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Ausgabe:

1916 Nr. 2

Spalte:

427-432

Autor/Hrsg.:

Greßmann u. a., Hugo

Titel/Untertitel:

Die Schriften des Alten Testaments, in Auswahl neu übers. u. für d. Gegenwart erklärt. 15. - 28. Lfg 1916

Rezensent:

Bertholet, Alfred

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Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 20/21.

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mit ftärkfter innerer Anteilnahme wiedergibt. Daß feine I drücklichen Abweifung der Meinung, als ftänden beide
Durcharbeitung der Einzelheiten doch manchen Wider- i Werke im Verhältnis einer Konkurrenz zu einander. Viel-
fpruch erwecken wird, läßt fchon die Vorrede den Lefer j mehr darf man fich ihrer beidfeitigen Selbftändigkeit
vorausempfinden, wo u. a. gefagt ift, daß die Reden und nur freuen.

Ausfprüche des Buddha nach feinem Tode ,mit peinlicher
Akribie, weil im Bewußtfein ihrer ungeheueren Wichtigkeit
'weiterüberliefert worden find; der Indolog wird fich
auch feine Gedanken machen, wenn er lieft, daß die
Sprache diefer Überlieferung kurzweg als Bali, eine ,Abart
des Sanskrit' befchrieben wird. Die Arbeit nun des Verf.s
beruht ,auf den zur Zeit vorhandenen Übertragungen der
Urtexte ins Deutfche', die er ,zur gegenfeitigen Kontrolle

Eine,Auswahl' trägt von vornherein mehr oder minder
fubjektiven Charakter, und das ift eine Befonderheit diefes
Bibelwerkes überhaupt: es fteht im Zeichen ftärkerer
Subjektivität. Um fo mehr Reibungsflächen bietet es
naturgemäß dem Kritiker. So ließe fich fchon über die
Grenzen der Auswahl rechten.

Bei der Bedeutung des Pfalters für die Laienfrömmigkeit könnte
man erwarten, ihn ganz überfetzt zu finden; es fehlen aber über ein

_. r , , • , _., L„i„iff,_ TZ"„„j-„ 11 j u „ Dutzend Pfalmeu, darunter auch zwei (49. ich), die z. B. Budde in feiner

unter fich vergleicht — zu welcher Kontrolle doch vor J Auswahl der 50'fchönften. mit einfchließt. Zudem gehört Pf. 49 *«-

fammen mit 37, deffen Überfetzung ebenfalls fehlt, wegen der Behandallem
auch die Urtexte felbft heranzuziehen nicht über-
flüffig gewefen wäre, zumal der Benutzer von Überfet-
zungen in weitem Umfang auf die von K. E. Neumann
angewiefen ift. So mußte, fcheint mir, in der Tat nicht
ganz wenig von den Einzelausführungen des Verf.s mißglücken
; feine Befprechung des wichtigen Begriffs der
samkhärä (S. 279fr.) gibt dafür Beifpiele.

Doch folche Einzelheiten wollen wenig fagen gegenüber
dem Hauptinhalt des Buchs. Diefes will keineswegs
nur rein gefchicbtlich befchreiben, was der Buddha
gelehrt hat. Sondern es foll fich dabei zeigen, daß diefe
Lehre für uns ,als der lebendige Quell ewig gültiger
Wahrheiten in Betracht kommt, der heute noch ebenfo
unverfieglich fließt, wie vor zweitaufendvierhundert Jahren'.
,Ich fehe mehr und mehr die Richtigkeit feiner (des Buddha)
Darlegungen ein, eben weshalb der Buddha dann für
mich auch weit über Schopenhauer hinauswächft und mir
fchließlich als der Höchfte der Götter und Menfchen
erfcheint'. Dem entfprechend läßt der Verf. es fich durchweg
angelegen fein, den Lefer von der objektiven Wahrheit
der buddhiftifchen Lehren zu überzeugen. So handelt
er beifpielsweife S. 105 ff. davon, daß es ein Fortleben
nach dem Tode gibt, welches fich in Form der Palin-
genefie vollzieht (ein ,Ürglaube der Menfchheit', ,von jeher
die Überzeugung der erlefenften und weifeften Geifter der
Menfchheit'); und zwar bewegt fich die Palingenefie innerhalb
der vom Buddha gelehrten ,fünf Fährten' — Hölle,
Tierreich, Gefpenfterreich, Menfchenwelt und Himmel. Die
Erwägungen, durch welche der Verf. folche hochwichtigen
Dinge wahrfcheinlich macht, find von überrafchend einfacher
Eleganz. Die Wahrheit ift eben, wie er gern betont
, einfach, verblüffend einfach. Da ich nur Indolog bin,
würde ich mich nicht kompetent fühlen auszufprechen,
daß jene tiefen Rätfei wirklich gelöft find. Aber ein
Papierftreifen, den die Verlagshandlung um das Buch hat
legen laffen, beftätigt, daß darin die Lehre des Buddha
als die ,in fich evidente Löfung des Problems unfrer
ewigen Beftimmung' aufgewiefen ift. So dürfen wir beglückt
glauben: das Unbefchreibliche hier ift es getan.
Oder follte es vielmehr heißen: das Unzulängliche hier
wird's Ereignis?

Göttingen. H. Oldenberg.

Die Schriften des Alten Teltaments, in Auswahl neu überf.
u. für die Gegenwart erklärt v. Hugo Greßmann, Herrn.
Gunkel, M. Haller, Hans Schmidt, W. Staerk u. P. Volz.
Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht.

Nachdem bereits einzelne Teile des obigen Bibelwerkes
in diefer Zeitung zur Anzeige gekommen find
(f. 1910, 677 ff.; 1912, 101 ff.), wird aus Anlaß feiner Vollendung
auf Wunfeh der Redaktion im folgenden der
Verfuch einer auf das Ganze bezüglichen Befprechung
unternommen. Dabei ift zugleich auf die bisher hier
nicht berückfichtigten Teile genauer einzugehen.

Den befonderen Charakter des vorliegenden Werkes
kennzeichnet zum Teil fchon fein Titel: Es bietet die
atl. Schriften in Auswahl. Schon darin unterfcheidet
es fich prinzipiell vom Kautzfch'fchen Werk, und es mag
gleich die Gelegenheit wahrgenommen werden zur nach-

lung des Vergeltungsproblems zu den theologifch wichtigeren. Das bloße
Referat ift in diefem Fall ein ungenügender Erfatz. Ebenfo bedaure
ich die Auslaffung der prächtigen Theophanie Pf. 18, 8—16. Bei Jefaja
fehlen 32, 1—8 und 15—20, Verfe, die als eine vielleicht auf den Propheten
felbft zurückgehende Heilsverkündigung bedeutfam genug wären.
In Hefekiel find die Fremdenorakel nicht überfetzt. Hier aber darf z. B.
die kulturgefchichtlich bedeutfame Schilderung des tyrifchen Marktes in
K. 27 allgemeineres Intereffe beanfpruchen, und K. 32 ift für unfere
Kenntnis der ifraelitifchen Jenfeitsvorftellungen eines der wichtigften
Stücke. K. 15, fchon durch feine metrifche Form bemerkenswert, wäre
für Hefekiels Verzicht auf politifche Größe befonders lehrreich ufw.
Beffer als manches Kapitel Efthers hätten doch wohl die Gefchichten
Dan. 2, 1—30 und 3 verdient, in extenfo mitgeteilt zu werden. Zu kurz
fii:d für mein Empfinden die gefetzlichen Teile des A. T. abgetan, die
Reinheitsvorfchriften z. B. nur mit einigen Zeilen (II 3, 19b), während fich
an fie reiigionsgefchichtlich Bedeutfarnes, das zugleich für das Verftänd-
nis des N. T. von befbndeTem Intereffe ift, auch für einen Laienlefer
anknüpfen ließe. Erfreulicherweife hat ]. Sirach Aufnahme gefunden.
Aber warum als einziges Apokryphon?

Mit der Freiheit der Auswahl verbindet fich eine
Freiheit der Dispofition, welche manche Überrafchung
zeitigt, z. B. einen Band ,große Propheten und ihre Zeit'
ohne Arnos und Hofea, aber mit Jona, oder die Einfchal-
tung der Bileam-Epifode zwifchen L Sam. 15 und 16,
oder die Zerreißung der Klagelieder: K. 5 im Bande der
,Lyrik', dagegen 2 und 4 im Bande der großen Propheten
(K. 1 und 3 bleiben unüberfetzt).

Der dem Werke eignende Charakter der Subjektivität
macht fich nicht minder in einzelnen Teilen der Überfetzung
geltend. Am meiften bei Staerk und Volz, wo
ich ftellenweife auf eine Freiheit der Textbehandlung ftoße,
gegen die ich Bedenken nicht unterdrücken kann.

Staerk beginnt Pf. 46; ,Gott ift uus allzeit eine bergende Wehr',
und er findet darin ein jubelndes Bekenntnis zu dem Gott, der da war
und der ift und fein wird in alle Ewigkeit' (III 1,61). Aber das ,allzeit',
welches diefen Satz namentlich ftützt, ift gerade freie Einfügung des
Überfetzers. Ohne Zweifel hängt fie mit der bei ihm Uberhaupt wahrnehmbaren
Tendenz zufammen, möglichft erklärend zu überfetzen (vgl.
z. B. Pf. 22, Ii Drna ^nsbvän ip?S du bift vou Geburt an mir Vater
(S. 183); 36,2: Ö">n,Vx 'lifo Gottes ftrafende Hand (S. 214); 36,7:
HPlir! ewige Berge (S. 215); 48,3; )iBS inS^s Götterberg (S. 16);
65, 12:' TpbsS« dein Donnerpfad (S. 86); 74, 7: Tjar deine Ehre (S. 114);
Jer. 14,9: R^p3 Ulis "alü wir find dein Eigentumsvolk (S. m).
D iefer Tendenz entfpricht die Vorliebe, ainen hebräifchen Ausdruck durch
zwei deutfche wiederzugeben (z. B. Pf. 5, II. 68, 7. 81, 13. 103, 9. 147, 5).
Aber die Erklärungstendenz follte nicht zu einer Verfchüttung des Parallelismus
führen wie HL 6,9 (S. 272), fie follte auch nicht auf Korten der
größeren Anfchaulichkeit des hebräifchen Ausdrucks gehen wie Pf. 30,8.
137'4- TT""- 5, 13, und nicht fremde Gedanken einführen wie den an die
Todfünde Pf. 19, 14. Indeffen entfernt fich Staerk vielfach auch da vom
hebräifchen Wortlaut, wo diefer doch klipp und klar wäre, z. B. 61,6:
"i"I"lSij ni'alij D'irAtt fintt-sn, denn ich weiß, du hörft, was ich betend gelobe
(S. 138); 81, 11: rinVbato 4-!C-aH"in tue auf Mund und Herz meinen
Gaben (S. 25), vgl. weiter 40,13. 72,0. 89,36 (Auslaffung von nrjN),
104,28 (Auslaffung von Bits), 115,1. Zuweilen wundere ich mich über
die kühne Leichtigkeit, mit der Staerk über die größten Schwierigkeiten
hinwegkommt, z. B. 35, 13. 68, 18 f. In 20,6 darf man VirtJ nicht einfach
mit ,Heil rufen' überfetzen; 55,22 ift das überlieferte T^B beffer als
das von Staerk vorgefchlagene V3B; 148,8 lies fiatt ,Sonne': ,Schnee'.

Bei Volz macht mich fchon die Bemerkung (III 2, S. 86) ftutzig,
er habe in der Überfetzung von Hi. 38 ff. zu befeitigen verrucht, daß das
Lied im hebräifchen Text manchmal einen eigentümlichen Mangel in
Abwechfelung der Wörter zeige. Das ift bei einer Überfetzung, die laut
Programm mit der Treue dem Sinn gegenüber den Verfuch verbinden
will, zugleich die Formen der hebr. Literatur in deutfeher Sprache nachzubilden
, ein eigentümliches Verfahren. Aber es widerholt fich in der
Wiedergabe Kolieleths, wo wir (S. 233) dem neuen Eingeftändnis begegnen
, daß der hebr. Text bisweilen gekürzt werde, ,um den fprach-