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Ausgabe:

1916

Spalte:

32-33

Autor/Hrsg.:

Kern, Fritz

Titel/Untertitel:

Quellen zur Geschichte der mittelalterlichen Geschichtsschreibung. I. Geschichtsschreiber des frühen Mittelalters 1916

Rezensent:

Levison, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 2.

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tung Geficht fehlt. Diefes bekommt bald die gefteigerte
Bedeutung .Perfönlichkeit'.

Mit einem Ausblick auf die Bedeutung des Begriffs
.Perfon' in der Religion und Philöfophie der Neuzeit
fchließt diefe interefiante Abhandlung.

Königsberg i./Pr. Kurt Cybulla.

Johann Georg, Herzog zu Sachfen: Streifzüge durch die
Kirchen und Klölter Ägyptens. (IX, 80 u. 109 S. m. 239

Abbildgn.) Lex.-8°. Leipzig, B. G. Teubner 1914.

M. 8 —

Diefes höchft intereffante und inhaltsreiche Buch gehört
literarifch zur Gattung der durch den Augsburger j
Patrizier Philipp Hainhofer typifch und unvergänglich j
vertretenen Kunftliteratur, den man heute unter den j
Quellenautoren kennt und neu druckt. Herzog Johann ]
Georg veröffentlicht darin alle feine Notizen und Beobach- j
tungen, die er auf zwei ägyptifchen Studienreifen im 1
Dezember 1910 und dann wieder von Mitte Oktober bis
Mitte Dezember 1912 an Ort und Stelle niedergefchrieben
und durch zahlreiche photographifche Aufnahmen ergänzt
hat. Sein Intereffe richtete fich ganz dem chriftlichen
Ägypten zu, wie es in Kirchen und Klöftern älterer und
alter Zeit, deren Denkmälern und Kunftwerken, teilweife
auch in deren Ordnungen und Bräuchen fich darfteilt. Was
er in diefer Hinficht gefehen und feftgeftellt hat, wird
nach der Ordnung der Reifegebiete und befuchten Stätten
in folgenden heben Kapiteln mitgeteilt: 1. Alexandrien
und Menasftadt; 2. Alt-Kairo, Kairo und Sakkarah; 3. Die
Klöfter der nitrifchen Wiifte; 4. Deir-Abbu-Hennes, Äffiut,
Weißes und Rotes Klofter; 5. Nekropole El-Bagouat in
der Qafe Chargeh; 6. Abydos, Denderah, Luxor und
Umgegend; 7. Efneh, Affuan und Nubien. Ein achtes
Kapitel bringt, zur Abrundung des Bildes der kirchlichen
Kunft Ägyptens, Befchreibung nebft Abbildung derjenigen
Gegenftände kirchlicher Kunft, die der Verfaffer für feine
Sammlung in Ägypten erworben hat: 3 koptifche Ikonen,
2 holzgemalte Köpfe, Gegenftände in Stein (Stelen ufw.)
und kleinere Kunftfachen (2 Weihrauchfäffer, davon eines
mit dem Leben Jefu in fechs Szenen von der Verkündigung
bis zum Oftermorgen, u. a.) Daß der Herzog feinen lieben
Ikonen, als deren eifriger Sammler und befter Kenner er bekannt
ift, überall befondere Aufmerkfamkeit zugewendet
hat, ift auch in diefem Buche zu bemerken und bedeutet
ein befonderes Verdienft um die Erforfchung der kirchlichen
Kunft des Morgenlandes. Allein feine ,Streifzüge'
gehen doch überall und fyftematifch aufs Ganze. Überdies
brachte es die Hoheit der Perfönlichkeit des Ver-
faffers mit fich, daß manche Hülle fiel, manche Tür fich
auftat, manche Ecke zugänglich wurde, wo fonft das Geheimnis
oder die Unantaftbarkeit waltete. So ift es ihm
als erftem geftattet worden, von dem einzigen in Ägypten er
haltenen, mit figürlichen Miniaturen gefchmückten Manu-
fkript (13. Jahrh.), das nur fehr ungern gezeigt wird, enthaltend
die neuteftamentlichen Briefe und die Apoftel-
gefchichte, in der Hauptkirche des Klofters Deir-Abu-
Sefein (Alt-Kairo), Photographien anzufertigen (S. 11 ff.,
Abb. 34—36). Überhaupt fteckt in diefen zahlreichen Abbildungen
, an deren nicht immer ganz deutlicher Wiedergabe
nicht fo fehr die Kleinheit des Apparates oder die
an fich fcharfe Aufnahme als der Zuftand oder die Lage
des Objektes fchuld ift, wie namentlich bei einzelnen
Fresken, eine Fülle allerdankenswertefter Arbeit; denn
keine Befchreibung vermag die Reproduktion zu erfetzen,
und fo vieles geht in Ägypten durch den Unverftand der
Eingeborenen wie durch die Unverantwortlichkeit der
gefetzten Hüter auch aus Europa fort und fort unwiederbringlich
verloren, zugrunde. Hat doch z. B. der Service (!)
des Antiquites 1895 eine große und künftlerifch bedeutende
chriftliche Kirche des Tempels von Medinet-
•Habou zerftört, ohne auch nur einen Plan aufgenommen

zu haben, und die Werkftücke zu ihr läßt er verkommen
(53): Gemütsmenfchen, wahrlich, diefe Franzofen und Engländer
! Der deutfche Herzog, auch einer von den Barbaren
, hat fich für eine beffere Verwahrung verwendet;
ob er Erfolge hatte, flieht dahin.

Von neuen Entdeckungen chriftlicher Bauten oder Orte
hat Herzog Johann Georg nicht zu berichten. Aber nicht
weniges hat er an den bekannten Plätzen aufgedeckt, und
vor allem hat er mit der ihm eigenen Gewiffenhaftig-
keit in einer Reihe von Fällen den Beftand deffen, was
wirklich da ift, feftgeftellt; manche Baedekerangabe konnte
dadurch berichtigt, manches Klofter- und Kirchengebäude
dem Befuche empfohlen werden.

Zweierlei ift nach dem vorliegenden Ergebniffe der Studienfahrten
zu bedauern: erftens, daß der Aufenthalt an
manchen überaus wichtigen Stellen nur fo kurz fein konnte,
und zweitens, daß von der Reifegefellfchaft niemand zur Anfertigung
von Grundriffen genügend gefchult war. Letzteres
empfindet der Verfaffer felbft (Vorwort); es ift in der
Tat ein fchmerzlicher Mangel, der die Architektur fo ftark
zurücktreten läßt, wiewohl der Herzog auch vor ihr den-
felben gefchulten Blick für das Wichtige und Wefentliche
bekundet, der den Denkmälern fonft begegnet. Beides
aber macht fich eindringlich bemerkbar an einem Orte
wie der gewaltigen Nekropole El-Bagouat in der Großen
Oafe; wie gerne wünfchte man hier, fo dankenswert das
Mitgeteilte auch ift, mehr und Näheres aus den Kapellen
mit ihren überaus intereflanten Malereien, und wie fehr
erwünfcht wäre auch für diefe und jene Kapelle die Mitteilung
eines Grundriffes und von Angaben über die bauliche
Geftaltung, z. B. der 6. Kapelle mit einer ,Art von
Chorumgang', oder der 13., die um ihrer Größe willen fo-
gar als Kathedrale bezeichnet worden ift! Was übrigens
die Datierung der Fresken betrifft, die Herzog Johann
Georg mit C. M. Kaufmann glaubt ins 4. Jahrhundert
fetzen zu muffen, foweit es fich wenigftens um die älteren
Gruppen handelt, fo möchte ich mich beiden Forfchern
anfchließen, infofern auch mir ein Herabrücken fämtlicher
Bilder etwa ins 6. oder 7. Jahrhundert en bloc ausge-
fchlofien erfcheint; andererfeits glaube ich aus den Darftellungen
den fachlichen Beweis erbringen zu können, daß
die älteften Reihen, als welche in der Zählung des Ver-
faffers die der 2, 13. und 14. Kapelle gelten, allerfrühe-
ftens am Ausgange des 4., eher wohl fchon diesfeits der
Grenze des 4)5. Jahrhunderts entftanden find.

Wer den Spuren des Verfaffers folgt, wird Gewinn
haben und dankbar fein für die Winke, die ihm zu weiterer
Forfchung gegeben werden. Aus den tagebuchartigen
Aufzeichnungen ift in das Buch hie und da eine Notiz übernommen
worden, die nicht zur Wiffenfchaft, wohl aber
zum Intimen, rein Perfönlichen des Reife Verlaufes gehört,
wie daß im Klofter Deir-Baramus in der nitrifchen Wiifte
der Verfaffer von der vorgefetzten allzufüßen Syruplimo-
nade nur einen Schluck nahm und genug davon hatte,
während fein Begleiter und Priefter Privatdozent Dr. Karge
,mit Todesverachtung das ganze Glas auf einen Zug' austrank
(30), und dergl. mehr. Man nimmt diefe kleinen
Anmerkungen gerne mit hin; fie beleben, wie fie dem
Reifenden Gedächtnisftützen find, dem Lefer das fonft
durchaus ernfte Referat über die wiffenfchaftlichen Feft-
ftellungen.

Ein paar unbedeutende Druckfehler (27,1 v. u. Peleri-
nage; 37,6 v. u. Guads; 45,2 <Pmg und Zojrj; diefes eben-
fo S. 49; 58,16 v. u. Chriftliches; 60,10 v. u. vom; Abb.
17 Amben ft. Ambon; 82 Amba-Bifchei ft. —- Bifchoi)
können leicht korrigiert werden.

Berlin. Georg Stuhlfauth.

Kern, Fritz: Quellen zur Gefchichte der mittelalterlichen Ge-
Ichichtslchreibung. I. Gefchichtsfchreiber des frühen
Mittelalters (von Eufebius bis zu Regino von Prüm).