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Ausgabe:

1916 Nr. 23

Spalte:

487-488

Autor/Hrsg.:

Meyer, Arnold

Titel/Untertitel:

Die evangelischen Berichte über die Versuchung Christi 1916

Rezensent:

Bauer, Walter

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Seite 1

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487

Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 23.

488

Möglichkeit haben, Hebräifch als Unterrichtsfprache einzuführen
) die Sprache fein muß, in der die Mehrheit der
polnifchen Juden redet, fühlt und denkt: die jiddifche'
[lies die jüdifchej. ■— J. Kaufmann-Bern hat in dem Auf-
fatze ,Die hebräifche Sprache und untere nationale Zukunft
' S. 418 eine Äußerung von mir entftellt, indem er
das Wörtchen ,nur' einfchiebt (das Hebräifche fei für
die Juden nur die heilige Sprache) und mir unterfchiebt,
ich wolle die Hoffnungen der Zioniften (bzw. jüdifchen
Nationaliften) auf vermehrten Gebrauch des Hebräifchen
als Umgangsfprache zerftören.

Berlin-Lichterfelde Weft. Herrn. L. Strack.

Meyer, Arnold: Die evangelifchen Berichte über die Ver-
fuchung Chrifti. (Sonder-Abdruck aus der Feftgabe f.
Hugo Blümner.) (S. 434—468) gr. 8 °. Zürich, Buchdr.
Berichthaus 1914.

In feinem Beitrag zur Feftfchrift für H. Blümner hat
M. eine religionsgefchichtliche Erklärung der evangelifchen
Berichte über die Verfuchung Jefu unternommen.
Die literarkritifche Vorfrage nach dem Verhältnis der
beiden Formen, in denen wir diefe Gefchichte im NT
befitzen, erledigt er dahin, daß die von Mt. und Luc.
gemeinfam bezeugte Geftalt ,aufgebaut ift auf einer verkürzten
Form der bei Mc. vorliegenden Tradition' (S. 457).
Da jede der beiden Darftellungen den gemeinfamen Kern
(vierzig Tage in der Wüfte vom Teufel verfucht) mit
eigenartigen Zutaten verfehen oder ihn unter einem be-
fonderen Gefichtspunkt verwertet und ausgeftaltet hat,
muß fie für fich behandelt werden.

Der vierzigtägige Kampf des Gottesfohnes, den Tiere
und Engel umgeben, wie er bei Mc. gefchildert wird,
erinnert M. ,unmittelbar an den alten Mythus vom Kampf
des göttlichen Helden mit den Ungeheuern des Chaos,
wofür ihm die Herrfchaft über die Götter zu Teil wird'
(S. 440). Er führt den Mythus in verfchiedener Ausge-
ftaltung vor und zeigt feine Einwirkung auf Juden und
Chriften. Auch den engern Zufammenhang zwifchen
Taufe und Verfuchung Jefu möchte er von hier aus begreifen
. Der Geift kommt auf Jefus herab, um ihn zum
Kampf in die Wüfte zu treiben, und die ihn anredende
Himmelsftimme bildet ,eine genaue Parallele zu dem ermunternden
Gefpräch, wie wir es im babylonifchen Mar-
dukhepos den göttlichen Vater mit feinem Sohn vor
deffen Erlöfungskampf führen hörten' (S. 449). Noch
andere mythifche Stoffe, vor allem den Hymnus von
der Seele aus den Thomasakten, zieht M. heran; dagegen
fcheinen ihm at. Motive und die Erzählung von Buddhas
Verfuchung weniger nahe zu liegen. Befonders wirkungsvoll
kommt mir der Hinweis darauf vor, daß die Chriften
von ihrem eigenen Taufglauben aus fich auch das Tauferlebnis
ihres Meifters gedeutet haben werden. Wie der
Gläubige in der Taufe den Geift empfängt, der ihn zu
fiegreichem Kampf mit dem Satan befähigt, fo muß es
auch mit Jefus felbft gewefen fein.

Für die Geftalt der Verfuchungsgefchichte bei Mt.
und Luc. bezeichnend ift ihr fchriftgelehrter Charakter.
,Die Erzählung gleicht einer geiftvollen jüdifchen Hag-
gada' (S. 458). Freilich ift fie gewiß echt chriftliche
Schöpfung, ein Erzeugnis judenchriftlicher Schriftgelehr-
famkeit. Die drei Schriftftellen, mit denen Jefus den
Satan fchlägt, waren in der gleichen Reihenfolge, die fie
in Jefu Mund haben, wohl fchon vor ihm von den Rab-
binen zufammengeordnet worden. Die drei altteftament-
lichen Gefchichten, auf die fie fich beziehen, Manna-
fpeifung, Wafferwunder, goldenes Kalb, enthalten Ver-
fuchungen, die auch den ,Sohn Gottes' getroffen haben,
freilich ohne ihn fiegreich zu finden. Die Chriften kennen
einen Sohn Gottes, der die Verfuchungen Satans überwindet
. In ihrem Kreife werden jene Verfuchungen fo
entwickelt, daß die gegebenen Schriftftellen als Antworten

Jefu paffen. Wichtig ift, fich klarzumachen, welches
Bild von Jefus der Schriftgelehrte, den wir hier am Werke
fehen, befitzt. Sein Chriftus faftet und hungert, empfindet
die Herrlichkeit der Welt als Verfuchung. Und
was ihn davor fchützt, ift nicht feine Gottheit, fondern
der Gehorfam gegen die Schrift. Nach dem in ihr bezeugten
Willen Gottes muß fich Jefus in allen Stücken
richten. Die Abficht der Erzählung ift, klarzumachen,
wie man an einem Sohn Gottes nicht irre werden dürfe,
der hungert, der Gefahr ausweicht, vom Teufel umhergetrieben
wird und nichts von den Herrlichkeiten der
Welt an fich hat. Der Lage Jefu entfpricht die Lage der
Urgemeinde, die ähnlichen Anfechtungen ausgefetzt ift.
Sie foll geftärkt und getröftet werden durch Hinweis auf
den in der Schrift enthaltenen Willen Gottes.

Der Schluß der Studie befchäftigt fich mit der Tatfache
, daß außer dem Chriftentum auch der Parfismus
und Buddhismus ihre Stifter vom Teufel verfucht werden
laffen. Was hier vorgetragen wird, ift ebenfo wie alles
andere fehr anregend und dem Nachdenken zu empfehlen.
Daß auf dem fchwierigen Gebiet, auf dem M. fich feine
Aufgabe ausgefucht hat, feine Löfungen Verfuche darfteilen
, neben denen andere ihr Recht behalten, wird
er felber am wenigften beftreiten.

Göttingen. Walter Bauer.

Meinertz, Prof. Dr. Max: Die Gleichniffe Jelu. 1. u. 2.

Aufl. (Biblifche Zeitfragen. 8. Folge, 3. u. 4. Heft.)
(95 S.) gr. 8°. Münfter, Afchendorff 1916. M. 1 —

Wer das auf katholifcher Seite den proteftantifchen
,Religionsgefchichtlichen Volksbüchern' und ,Biblifchen
Zeit- und Streitfragen' entfprechende Unternehmen .Biblifche
Zeitfragen' noch nicht kennt, kann es aus diefem
umfichtigen und wertvollen Doppelheft kennen lernen.
Die proteftantifche Literatur ift gründlich benutzt. Dem
proteftantifchen Forfcher auf dem Gebiet der Gleichniffe
Jefu ift der Nachweis der wichtigften katholifchen Literatur
wertvoll. In 5 Abfchnitten wird behandelt: Begriff
des neuteftamentlichen Gleichniffes, Erklärung der Gleichniffe
, Echtheit und Originalität, künftlerifche Schönheit,
Zweck der Gleichniffe. Wildes Allegorifieren der Gleichniffe
Jefu lehnt M. mit Recht ebenfo ab wie das Ausrotten
jeglicher allegorifchen Elemente als unecht. Mit
Recht ftellt er den Grundfatz auf, daß es falfch ift, an
Jefu Gleichniffe durchweg den Maßftab ein und desfelben
Schemas anzulegen. Die Bedeutung der rabbinifchen
Gleichniffe für das Verftändnis der Gleichniffe Jefu kommt
bei M. voll zu ihrem Recht. M. kennt Paläftina aus
eigener Anfchauung, ein großer Vorzug! Eine Pilgerfahrt
hat ihn 1910 nach Paläftina geführt. Treffend weiß er
die künftlerifche Schönheit der Gleichniffe Jefu zur Geltung
zu bringen. Befonnene proteftantifche Forfchung
kann an diefer Arbeit eines katholifchen Gelehrten ihre
uneingefchränkte Freude haben.

Gotha. Fiebig.

Löf Itedt, Einar: Tertullians Apologeticum textkritifch Unterpacht
. (Lunds Univ. Ärsskrift. N. F. Afd. 1, Bd. II,
Nr. 6.) (VIII, 123 S.) gr. 8°. Lund 1915. Leipzig,
O. Harraffowitz. Kr. 2.75

Ein fehr wertvoller Beitrag zum Verftändnis von
Tertullians großer Verteidigungsfchrift. Hinter dem von
Heinze 1910 nur dadurch zurückftehend, daß hier nur eine
Reihe einzelner, bisher falfch oder unzureichend gedeuteter
Stellen, allerdings auch aus guter Einficht in
Aufbau und Art des Ganzen heraus, fachverftändig erklärt
werden; aber wieder nicht etwa eine Zufalls-
fammlung von gelehrten Anmerkungen, fondern alle Details
beftimmt, die Frage nach der Überlieferung diefes
tertullianifchen Werkes endgültig zu löfen. Daß der