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Ausgabe:

1916 Nr. 1

Spalte:

20

Autor/Hrsg.:

Vosen, C. H.

Titel/Untertitel:

Kurze Anleitung zum Erlernen der hebräischen Sprache f. Gymnasien u. f. das Privatstudium. 20. u. 21. Aufl 1916

Rezensent:

Rahlfs, Alfred

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•9

Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 1.

20

in dem entwickelnd darfteilenden Verfahren, das Zerklären
der Lieder, die entfetzliche Kunftkatechefe an
Sprüchen und Katechismus mit ruhiger, würdiger Sachlichkeit
aber gründlich abgtan. (Daß ein religiös pofitiver
Mann diefe Kritik übt, macht fie befonders wertvoll.) Doch
das mehr nebenbei. Die Hauptfache ift, daß der Verf.
zeigt, wie nach feinem Grundgefetz Bibl. Gefchichte, Lied,
Spruch, Katechismus zu behandeln find. Ich kann das
nicht im Einzelnen darlegen, kann es nur allen Beteiligten
zur Erwägung empfehlen. In den Anmerkungen fleht
auch manch wertvoller Wink, z. B. der mich längft be-
fchäftigende Wunfeh, die fogen. ,bibl. Gefchichtsbücher',
weil fie in ihrer mechanifchen Bibeltreue unkindlich find
und zum Auswendiglernen verführen, ganz auszufchalten;
auf die bloß mündliche erfte Behandlung der bibl. Ge-
fchichten kann gleich die Schulbibel folgen. Befonders
beherzigenswert ift aber die Anmerkung auf S. 20f.: Der
Verf. bekämpft den Wahn, als ob das,Wort' es automatifch
,tue'. .Gottes Wort ift der Inhalt des Bibeltextes, der
Gottesgedanke. Gottes Wort lehren heißt feinen Inhalt
in der Kindesfeele lebendig machen, nicht aber das
Wort wie eine Mumie in die Kindesfeele legen.' Oder
wie Verf. fpäter einmal fagt: ,Erft Tatoffenbarung und
dann Wortoffenbarung. Diefer Satz gilt fowohl für die
Anordnung der religiöfen Unterrichtsftoffe im allgemeinen
wie für ihre methodifche Behandlung im befondern'.

In Schwierigkeit gerät der Verf. in der Anwendung
feines Erlebnisgrundfatzes beim Katechismus. Trotzdem
er auf 4. und 5. Hauptftück ganz, beim 3. auf Luthers Erklärung
verzichtet, muß er doch ferner zugeftehen, daß
gewiffe Stücke des Glaubensbekenntniffes den Kindern
nicht als eigene Bekenntniffe aufzuzwingen, fondern als
Luthers Bekenntniffe (Eger!) nahezubringen find. Trotzdem
gefteht er ehrlich zu: ,Wir haben hier in der Aufgabe
, dem Glaubensftand und dem Bekenntnis des Kindes
die innere Übereinftimmung zu fichern, eines der fchwierig-
ften religionspädagogifchen Probleme, deffen völlig befriedigender
Löfung wir noch harren'. Ich empfinde diefe
Löfung als noch fchwieriger; denn Langes Voraus-
fetzung für einen gewinnbringenden Katechismusunterricht,
daß nämlich die jungen Chriften ,des Heilandes fuchende
und feligmachende Liebeskraft in fich erlebt haben',
ift für gewöhnliche Schulverhäitniffe fo gut wie unerfüllbar
. So rechnet alfo auch diefer ausgezeichnete Pädagoge
— wegen feiner eigenen ungewöhnlichen Fähigkeiten
— mit einem ungewöhnlichen Idealbilde. Aber
feine praktifchen Vorfchläge für die Katechismusbehandlung
find trotzdem vortrefflich.

Hannover-Kleefeld. Schuft er.

Scharnagl, Prof. Dr. A.: Bayerifches Staatskirchenrecht.

(Staatsbürger-Bibliothek Heft 55.) (84 S.) 8°. M. Gladbach
, Volksvereins-Verlag 1915. M. —40

Diefes kleine Buch enthält viel mehr als fein Titel
verfpricht. Das hängt allerdings zum größten Teile damit
zufammen, daß der Rahmen des Staatskirchenrechts in
Bayern viel weiter gezogen ift als in anderen Staaten.
So gibt denn das Buch nicht bloß einen gedrängten
Überblick über die Beziehungen des Staates zu den
Kirchen, fondern auch eine knappe Überficht über das
Verfaffungsrecht der großen chriftlichen Kirchen, ja auch
der Privatkirchengefellfchaften, einfchließlich der Ifraeliten,
und felbft die freireligiöfen Gemeinden werden kurz behandelt
. — Die Darftellung ift gemeinverftändlich, fachlich
korrekt und durchaus objektiv. Auf Einzelheiten,
über die man vielleicht anderer Meinung fein könnte, foll
hier nicht eingegangen werden. Befondere Anerkennung
verdient der kurze Abriß des kirchlichen Vermögensrechtes
, welches ja in Bayern als rein bürgerliche Angelegenheit
gilt und darum für die großen chriftlichen
Kirchen in der .Kirchengemeindeordnung', einem Staats-

gefetze, feine Regelung gefunden hat. Als Anhang find
abgedruckt die II. Verfaffungsbeilage und das Konkordat;
vermißt wird das Proteftantenedikt, vielleicht auch die
Kirchengemeindeordnung. — Das Buch wird feinen Zweck
in ganz vorzüglicher Weife erfüllen.

Erlangen. Sehling.

Referate.

VoTen, Dr. C. H., u. Dr. Franz Kaulen: Kurze Anleitung zum Erlernen
der hebräilchen Sprache f. Gymnafien u. f. das Privat-
ftudium. 20. u. 21. Aufl., bearb. v. Gymn.-Relig.- u. Oberlehr.
Prof. Jakob Schumacher. (XII, 183 S.) 8». Freiburg i. B.,
Herder 1914. Geb. M. 2.70

Diefe in katholifchen Schulen befonders beliebte Schulgrammatik
hat auch in der neuen Auflage, die nach moderner
Unfitte als 20. u. 21. Auflage bezeichnet ift, ihren Charakter nicht
wefentlich verändert. Sie befchreibt die grammatifchen Erfchei-
nungen im großen und ganzen mehr äußerlich und bietet, wie
die Vorrede fagt, eine wiffenfehaftliche Vertiefung der Regeln
durch Zurückgehen auf die gefchichtliche Entftehung der Formen
nur dann, wenn fie ganz einfach geftaltet werden konnte, und
wenn fie zugleich für das Verftändnis und Gedächtnis der Schüler
befonders wertvoll erfchien. Vielleicht könnte aber doch in diefer
Richtung noch mehr getan werden gerade mit Rückficht auf die
Erleichterung des Verftändniffes. Übrigens find die Regeln und
Paradigmata, foweit ich fie nachgeprüft habe, durchaus zuverläffig.
Göttingen. A. Rahlfs.

Knopf, Prof. D. Rudolf: Ausgewählte Märtyrerakten. 2., neu bearb.
Aufl. (Sammlung ausgewählter kirchen- u. dogmengefchichtl.
Quellenfchriften. 2. Reihe, 2. Heft.) (VIII, 114 S.) 8». Tübingen,
J. C. B. Mohr 1913. M. 2.50; geb. M. 3 —

Die Knopffche Ausgabe der Märtyrerakten, deren erfte Auflage
ich im Jahre 1902 (Sp. 494) in diefer Zeitfchrift anzeigte,
liegt nun in einer zweiten Ausgabe vor. Die Auswahl der Stücke
ift diefelbe geblieben; nur ift das Vorwort der erften Auflage, das
ihre Begründung enthielt, nicht wieder abgedruckt. Das Literaturverzeichnis
hat wefentlich erweitert werden können; freilich zeigt
es auch, daß die Forfchung feit 1902 fich begnügt hat, einzelne
Punkte genauer darzulegen, wie die Behandlung der Frauen
(Augar 1905) den Vorwurf des Atheismus (Harnack 1905), die Wert-
fchätzung des Martyriums als Rechtfertigung (W. Hellmann 1912),
die Anfänge des Märtyerkultus (Delehaye 1912, Luzius 1904).
Nur für die Akten der Agape, Eirene, Chione und Genoffen konnte
ftatt der Überfetzung der im Jahre 1902 von Pio Franchi de
Cavalieri herausgegebene griechifche Originaltext eingefetzt
werden, auch ein Beitrag zu der Behandlung der Frauen im
Chriftenprozeffe. Für die größeren Stücke aus Eufeb verweift
Knopf auch jetzt auf die Eufeb-Ausgaben. Ein paar kurze hifto-
rifche Vorbemerkungen zu jedem Texte hätte ich, wie fchon
damals bemerkt, für folche Ausgaben für fehr erwünfeht gehalten.
Greifswald. Ed. von der Goltz.

Wefterius, Xav.: Das Seügkeitsftreben in der kantifchen u. tho-
mirtirchen Ethik. (33 S.) gr. 8». Hamm, Breer & Thiemann 1914.

M. 1 —

Der Verfaffer will die Überlegenheit der thomiftifchen Ethik
über die kantifche nachweifen. Er gelangt zu folgendem Ergebnis:
Während Kant Sittlichkeit und Glückfeligkeit auseinander reißt
und keine befriedigende Löfung des Problems findet, auch nicht
in feinem ,progressus der Heiligkeit', verbindet Thomas Sittlichkeit
und Glückfeligkeit und findet in Gott, dem höchften Prinzip
der Sittlichkeit und Seligkeit, eine allfeitig zufrieden ftellende
Löfung. Während ferner Kant dem Begriff des Seligkeitsftrebens
den niedrigeren des Luftbringenden unterfchiebt, die Luft aber
nur als etwas Sinnliches verlieht, gefeilt fich bei Thomas das
Seligkeitsftreben dem Sittlichkeitsftreben hinzu. Die im göttlichen
Willen wurzelnde fittliche Weltordnung will vor allem die geiftige

; Kreatur zur höchften Vollendung und Beglückung gelangen laffen.

| Kant findet flttliches Handeln nur dort, wo die ,Achtung vor dem

j Gefetz' den Beweggrund abgibt, während Thomas in der Unterordnung
aller Kräfte unter den göttlichen Willen die Bürgschaft hat,
daß das höchfte Gut erreicht wird. Kant weiß aber überhaupt nichts
von einem erreichbaren höchften Gut. Denn das letzte und höchfte
Gut des Menfchen ift eine nie erreichbare Heiligkeit, in der Seligkeit
und Sittlichkeit fich vereinigen follen. Praktifch ift diefe

I Heiligkeit ein progressus in infinitivum. Darum kommt das menfeh-