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Ausgabe:

1916 Nr. 2

Spalte:

538-540

Autor/Hrsg.:

Michael , Emil

Titel/Untertitel:

Geschichte des deutschen Volkes vom dreizehnten Jahrhundert bis zum Ausgang des Mittelalters. 5. Bd.: Die bildenden Künste in Deutschland während des 13. Jahrh. 1. - 3. Aufl 1916

Rezensent:

Stuhlfauth, Georg

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Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 25/26.

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tere, nur Köln eigentümliche Einrichtung des Schreinsamtes
unterstützte wefentlich die Politik des Rates.
Gerade die geistlichen Verbote — auch der Abt von
Groß-St. Martin hat Solche Verbote erlaffen —, die Erb-
leihegüter in die Schreinsbücher eintragen zu laffen, und
das Verlangen, die Grundftücksgefchäfte nicht vor dem
Schreinsamt, fondern vor dem Stiftifchen Grundgericht
erledigen zu laffen, zeigen, in wie hohem Maße die Stiftifchen
Güter von Entfremdung bedroht waren. Schließlich
ift zu beachten, daß Köln die größte Stadt Deutfch-
lands im Mittelalter war, daß darum in Köln Handel
und Verkehr recht bald in Blüte Standen. Eine Folge
davon war, daß die Stadtverwaltung ein genaues Steuer-
wefen beachten mußte. Ebenfo ift es erklärlich, daß die
Vollbürger neben gewiffen Pflichten auch eine Anzahl
von Rechten hatten, die den unter geistlicher Herrfchaft
und doch innerhalb der Stadtmauern Kölns wohnenden
Individuen nicht eigentümlich waren. Vor allen Dingen
aber war in einer Großftadt früh der Bodenpreis fehr
hoch; es ift Selbstverständlich, daß der Bodenwert und
feine Steigerung bald genau beachtet wurden So kamen
in Köln recht oft Baufpekulationsgefchäfte in Schwung,
an denen vor allen Dingen geistliche Anftalten beteiligt
waren.

Die Abtei Groß-St. Martin ift gegen Ende des
10. Jahrhunderts konsolidiert. Damals waren fchon viele
ältere, begüterte Stifter in Köln in Befitz eines ausgedehnten
Reichtums an liegenden Gütern auch innerhalb j
der Stadtmauern oder in deren nächster Nähe. Für das
neugegründete Stift konnte der Erzbifchof bei allem
Wohlwollen nur Grundstücke in nächster Nähe des Klofters
zur Verfügung Stellen. Es ift aber Selbstverständlich, daß
die auch in Köln rege Opferwilligkeit der Gläubigen das
Klofter bald in Befitz liegender Güter auch in entfernteren
Gegenden der Stadt gebracht hat. K. unterfucht
die vorhandenen Quellen auf die Nachrichten vom Vorhandenfein
und den Charakter der Grundstücke. Von
einer größeren Anzahl Güter, die dem Klofter als ausgeliehenes
Erbleihegut hofzinspflichtig waren, Sondert er
einen kleinen Teil von Grundstücken, die zum eigenen
alten Immunitätsboden des Klofters gehörend auch eine
befondere Rechtsqualität darfteilen. Mit diefem alten
Immunitätsboden verfuchte das Klofter fchon im II. Jahrhundert
feine erften Baufpekulationen. Es gab die Grund-
Stücke in fchmalen Parzellen an kleine Händler und Handwerker
zur Bebauung in Erbleihe aus. Die Beliehenen
unterstehen dinglich und perfönlich dem Abte, Sie find
dem Klofter hofzinspflichtig und unterstehen dem Grundgerichte
des Abtes. Die Bewohner der Erbleihegüter,
die nicht zum alten Immunitätsgebiet gehören, find dagegen
nur hofzinspflichtig und fonft ganz unabhängig
von aller klösterlichen Gewalt. Zwifchen diefen beiden
Extremen, die für Sich je einen klaffifchen Typus darstellen
, finden wir aber die buntefte Mannigfaltigkeit: die
Rechtsqualität des Bodens bedingt auch Rechte und
Pflichten des Befitzers bezw. des Bewohners. Von be-
fonderer Bedeutung find da z. B. die Erteilung des Marktrechts
, die Marktfähigkeit oder die Pflicht, dem Burggrafen
- einen Zins zu zahlen. Bei den ziemlich verwickelten
Rechtsverhältniffen, vor allen Dingen aber, um
den fortwährenden Feindfeligkeiten von feiten des Rats
mit der nötigen Begründung begegnen zu können, hat
das Klofter früh fein eigenes Grundgericht gehabt.
Diefem Gerichte und feiner Gefchichte, feiner Umwandlung
in ein Lehengericht und deffen Entwickelung widmet
K. die weiteren Mitteilungen feines Buches. Hier fei
nur noch daraus mitgeteilt, daß das Grundgericht in
feinem Kampfe gegen Schreinsamt, Schöffengericht und
Offizialat (Notariat) einen Kampf mit ungleichen Mitteln
führte. Die Rechtsmittel bei den anderen Ämtern waren
viel Stärkere, vor allen Dingen war der Abt in feinem
Gerichte nicht nur Richter, fondern Partei. Das tat dem
Anfehen des Gerichts wefentlich Abbruch. Als eine

Folge der Bursfeldifchen Reformation ift es anzufehen,
wenn in der Mitte des 15. Jahrhunderts das Grundgericht
in ein Lehengericht umgewandelt wird. Der Geift der
Zeit verlangte von den Mönchen eine Abkehr von weltlichen
Dingen. So ift aus rein religiöfen Motiven eine
rein juriftifche Entwickelung angebahnt, ein Vorgang, für
den wir auch an anderen Stellen Belege finden werden.
P. Ildefons macht in feiner Vorrede darauf aufmerkfam.
Es ift zu hoffen, daß benediktinifche Gelehrfamkeit uns
bald einen Beitrag zu diefem Thema liefern wird. Die
gut gefchriebene Arbeit von Kühn ift mit mehreren Tafeln
recht erfreulich ausgestattet. — Daß das Pfarrarchiv
zu St. Martin heute noch fchwer zugänglich ift und daß
die wertvollen Urkundenbeftände unzweckmäßig aufbewahrt
find und unter Feuchtigkeit leiden (S. 11, Anm. 1
und 4). fcheint der Diözefanverwaltung nicht bekannt zu
fein. Bei dem großen Eifer, den die Domgeiftlichkeit
unferer großen Stiftskirchen der hiftorifchen Erforfchung
der Diözefe widmet, follte man annehmen, daß auch die
Quellen in angemeffener Weife erhalten werden.

Leipzig. Otto Lerche.

Michael, Emil, S. J.: Gefchichte des deutfchen Volkes vom

dreizehnten Jahrhundert bis zum Ausgang des Mittelalters
. 5. Bd.: Die bildenden Künfte in Deutfchland
während des 13. Jahrh. 1.—3. Aufl. (XXX, 443 S.
m. 89 Abbildungen auf 24 [2 färb.] Taf.) 8n. Freiburg
i. B., Herder. M. 7 —; geb. M. 9 —

Es handelt fich hier um den letzten von fünf Bänden
einer Kulturgefchichte des deutfchen Volkes während
des 13. Jahrhunderts, der die politifche Gefchichte folgen
foll und die als Ganzes den Auftakt bildet zu des Ver-
faffers großangelegter Gefchichte des deutfchen Volkes
in der zweiten Hälfte des Mittelalters. Hatte der erfte
Band Deutschlands wirtschaftliche, gefellfchaftliche und
rechtliche Zuftände während des 13. Jahrhunderts zum
Gegenstand, der zweite die religiös-Sittlichen Zuftände,
Erziehung und Unterricht, der dritte die deutfche Wiffen-
fchaft und deutfche Myftik, der vierte die Dichtung und
Mufik, fo ift der vorliegende fünfte den bildenden Künsten
gewidmet. Er behandelt feinen Stoff in vier Ab-
fchnitten ungefähr gleichen Umhanges, und zwar zunächst
die Baukunft (5—100), alsdann die Bildhauerkunst (101
—177), hierauf Kunstgewerbe und Kleinkunst (178—284):
I. Goldfchmiedekunft, 2. Elfenbeinschnitzerei, 3. Arbeiten
aus Stein, aus unedlen Metallen und aus Holz, zuletzt
die Malerei (285—417): I.Buchmalerei, 2. Wand-, Decken-
und Tafelmalerei, 3. Glasmalerei, 4. das malerifche Element
in Stickereien, Geweben und Teppichen. Ein Rückblick
und Schluß (417—429) bringt zufammenfaffende
Bemerkungen Spezieller und allgemeiner Art über den
vorwiegend religiöfen Charakter der Kunfttätigkeit des
13. Jahrhunderts, über den Einfluß des Klerus auf die
Kunft, über die künftlerifche Freiheit und Gebundenheit
im Mittelalter, über das Verhältnis zur Natur und den
Realismus in der Kunft des 13. Jahrhunderts, über
Künftlerinfchriften und über Kunft und Religion. Ein
Register befchließt den Band, während ein ausführliches
Inhaltsverzeichnis, ein langes wertvolles Bücherverzeichnis
, ein Verzeichnis der Abbildungen — 89 auf 24 Tafeln
— und eine kurze Einleitung (S. 3 h) ihn eröffnen.

Das Programm der Darfteilung Steht in den Sätzen
der Einleitung: ,Eine Gefchichte des deutfchen Volkes
hat die Hauptwerke der Baukunft, der Plaftik und der
Malerei vom künftlerifchen Standpunkt zu würdigen.
Aber Sie darf in der eigentlichen Kunftgefchichte nicht
aufgehen, fondern wird auch andere kulturelle Gesichtspunkte
zu beachten, namentlich die Beziehungen aufzudecken
haben, die zwifchen der Kunft und dem Volke
beftehen' (4). Erkennt man diefes Programm an, und
man muß es anerkennen, fo kann man in der Durch-