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Ausgabe:

1916 Nr. 2

Spalte:

550-551

Autor/Hrsg.:

Strunz, Franz

Titel/Untertitel:

Die menschliche Rede und das Leben 1916

Rezensent:

Beth, Karl

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549

Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 25/26.

nicht nur aufwirft und ihre Löfung anzubahnen fucht, fondern
vielmehr zum Austrag bringen will, umfaßt 47 Seiten, von denen
ein ungewöhnlich großer Teil dem Referat über die Meinung
anderer gewidmet ift. Was Verf. von Eigenem hinzutut, zeigt
leider nicht die Qualität, die auch in kleiner Dofis wirkt. Von
tiefergehender und fördernder Unterfuchung ift hier nichts zu
finden. Es genügt daher, die Refultate kurz mitzuteilen. Danach
wurde Jefus im Spätherbft oder Anfang Winter 5 v. Chr. geboren
und ftarb am Freitag, 7. April (=14. Nifan) 30 n. Chr., fo daß er
ein Alter von 33 Jahren und einigen Monaten erreicht hat. Das
letzte Pafcha- bzw. Abendmahl hielt er am Abend des 6. April
(=am beginnenden 14. Nifan), während er am Nachmittage des
7. April gegen drei Uhr am Kreuz verblutete (vgl. S. 47). — Die
Studie, die zu diefen Ergebniffen gelangt, zeichnet fich durch korrekt
katholifche Haltung aus, womit die Auswahl der tatfächlich
benützten Literatur übereinftimmt. So kann z. B. vom Geburtstag
Jefu gehandelt werden, ohne daß H. Useners Name genannt
würde. Die apologetifchen Gedankengänge, mit deren Hilfe die
auseinanderftrebenden Berichte des N. Ts. zufammengezwungen
und die abweichenden Angaben profangefchichtlicher Quellen
um ihr Gewicht gebracht werden, find vielfach weniger durch
ihre Neuheit, als durch ihre Anfpruchslofigkeit bemerkenswert.
Göttingen. Walter Bauer.

Buchwald, Superint. D. Georg: Koburger Predigten Martin Luthers
aus dem Jahre 1530. Aus Handfchriften veröffentlicht. (48 S.)
8°. Leipzig, Krüger & Co. 1917. M. — 80

Wenn jemand nach den Titelworten ,aus Handfchriften veröffentlicht
' meinen follte, hier einem neuen Fund des bekannten
Lutherforfchers zu begegnen, fo würde er fich enttäufcht fehen.
Die Veröffentlichung aus Handfchriften erfolgte bereits 1884 in
Buchwalds Schrift ,Ungedruckte Predigten D. M. Luthers im Jahre
1530 auf der Coburg gehalten' (aus einer Zwickauer Abfchrift),
dann 1906 wieder durch Buchwald in Weim. Ausg. XXXII (aus
Rörers Niederfchrift in Jena). Das Neue an diefer dritten Veröffentlichung
dreier aus den zehn uns bekannten Koburger Predigten
ift einmal, daß er hier Luthers Text in moderne Sprachformen
umfetzt und damit allgemein verftändlich macht,ihn außerdem auch
in fprachlicher undfachlicherBeziehungmitErläuterungen verfieht.
Und die innere Berechtigung dazu liegt darin, daß die ausgewählten
Predigten treffliche Einblicke in Luthers Glaubenszuverficht
in fchwerer Zeit und] in die praktifche Betätigung evangelifcher
Frömmigkeit gewähren: ,fie paffen durchaus in die Gegenwart'.
Eine frifch gefchriebene Einleitung führt den Lefer in Luthers
Koburger Tage ein. So ift ein Heft entftanden, das zwar nicht
der Lutherforfchung Neues bieten, aber dem Chriftenvolke in
diefer ernften Zeit aus ihrem Arbeitsfeld Erfrifchung und Stärkung
gewähren will.

Berlin. G. Kawerau.

Kant, Imman.: Worin befteht der Fortrehritt zum Befferen im Men-
fchengerchlecht? Ein bisher ungedr. u. unbekannter Auffatz
Kants, hrsg. u. befprochen v. Geo. Kuli mann. (51. S.) gr. 8».
Wiesbaden, H. Staadt 1914. M. 2 —

Ein Stück Kantphilologie, ein zufällig antiquarifch erworbenes
Blatt, das der Herausgeber zunächft in einer das Fakfimile
erfetzen rollenden typographifch komplizierten Form und fchließ-
lich in der Herftellung eines bereinigten Textes wiedergibt. Das Blatt
wird unter Zuftimmung von Adickes auf die Zeit von 1796—98 angefetzt
und ift entweder ein freier Entwurf oder eine Vorarbeit zu
der ,Erneuerten Frage, ob das menfehliche Gefchlecht in beftän-
digem Fortfehreiten zum Belferen fei'. Die Ausgabe des etwa drei
Seiten betragenden unfertigen Buchftückes hat vielfache Parallel-
ftellen und ift auch fachlich forgfältig kommentiert. Der Inhalt
ftimmt mit den bekannten gefchichtsphilofophifchen Anflehten
Kants überein, die die Vorgänge an einem vernunftnotwendigen
Ideal meffen, ausdeffen Vernunftnotwendigkeit die Verwirklichungsmöglichkeit
folgern und in der moderen philofophifchen, naturwif-
fenfchaftlichen, ethiTchen und religiöfen Aufklärung einen empiri-
fchen Beweis für diefen Glaubensfatz fehen. Intereffant ift, wie
auch in diefem kleinen Buchftück die Schwierigkeiten eines fol-
chen Standpunktes des Vernunftglaubens im Verhältnis zu einer
doch wefentlich naturwiffenfchaftlich-pfychologifch-kaufalen Denkweife
über den wirklichen Verlauf hervortreten. DieNaturverhält-
nilfe find nicht abzuändern, das Kapital an gutem Willen ift nicht
zu vermehren, aber.der Gebrauch und Zinfengewinn diefes Kapitals
läßt fich fteigern durch Freiheit. Der Glaube und die Freiheit
erfcheinen geradezu felbft als Produzenten der Gefchichte, weshalb
die glaubenslofen Politiker und Realiften, die für den Fortfehritt

felbft nichts tun, mit Recht ihn auch leugnen. Das bedeutet ein
Wirken der Freiheit innerhalb und gegen den Naturablauf und
infofern etwas wie eine Entwicklung. Sie befteht darin, daß die
Ergebnilfe einer zunächft bloß eudämoniftifchen Pazifizierung von
der Vernunft übernommen und als ihre Grundlage ausgebaut werden
. In Kants Gegenwart ift die Vernunft im Begriff, diefen Ent-
wicklungsfortfchritt mit Riefenfchritten zu tun, dazu gehört ,am
meiften die Erfindung der Religion überhaupt', die damit völlig parallel
zur, Natur überhaupt' ,Philofophie überhaupt' erfcheint, ein
Ausdruck, der notiert zu werden verdient. Die Hindernifle des
Moralifchen werden auf den fortdauernden ,Thierfinn' zurückgeführt
, was gleichfalls in den Rahmen eines Entwickelungsbe-
griffes gehört.

Berlin. Troeltfch.
Weinftein, Prof. D. M. B.: Entltehung der Welt und der Erde nach

Sage und Wirfenrchaft. 2. Aufl. (Aus Natur u. Geifteswelt 223.)

(VI, 116 S.) kl. 8". Leipzig, B. G. Teubner 1913. M. 1.25
— Der Untergang der Welt und der Erde in Sage und Wirfenrchaft.

(Aus Natur und Geifteswelt 470.) (V, 107 S.) Ebd 1915. M. 1.25
Weinftein ftellt die mythifchen mit den wiffenfchaftlichen
Kosmogonien zufammen, offenbar unter dem Gefichtspunkt, daß
es auch bei den letzteren fich um ,Dichtung' (115) handle. Doch
ift es ihm nicht gelungen, feinen Stoff zur Einheit zu geftalten.
Der erfte Teil bildet eine fleißige MaterialTammlung, deren Wert
von der benutzten Literatur abhängt, die nicht immer die befte
ift. Religionspfychologifche und -gefchichtliche Methode darf
man bei W. nicht erwarten. Dafür zeigt er fich im 2. Teil als
unterrichteten Naturforfcher. Im Mittelpunkt fteht hier eine gut
orientierende Darfteilung von Kants Kosmogonie, deffen Lei-
ftung ihm gegenüber den Leiftungen feiner Nachfolger wie ein
Gebirge gegen Körnlein' erfcheint (109). Noch nicht benutzt
ift von W. die geiftvolle Darftellung und Kritik der kosmogo-
nifchen Verfuche von H. Poincare. Bemerkt fei, daß W. felbft
eine Schöpfung anzunehmen für nötig erachtet, die fich nicht
nur auf die Hervorbringung der Materie, fondern auch auf ihre
Anordnung (eine ,gewiffe Präformierung der Welt') erftreckt
(74. 80). Entfprechend legt er auch der biblifchen Schöpfungs-
gefchichte als Darftellung der Allmacht des Schöpfers einen
hohen Wert bei. —

Faft noch intereffanter ift das zweite Bändchen. Der I. Teil
handelt von den mythifchen Zeitaltern und Perioden der Welt,
Sintflutfagen (deren Verbreitung mit den Folgen der letzten Eiszeit
in Zufammenhang gebracht wird), Weltzerftörung und Weltenbrand
(eine Auffaffung, die den Übergang zur antiken Naturphilo-
fophie bildet) und perfifch-jüdifcher Eschatologie. Der II. Teil bereitet
durch lehrreiche Ausführungen über den Stoff und feine
Auflöfungsmöglichkeiten, die Kräfte und Spannungen, die Energien
und Strahlungen, die Vorgänge und Zuftände und ihr Streben
nach Gleichgewicht und Beftändigkeit die Frage nach dem entro-
pifchen Tode der Welt vor, die entgegen neueren Abfchwächungs-
verfuchen (befprochen wird befonders Jaumann's Theorie) für
den Fall der Endlichkeit der Welt (für deren nähere Vorftellung
befonders die früheften, in der Tat fehr intereffanten Ausführungen
Kants herangezogen werden S. 55 ff.) wahrfcheinlich zu bejahen
ift (98), womit denn auch eine Weltrchöpfung wahrfcheinlich wird.
Auch an einer nicht-ftofflichen Seele hält W. feft (104 ff.) Überall
I find in diefem Teile die neueften Gefichtspunkte der Forfchung
berückfichtigt, fo daß das Büchlein als fehr dankenswerte Einführung
in die heutige Debatte über die letzten Fragen und Hypo-
thefen der Naturwiffenfchaft empfohlen werden kann.
Göttingen. Titius.

I Jacobafch, Rekt. E.: Theorie und Praxis des Perikopenunterrichts.

(Zeitfr. ev. Päd. 1,6.) (34 S.) Berlin, F. Zilleffen 1916. M. —75
Nach einem allgemeinen Wort über die Perikopen (,der herr-
lichfte Edelftein in der Krone des Unterrichts'. ,Fefthaiten was
wir haben!') werden zwölf Proben der Behandlung gegeben, die
j wenig Befonderes an fich tragen.

Heidelberg. p. Niebergall.

1 Strunz, Prof. Dr. Franz: Die menrehliche Rede und das Leben.
(39 S.) gr. 8». Wien, F. Deuticke 1914. M. 1—

Selbft ein viel erprobter und gefeierter Redner, ftellt der
Verfaffer in rhetorifch gehobener Sprache das innere Wefen
und Ziel der Redekunft dar. Mit dem Philologen Nietzfche, dem
durch die Rede nicht die Dinge felbft, fondern die Art, wie wir
zu den Dingen ftehen, oder das m!>av6v nach außen zu treten
fchien, mit Schleiermacher und mehreren neueren, namhaft an-
l geführten Kanzelrednern erblickt St. in der Rhetorik die Technik