reihe gehört mit den eigentlichen Formproblemen?
Sind die Säulenordnungen z. B. nicht etwas Gegebenes, das
vom Forfcher mehr unter dem Gefichtspunkt des wiffen-
fchaftlich Beobachteten als des künftlerifch Erdachten
zu betrachten ift? Und ebenfo wenig kann ich mich
einverftanden erklären damit, daß der Zweckbegriff in
eine Reihe geftellt wird mit den Formproblemen, die
ihm gegenüber als gefchloffene Gruppe zufammenzufaffen
wären.

Der vierte Abfchnitt nämlich behandelt die Entwick-
lungsphafen der Zweckgefinnung. Ob diefer Abfatz nicht
an die Spitze gehört hätte? Soll er nicht die Voraus-

fetzungen für das künftlerifche Schaffen klar machen?
Frankl trennt nur im erften Abfchnitte zwifchen Kirche
und Profanbau. Diefe Scheidung gehört aber mit der Gefchichte
der Bauprogramme überhaupt zufammen als ein
Stück Kulturgefchichte; fie hat die Forderungen des
Lebens für den Baufchöpfer aufzuzeigen, gibt den Rahmen,
in dem fleh die freifchaffende Phantafie betätigt. An
den Schluß hätte vielmehr ein Abfchnitt gehört, der nicht
dem Walten der verftandesmäßigen Auseinanderfetzung
mit diefen kulturellen Vorbedingungen gerecht zu werden
fucht, fondern dem Kampf, den die Perfönlichkeit des
Künftlers mit diefen gegenftändlichen und den geftalt-
lichen Hemmungen auszufechten hat. Dann würde auch
das unerhörte Verfchwinden des Künftlers hinter dem
Befteller, wie fie unter dem Begriff .Gerinnung' in diefem
Abfchnitt hervortritt, felbftverftändlich unmöglich geworden
fein. Wenn nämlich Frankl von Gebundenheit
und Freiheit fpricht, dann hat er dabei zu unferer Über-
rafchung nicht den KünftLr, fondern den Befteller im
Auge. Dadurch erft wird feine letzte .Polarität' verftänd-
lich, zugleich aber auch die Hauptlücke feiner ganzen
Arbeit aufgedeckt Es bleibt zu wünfehen, daß es dem
Autor gegönnt wäre, feine groß gedachte Aufgabe durchzuführen
. Die Fülle des Materials, das er dabei zu bewältigen
haben wird, mag ihn nicht fchrecken. Wichtiger
ift, daß er fich von der unklaren Faffung der
Probleme, wie fie von Wölfflin und Schmarfow ausgeht,
freimacht und fleh einer natürlichen und einfach gegliederten
Syftematik zuwendet, die ihn ebenfo von erzwungenen
Zufammenftellungen fernhält, wie davor bewahrt, die
wichtigften Probleme, fo die Frage nach Bedeutung und
Wandel der künftlerifchen Perfönlichkeit, beifeite zu laffen.

Wien. Jofef Strzygowski.

Brigg8, Charles Auguftus: Theological Symbolics. (The
International Theological Library edited by Ch. A.
Briggs and St. D. F. Salmond). (X, 429 S.) gr. 8«.
Edinburgh, T. & T. Clark 1914.

Eine Förderung der Wiffenfchaft wird kein Sach-
I verftändiger von einem poftumen englifch-amerikanifchen
Lehrbuch für Studenten erwarten. Ich will mich deshalb
nicht dabei aufhalten, die Richtigkeit diefer Vorausfetzung
für dies Buch im einzelnen nachzuweifen. Sein vor wenigen
Jahren verftorbener Verfaffer befaß eine vielfeitige theologifche
Belefenheit; doch daß feine Gelehrfamkeit merk-
: liehe Schranken hatte, zeigt auch diefe feine Symbolik.
I — Intereffant und lehrreich ift mir zweierlei gewefen.
; Erftens die Wahrnehmung, daß Briggs, der 1892 von
; feiner Kirchengemeinfchaft, der presbyterianifchen, der
er als Profeffor am Union Theological Seminary in New
York diente, der Ketzerei für fchuldig befunden wurde
| und dann, 1893 fuspendiert, zur Proteftant Episcopal Church
i überging, trotzdem als Theologe noch altmodifcher gewefen
ift, als ich annahm. Seine theologifche Stellung
ift eine durch amerikanifch-irenifche Tendenzen und —
freundlich es zufagen — fyftematifch-theologifche Genüg-
I famkeit gemilderte altkirchlich-evangelifche (.orthodoxe')
Gläubigkeit, deren Intereffen man in diefer Symbolik gelegentlich
durch Zeilenzählen abmeffen könnte: über die
! Jungfrauengeburt wird 8 Seiten lang gehandelt (S. 52—60);
i von dem fchwierigen Artikel IV der Augustana (juftifican-
tur ... cum credunt)heißt es lediglich: ,the article is brief and
does not raise difficult questions' (S. 311). — Zweitens inter-
effiert die formale Seite der hier vorliegenden Behandlung
der Symbolik. Der Einleitung (S. 3—33) folgen drei Hauptteile
: Fundamental Symbolics (S. 34—120), Particular
Symbolics (S. 121 — 250) und Comparative Symbolics
j (S. 251—412). Der erfte diefer Teile gilt dem .gemeinfamen
| altkirchlichen Erbe'. Nicht nur die fog. drei ökumenifchen
I Symbole, auch die ökumenifchen Konzile von 451, 553
und 680 werden befprochen. Die bei uns eindringlichft