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Ausgabe:

1916 Nr. 1

Spalte:

399-401

Autor/Hrsg.:

Kögel, Julius

Titel/Untertitel:

Der Zweck der Gleichnisse Jesu im Rahmen seiner Verkündigung 1916

Rezensent:

Fiebig, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 18/19.

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Steinfeffel des Rabbi famt den Steinbänken des Pres-
byteriums noch an feinem Platz. W. hat unzweifelhaft
Recht, wenn er das Schema diefer galiläifchen Anlagen
als typifch für die Synagogen überhaupt, auch in älterer
Zeit, in Anfpruch nimmt, und feine Erörterungen über das
alexandrinifche Diploftoon — manche Archäologen geben
ihm den fchönen, aber finnlofen Namen ,Diapleufton' —
räumen mit viel Verkehrtem auf. Hier hätte das
auch von Strack in Haucks R.E.3 19,255 verwertete Philo-
zeugnis über den dinXovg jiegißoXog, 6 fthv dg ävögmva,
6 de eic yvvaixovlxiv dnoxgiddg gut verwertet werden
können, denn inzwifchen ift die Echtheit der Schrift de
vita contemplativa ja erwiefen. Wenn aber der Talmud
von ,einer Stoa innerhalb einer Stoa' redet, fo fcheint mir
das ungezwungen nur auf eine fünffchiffige Halle bezogen
werden zu können. Die ,Stoa an der dritten Seite',
welche W. als die ,innere Stoa' faßt, könnte doch höchftens
als eine Stoa innerhalb zweier Stoai bezeichnet werden,
wenn nicht eben die Auffaffung einer einzelnen Reihe als
Stoa in diefem Zufammenhang überhaupt gekünftelt wäre.
Von erfreulicher Befonnenheit zeugt endlich auch der
bedeutfame ,Ausblick' am Schluß, der auf die Zufammen-
hänge mit der chriftlichen Bafilika hinweift. Daß die
Emporen aus der Synagoge übernommen find, fcheint
mir ficher; wahrfcheinlich, daß diefe Übernahme auf
paläftinenfifchem Boden erfolgt ift. Für Rom ift es gerade
bezeichnend, daß die einzige konftantinifche Bafilika mit
Emporen eben nicht die Lateranifche ift, wie W. S. 221
Anm. 6 verfehentlich fchreibt, fondern die mit Paläftina
verknüpfte Sessoriana (S. Croce in Gerufalemme): vgl.
Wulff, altchriftl. Kunft S. 237 f., deffen Angabe ich übrigens
z. Z. nicht nachprüfen kann. Auch der Anfchluß des
Vorhofes an die Langfeite, wie er nicht nur in Syrien,
fondern auch in Afrika häufig ift, mag durch das Vorbild
der Synagoge veranlaßt fein. Dagegen verweift W.
für den — meiftverbreiteten — Typ der Bafilika mit
überhöhtem Mittelfchiff auf die heidnifchen Vorbilder,
denen natürlich auch die Apfis entflammt: hoffentlich
trägt W.s Arbeit durch ihre vorbildliche Zurückhaltung
dazu bei, die klar zu Tage liegenden Zufammenhänge zur
Anerkennung zu bringen. ,Dem Chriftentum war in der
Übernahme der heidnifchen Bauform bereits die jüdifche
Gemeinde vorangegangen, als Synagoge war die heidnifche
Bafilika bereits ihres profanen Charakters entkleidet und
in den Dienft der Gottesverehrung geftellt worden. So
angefehen, erfcheint die Synagoge als Mittelglied zwifchen
der heidnifchen Bafilika und der chriftlichen Kirche. Über
eine unmittelbare Abhängigkeit der chriftlichen Bafilika
von der Bauform der Synagoge foll damit noch nichts
ausgefagt werden' (S. 219). Das ift eine vortreffliche
Formulierung. Näherer Ünterfuchung wert bleibt die
Frage nach dem Zufammenhang der als Hintergrund des
Thorafchreines dienenden halbhohen Wand mit der
Ikonoftafis der byzantinifchen Kirchen.
Jena. Hans Lietzmann.

Kögel, Prof. D. Julius: Der Zweck der Gleichniffe Jehl im
Rahmen feiner Verkündigung. (Beiträge z. Förderg. chriftl.
Theologie. 19.Jahrg., 1915. 6.Heft.) (i3oS.)8°. Gütersloh
, C. Bertelsmann 1915. M. 2.40

Es ift fehr dankenswert, daß Kögel in diefer Schrift
das Parabelkapitel, vor allem Markus 4,12 f. zum Gegen-
ftand einer forglältigen ünterfuchung macht und damit
erneut die Aufmerksamkeit auf das dort vorliegende
Problem lenkt, nämlich auf die Frage, ob wirklich die
Evangeliften der Meinung gewefen feien, daß die Gleichniffe
Jefu, ftatt veranfchaulichen, vielmehr verhüllen follen,
und daß die Gleichniffe Jefu Allegorien feien, die im
Einzelnen ausgedeutet werden müßten. Neben der die
Forfchung weiterführenden Aufgabe, fowohl aus der jü-
difchen als aus der helleniftifchen ufw. Welt Materialien
herbeizufchafifen, die zum Verftändnis des Neuen Tefta-

mentes unerläßlich find, ift es zweifellos dankenswert, fich
den Wortlaut einzelner neuteftamentlicher Stellen genau
anzufehen und etwaige Irrtümer der Ausleger älterer und
neuerer Zeit zu berichtigen. Auch die Art, wie Kögel
dabei vorgeht, ift zweckmäßig, da fie geeignet ift, diejenigen
, die bisher Jülichers Ürteile über das Parabelkapitel
teilten, forgfältig und Schritt für Schritt auf die
Schwierigkeiten aufmerkfam zu machen, von denen ihre
und Jülichers Auffaffung gedrückt wird. Kögel führt zu-
nächft eingehend aus, daß er in der Hauptthefe mit
Jülicher einig fei, nämlich in dem Zweck der Parabeln,
etwas zu enthüllen, zu veranfchaulichen. Dann wendet
er fich dem in Mk. 4 zitierten Jefaiaswort von der Ver-
ftockung zu und ftellt feft — was fehr richtig und wichtig
ift —, daß die Verftockung die Erkenntnis der Offenbarung
, die Enthüllung der Wahrheit zur Vorausfetzung
hat, nicht aber ihre Verhüllung. Darauf ftellt er — m. E.
ebenfalls mit Recht — feft, daß Mk. 4 weder davon rede,
daß die Gleichniffe Jefu Allegorien feien, noch davon, daß
fie Rätfei feien in dem gewöhnlichen Sinne fchwerer
Verftändlichkeit ihres Wortfinnes und dazu da, zu verhüllen
. Auch in dem Parabelkapitel ift die Vorausfetzung
der Verftockung grade das Enthüllen der Wahrheit, nicht
das Verhüllen. Als Zweck der Gleichniffe Jefu ftellt alfo
Kögel die Veranfchaulichung, die Offenbarung der Wahrheit
heraus. Daß diefe Offenbarung beim Volk zur Verftockung
führt, ift Jefu fchmerzliche Erfahrung, die ihm
im Lichte des Jefaiawortes als Tatfache und Gottes Wille
aufgegangen ift. Kögel weift die Bedeutung des Gedankens
der Verftockung für die Synoptiker und das
Johannesevangelium auf. Das ift ohne Zweifel ein wichtiger
Gefichtspunkt. Auf alle diefe Unterfuchungen Kögels einzugehen
, wird heutzutage, wo Wernles Jefus manchem
die Augen geöffnet haben wird, dem fie durch ,kritifche'
Vorurteile — auch folche gibt es — gehalten waren,
mancher eher bereit fein als früher. Auch wichtige
johanneifche Stellen zieht Kögel heran, z. B. diejenigen,
die von dem Gericht reden, das Jefus bringt. In den
Hauptfachen bin ich mit Kögel einig, wie er in meinen
Schriften ,Altjüdifche Gleichniffe', 1904, S. I43ff-, S. 147Ü
S. 150 und , Gleichnisreden', 1912, S. 44ff. 260 ufw. hätte
fehen können, wo ich alle diefe Gedanken, allerdings nur
kurz, vorgelegt habe. Kögel weift (z. B. S. 77) darauf
hin, daß bereits C. Weizfäcker ,in feinen immer noch fehr
lefenswerten Unterfuchungen über die evangelifche Ge-
fchichte, ihre Quellen und den Gang ihrer Entwicklung'
(S. 414) vor allem hinfichtlich ,des Myfteriencharakters
der Reichslehren' ähnliche Gedanken wie er, Kögel, vertreten
habe, leider nur mehr andeutungsweise. Sehr beherzigenswert
ift auch, was Kögel S. 101 hervorhebt und
was grade für die moderne Gleichnisforfchung noch viel
mehr beachtet werden müßte, als das tatfächlich, auch
bei den fogenannten kritifchen Theologen, beachtet wird:
,Die Mißverftändniffe kommen nicht feiten daher, daß wir
uns zu wenig in die Sprech- und Denkweife des antiken
Menfchen, fpeziell des Orientalen, hineinverfetzen'. Ergänzend
würde ich zu Kögels wertvoller Ünterfuchung,
wie aus obigen Zitaten meiner einfchlägigen Arbeiten
hervorgeht, zweierlei hinzufügen: einerfeits würde ich noch
mehr als Kögel betonen, daß Gleichniffe, deren Sachhälfte
, wie das bei Jefus mehrfach der Fall ift, nur ganz
kurz angedeutet wird, garnicht fo unmittelbar eindeutig
klar find, wie das immer behauptet wird, und anderer-
feits, daß der Gedanke des ,Geheimniffes' doch vor allem
in der Apokalyptik feinen Sitz hat, die anerkanntermaßen
in die Gleichniffe Jefu tief hineinreicht. Daß fich den
Einzelurteilen Kögels gegenüber mancherlei Kontroverfen
ergeben, ift natürlich. Es ift jedoch hier nicht der Ort,
darauf einzugehen, zumal das leicht die Hauptfache verdunkeln
könnte, die darin befteht, daß Kögel in der Tat
den Weg zum Verftändnis des Parabelkapitels weift. Es
ift das Verdienft feiner ünterfuchung, dies eingehender
und umfaffender getan zu haben, als das bisher im Rahmen