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Ausgabe:

1916 Nr. 2

Spalte:

432-433

Autor/Hrsg.:

Dubowy, Ernst

Titel/Untertitel:

Klemens von Rom über die Reise Pauli nach Spanien 1916

Rezensent:

Bauer, Walter

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Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 20/21.

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Entwickelung aus dem beliebten Dreiklang Klage, Bitte und Troft der I
Bittgebete das Troftmotiv losgelöft und verfelbftäudigt habe (S. 208); und
daß in Ex. 15 innerhalb der Strophen Langzeilen mit Kurz/.eilen wech-
feln, foll den tiefern Grund haben, daß der Dichter auf diefe Weife den I
ftark epifchen Charakter des Hymnus gleichfam auch durch die lyrifche |
Form paralyfieren wollte (S. 22)! Dem Schema zuliebe werden denn
auch öfter Pfalmen von einander getrennt, die innerlich zufammenge-
hören wie Pf. 20 (S. 134) und 21 (S. 94); Pf. 9 (S. 84) und 10 (S. 153 f.); !
Pf. 3 (S. 160) und 4 (S. 221); Pf. 19 B (S. 173) und 119 (S. 249).

Auch bei GrePmann begegnet mau bei allem Scharffinn feiner
fagen- und ftilgefchichtlichen Ausführungen zuweilen feltfam anmutenden
literarifchen Urteilen, fo wenn er die Bileamsgefchichte zu den ,Märchen' |
zählt (II 1. S. 61) oder das Brunnenlied zu den Befchrcibungsliederu j
(I, 2 S. 114) oder die Notiz über Judas und Simeons gemeinfamen Zug zu
den gefchichiiichen Anekdoten, deren gefchichtlichen Charakter man von j
vornherein zu bezweifeln habe (I, 2 S. 167).

Mit Erftaunen lefe ich bei Haller fII, 3 S. 128) von einer ,neuen
prophetifchen Stilgattung', der prophetifchen Mahnrede, bei Tritojefaja.

Trotz diefen Ausftellungen, die ich leicht vermehren
könnte, fehe ich einen Hauptfortfehritt diefes Bibelwerkes
in feiner durchgehenden äfthetifchen Würdigung der atl. I
Literatur. Daneben fteht, daß es mit allem Nachdruck
die Religion des AT. herausheben will, nicht umfonft
auf feinem Programm. In diefer Hinficht fteht neben
G unk eis erftem Band, der fich als ein popularifierender
Auszug aus feinemGenefiskommentar darfteilt,H.S c h m i d t s l
Bearbeitung der großen Propheten und ihrer Zeit j
obenan. Die Fähigkeit der Einfühlung in den Geift
prophetifcher Predigt zeitigt hier ftellenweife glänzende
Ausführungen (z.B. über Mi. 2. S. 138ff. oder über Jer.
4,19—31, S. 205 ff). Für einzelne Stellen wie Jef. 31,4—9
(S. 101) 10,16 ff (S. 105 f.). 22,5 (S. 126) hat uns Schmidt
m. E. überhaupt erft das volle Verftändnis erfchloffen.
Reizvoll ift, was er aus eigener z. T. auf paläftinenfifchem
Boden felbft gefammelter PAfahrung zur Aufhellung einzelner
Stellen beiträgt (S. 87 h 202. 240 vgl. 402).

über die Frage der Echtheit gewiffer Stellen wie Jef. 4,2—6
to,20—26 Mi. 2,12f., 4,14—5,3. 6f. wird mau verfchieden denken können.
Jef. 1,26 würde ich nicht in des Propheten Frühzeit datieren. Für unrichtig
halte ich die Erklärung von Mi. 3,12 (S. 136).

Volz fühlt man, z. B. in feinen Ausführungen über
die landfehaftliche Szenerie der Hiobsgefchichte (S. 12)
oder über den Dichter der Hiobsklage (S. 74), ein feines
Nachempfindungsvermögen ab; es ift denn auch nicht
vergebens, daß er fich bemüht, die Hiobdichtung als
Ausdruck perfönlichen Erlebens des Dichters zu verliehen
(S. 23 ff 72). Mit feiner Gefamtauffaffung des
Hiobbuches freilich, wonach er die Klage Hiobs (K. 3—31)
vom Lied ,von Gottes Größe in der Natur' (K. 38 ff) als
einem bloßen ,Beitrag' (S. 2) losreißt, vermag ich mich
nicht zu befreunden. Hier ift m. E. der innere Zu-
fammenhang diefer Teile und damit die Gefamtkompo-
fttion gründlich verkannt. Auch in feiner Beurteilung
Jefus Sirachs kann ich ihm nicht überall (z. B. S. 109
u. 115) folgen.

Bei Staerks Pfalmenerklärung vermiffe ich vor allem
den Sinn für das Konkret-Reale, das richtige Milieugefühl
. Er lieft in die Pfalmen viel zu viel Chriftliches
hinein, z. B. wenn er zu Pf. 27,4 von ,der tiefen Sehnfucht
der Frommen nach geiftigem Schauen Gottes, nach dem
immer neuen Erleben und immer tiefern Erfaffen feiner
Wirklichkeit und feines heiligen Liebeswefens' fpricht
(S. 106, vgl. weiter z. B. den Schluß der Erklärung von
Pf. 97, S. 60). Namentlich verrät fich diefe Neigung in
der verkehrten Auffaffung fo mancher mit Feindeshaß
durchtränkten Stelle.

So urteilt er angefichts des Wunfehes, die Feinde mögen beftürzt
flehen und fchamrot augenblicks abziehen (Pf. 6,11): ,Es ift ein befon-
ders erfreulicher Zug in diefem rührenden Gebet, daß es der Dichter
nicht in wildem Haß gegen feine Feinde ausklingen läßt. An ihrer Be-
fchämung durch Gottes fichtbares Eintreten für feine Frommen läßt er
fich genügen' (S. 167)1 Und wo der Dichter den Zionshaflern wünfeht,
fie möchten fein wie das Gras auf den Dächern, das verdorrt, ehe es
fchießt (Pf. 129,6), da findet er (S. 231), es liege ,etwas Mildes in feinen
Worten, vor allem fei er ganz frei von nationalem Chauvinismus'!
Vgl. weiter S. 82 zu Pf. 104.

Greßmanns ,Die Anfänge Ifraels' und ,Die ältefte
Gefchichtsfchreibung und Prophetie Ifraels' find durch
viel geiftreiche Einfälle und kühne Kombinationen in

hohem Grade anregend; aber ich kann nicht verfchweigen,
daß die Zuverfichtlichkeit, mit der z. T. unbewiefene Behauptungen
vorgetragen werden — woher z. B. weiß
Greßmann, daß die Sprache der Einziehenden das Ara-
mäifche war (I, 2 S. 9)? —, die ftellenweife etwas leicht-
gefchürzte Art der Beweisführung und die Schnellfertigkeit
des Urteils, zumal bei einem auf ein größeres Publikum
berechneten Werk, verfchiedentlich Bedenken erregt
. Doch ift darüber in früheren Befprechungen an
diefer Stelle fchon mehr als genug gefagt worden. Es
wird mir allerdings bei der nüchterneren Art der Darlegungen
Hallers ,Das Judentum' wohler im Bewußtfein,
wieder fefteren Boden unter die Füße zu gewinnen. In-
deffen erlaubt mir die Befchränktheit des Raumes leider
nicht, auf weitere Einzelheiten der Auslegung einzugehen.
Göttingen. A. Bertholet.

Dubowy, Dr.Ernft: Klemens v.Rom über die Reife Pauli nach
Spanien. Hiftorifch-kritifche Unterfuchg. zu Klemens v.
Rom: 1. Kor. 5,7. (Biblifche Studien. 19,3.) (IX, Iii S.)
gr. 8°. Freiburg i. B., Herder 1914. M. 3.60

D. befchäftigt fich in feiner fehr forgfältigen und von
großer Belefenheit zeugenden Studie mit der vielberufenen
Stelle 5,7 im erften Klemensbrief. Neue Ideen birgt feine
Schrift nicht. Aber er behandelt bekannte Fragen in einer
Weife, die, wenn ich ihm auch nicht bis ans Ende zu
folgen vermag, doch in weitgehendem Maße des Beifalls
wert ift.

D. wendet fich zunächft mit guten Gründen gegen
den Verfuch, die Urfprünglichkeit von I Klem. 5,7 zu
beftreiten. Sodann führt er die vierzehn Deutungen vor,
die in dem genannten Verfe die Worte xtQfia xrjg övatcog
bisher gefunden haben. Sind von den zahlreichen Interpretationen
auch mehrere durch die Exhumierung und
erneute Zurfchauftellung über Verdienft geehrt, fo tat
Verf. doch wohl gut daran, fo vollftändig zu fein. Jedenfalls
gewinnt der Lefer den Eindruck, daß eine noch nicht
dagewefene Auslegung der Worte fchwerlich mehr möglich
ift. Es gilt, unter den gegebenen die befte auszuwählen
. Das tut D. in kritifchem Verfahren und fcheint
mir das Rechte zu treffen. Das xsQfia xrg övöecog ift
,objektiv-geographifch = „Ende des Weftens" gebraucht,
wie fich aus der Etymologie und dem Sprachgebrauch
diefer Ausdrücke, insbefondere aus einer Reihe von Parallelen
ergibt, in denen xsQ/ia mit dem Genitiv eines Weltteils
oder der Erde überhaupt die Bedeutung „Ende, Grenze"
hat. Im Sinne der antiken Geographie ift darunter aber
nicht das Abendland überhaupt ... zu verftehen, fondern
Spanien' (S. 103). Soweit geht meine Zuftimmung. Wenn
D. dann aber weiter feftgeftellt zu haben meint, daß die
Angabe, Paulus fei nach Spanien gereift, volles Vertrauen
verdiene, fo muß ich widerfprechen. Seine diefem Punkte
gewidmeten Ausführungen find die fchwächfte Partie des
Buches. D. nimmt die Notiz des Irenäus (Haer, III 3,3),
Klemens habe noch mit den Apofteln Petrus und Paulus
verkehrt, als ftarke Stütze feiner Auffaffung in Anfpruch.
Klemens fei alfo Zeitgenoffe der Apoftel gewefen, hätte
ihnen — fo interpretiert D. den Irenäus etwas gewaltfam
_ ,fehr nahe' geftanden fiS. 87), ihre Schickfale genau
gekannt, und wer daher die Gefchichtlichkeit der fpanifchen
Reife des Paulus beftreite, erhebe gegen Klemens den
(Vorwurf bewußter Unwahrheit' (S. 83).

Diefe ganze Argumentation fteht und fällt mit der
Überzeugung von der Richtigkeit der Angabe des Irenäus.
Aber felbft von dem deutlichft erkennbaren Beftreben
des Bifchofs von Lyon, durch die von ihm behauptete
Bekanntfchaft dem Glauben an die apoftolifche Tradition
erhöhte Fertigkeit zu verleihen, abgefehen, ift doch zu
bedenken, daß Irenäus in einer Zeit fchreibt, in der nach
Ausweis der pfeudo-klementinifchen Schriften Klemens
bereits ein Opfer der Legendenbildung geworden war.
Sehen wir ihn in dem genannten Sagenkreife mit Petrus