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Ausgabe:

1916 Nr. 1

Spalte:

405-406

Autor/Hrsg.:

Merk, C. Josef

Titel/Untertitel:

Anschauungen über die Lehre und das Leben der Kirche im altfranzösischen Heldenepos 1916

Rezensent:

Friesland, Carl

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Seite 1

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405

Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 18/191

406

in Konftantinopel 895 Diakonos mit höherer Kirchen-
ftellung, 901 Bifchof, 932 letztes beftimmtes Lebensjahr,
das vermutlich dem Tode fehr naheliegt. Als Erzbifchof
von Caefarea griff Arethas manchmal mit großer Energie
in die kirchlichen Kämpfe ein. Schonungslos gegen
Kaifer Leo den Weifen wegen deffen vierter Ehe, hat er
auch mit dem Patriarchen Nikolaos Myftikos erhebliche
Kämpfe durchgefochten. Er war überhaupt ein fchroffer
Charakter. Seine Schriften zeigen eine ausgebreitete
Gelehrfamkeit. Bekannt ift fein Kommentar zur Apoka-
lypfe im Anfchluß an den feines frühern Vorgängers Andreas
. Auch fonft ift er als Hermeneut tätig gewefen.
Viel Bedeutender ift er als Scholiaft, und zwar hat er hier
fein Studium den Profanwiffenfchaften ganz eigentlich zugewandt
. Hier find feine Arbeiten von großem Wert. Ein
großer Teil feiner Scholien find daher auch fchon herausgegeben
. Aber die eigentliche und befondere Bedeutung
des Arethas ift doch die, daß er einer der Männer war, die
im 9. und 10. Jahrhundert in Byzanz eine Wiedergeburt
der Wiffenfchaften herbeiführten. Seine unfchätzbar wertvolle
Arbeit war es, daß er die Handfchriften wertvollften
Inhalts fuchte, kommen und auf dauerhaftes Pergament
abfehreiben ließ. Ohne des Arethas Arbeit wäre uns fo
manches Werk des Altertums nicht erhalten geblieben,
zumal da, wie Verfaffer nachweift, die Mehrzahl von ihnen
auf Papyrus gefchrieben waren. Es berührt befonders
fympathifch, wie perfönlich Arethas diefe Arbeit nahm.
Er prüfte und verbefferte die Abfchriften nicht allein,
fondern er verfall fie auch mit den mannigfachften Bemerkungen
, auch mit hübfehen Zeichen. So fteht Arethas
neben Photios und Konftantinos Porphyrogenitos als ein
Hüter und Förderer der klaffifchen Wiffenfchaften da,
einer der weniger großen Byzantiner.

Wie wir in dem Epimetron des Buchs Briefe des
Arethas vorgelegt bekommen, — übrigens nicht kritifch
geftaltet —, fchwer verftändlichen Inhalts in verbogener
Sprache, lernen wir den Mann voll Urteil und Sprachgefühl
noch einmal in dem kleinen Heft, das der Verfaffer
AaoyQcupLa betitelt hat, kennen. Es find Auszüge
aus den Scholien des Arethas zur Kenntnis der Volkskultur
und Sprache feiner Zeit, ein Beifpiel ftatt vieler, für
wie mannigfache Gebiete die Wiffenfchaft Kenntniffe aus
den Schriften des Arethas ziehen kann.

Hannover. Ph. Meyer.

Merk, C.Jofef: Anlchauungen über die Lehre und das Leben
der Kirche im altfranzöfifchen Heldenepos. (Beihefte
zur Zeitfchrift für Romanifche Philologie. XLI. Heft.)
(XXIV, 329S.)gr. 8°. Halle, M. Niemeyer 1914. M. 12 —

Der Verfaffer hat den ihm vorliegenden Stoff fo geordnet
, daß er der eigentlichen Abhandlung eine Bibliographie
und eine Einleitung vorausfehickt, in welcher er
fich über das Ziel feiner Arbeit ausläßt. Diefe felbft
zerfällt in vier Abfchnitte, in denen die Anfchauungen
des Epos über die Glaubenslehre, die Sakramente, den
Kultus und über die Diener der Kirche beleuchtet werden.
Die Beweisftellen sind in Form von Anmerkungen auf
jeder Seite beigegeben. Im Intereffe der Lesbarkeit des
Textes hätte es fich vielleicht empfohlen, das fabelhaft
umfangreiche Material im Anhange zu vereinigen. Ein
ausgedehntes Schlußkapitel befpricht die epifchen Umgangsformen
und -formein, foweit fie, wie z. B. bei
Schwüren und Verwünfchungen, bei Gruß und Dank,
Beziehungen zur Religion haben. Dann folgt ein Anhang
mit einigen Bemerkungen über das religiöfe Kulturbild
des Epos und über die Wechfelbeziehung von Religion
und Spielmannsdichtung, Dinge, die man lieber im Schluß -
kapitel fähe. Was Merk dort untergebracht hat, paßt,
da es mit dem Thema in fchon loferem Zusammenhang
steht, beffer in den Anhang. Letzterer findet in einem
Verzeichnis der im Epos vorkommenden Heiligennamen

und kirchlichen Wörter, fowie in einem Sachregifter feinen
Abfchluß.

Den Nachdruck nicht auf die gefchichtliche, fondern
auf die theologifche Seite legend, fchildert der Verfaffer
an der Hand der franzöfifchen Heldenepen und auf Grund
ihrer ftarken Verflechtung mit religiöfen Gedanken, zu
welcher Bedeutung die Kirche in der mittelalterlichen
Welt zwifchen 1175 und 1350 gelangt war und bis zu
welchem Grade fie alle damaligen Lebensverhältniffe
durchdrungen hatte. Seine Unterfuchung baut fich auf
dem richtigen Gedanken auf, daß jene Schriftwerke, die
nachweislich in genannter Epoche entftanden find, auch
tatfächlich den derzeitigen religiöfen Befitzftand der
Allgemeinheit widerfpiegeln. So läßt fich einwandfrei
feftftellen, wie weit damals der Einfluß der amtlichen kirchlichen
Lehre ging und welche religiöfen Anfchauungen
im Volke wirklich lebendig gewefen find.

Diefe Feftftellungen find für die einzelnen Gebiete
des katholifchen Glaubens mit außerordentlicher Sachkenntnis
und gewaltigem Fleiß durchgeführt. Gern würde
man im Schlußkapitel eine Zulammenfaffung des Gefamt-
refultats der Arbeit finden, während jetzt die Teilergeb-
niffe in den Einzelkapiteln verftreut find. Ich entnehme
ihnen nur wenige Andeutungen. Danach ftehen wir in
einer Zeit, in welcher Heiligen- und Reliquienkultus fehr
ausgedehnt find, während die Marienverehrung zurücktritt
. Die Taufe erfolgt faft ausnahmslos noch durch
Eintauchen; recht verbreitet ift die Laienbeichte. Der
Begriff Fegefeuer wird nie erwähnt. Das Klofterleben
fteht im Zeichen des Aufblühens; Klagen über die Diener
der Kirche find vorhanden, doch werden Ausfchweifuno-en
nicht erwähnt, was der Verfaffer ganz richtig aus den
engen Beziehungen der Geiftlichkeit zur Abfaffung der
Epen ableitet. Auch daß die dort gefchilderte Religion der
Innerlichkeit entbehrt, ift eine treffende Kennzeichnung.

Schon aus diefem Wenigen erfleht man, wie erfreulich
unfere Kenntnis der mittelalterlichen Kirche durch
Merks Arbeit erweitert wird. Es fteht außer Zweifel,
daß die vorliegende Aufgabe in ihm den rechten Bearbeiter
gefunden hat.

Courcelles (Hennegau). Carl Friesland.

Singer, Hofrat Prof. Dr. Heinrich: Die Dekretaleniammlung
des Bernardus Compostellanus antiquus. Mit Benutzg.
der in Friedrich Maaffens Nachlaffe enthaltenen Vorarbeiten
. (Sitzungsberichte der Kaif. Akad. der Wiff.
in Wien. Philof.-hiftor. Kl. 171. Bd., 2. Abhdlg.) (120 S.)
gr. 8°. Wien, A. Holder 1914. M. 2.55

Über die Dekretalenfammlung des Bernardus Compostellanus
canonicus in Bologna, zum Unterfchiede von
dem ein Menfchenalter fpäter blühenden jüngeren Dekreta-
liften gleichen Namens antiquus genannt, waren bisher
infolge der Flüchtigkeiten Theiners und feiner begrenzten
Kenntnis der erhaltenen Handfchriften und aus anderen
Urfachen unrichtige Anfchauungen verbreitet. Auf Grund
einer von Maaffen entdeckten Parifer Handfchrift (Cod.
Latin. 18223 [Fonds Bouffier ! XIII. s.), zu der die von Theiner
benutzte gekürzte Handfchrift des British Mufeum (Royal
Ms. 9 B. XI) und die ebenfalls im British Mufeum
befindliche Handfchrift Harleian. 3834 herangezogen werden
, bietet Singer eine eingehende Analyfe und Würdigung
der wohl im Jahre 1208 abgefchloffenen und veröffentlichten
Sammlung, die in der Schule von Bologna als Compilatio
Romana bezeichnet wurde und keineswegs nach der
Publikation der von Innozenz III. felbft veranlaßten Compilatio
tertia fpurlos untergegangen ift. Wie Bernhard felber
mitteilt, hat er alle von ihm aufgenommenen Dekretalen
aus den päpftlichen Regiftern und zwar der erften 10 Regierungsjahre
Innozenz' III. gefchöpft. Singer weift nach,
daß dies richtig fein müffe, und daß er aus früheren Sammlungen
wohl die eine oder die andere Titelrubrik entnommen