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Ausgabe:

1916 Nr. 1

Spalte:

378-379

Autor/Hrsg.:

Herz , Hermann

Titel/Untertitel:

Alban Stolz. (Sammlung v. Zeit- und Lebensbildern.) 1916

Rezensent:

Mulert, Hermann

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Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 16/17.

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trennung gewefen), der Inhalt in genauem Referate angegeben
, die Fundorte verzeichnet ufw. Zu S. 6 Anm. 2
bez. 11 Anm. 2 bemerke ich, daß die von Zwingli als
,provocatio' bezeichnete Schrift Hubmaiers wahrfcheinlich
die gegen die öfterreichifche Regierung gerichtete ,von
Ketzern und ihren Verbrennern' fein wird (vgl. Kritifche
Zwingli-Ausgabe VIII, Nr. 347). Von Keßlers Sabbata
hat Egli eine Neuausgabe veranftaltet (zu S. 102 Anm. 3).
Nachdem durch diefen Teil das rechte Fundament ge-
fchaffen, gibt der zweite ,die theologifche Entwicklung
Hubmaiers' d. h. eine Biographie mit befonderer Berück-
fichtigung der auf ihn einftrömenden Einflüffe. Die Daten
zu Hubmaiers Aufenthalt in Freiburg find nach H. Mayer:
Die Matrikel der Univerfität Freiburg i. Br. I (1907) S. 150
zu ergänzen; danach ift H. 1504 baccalaureus artium,
1505/06 magister, 1510 am 10. Okt. rector bursae pavonis
gewefen, am I. Auguft 1511 baccalaureus biblicus, am
27. März 1512 sententiarius. Richtig ift von S. der Einfluß
Luthers und Zwingiis beftimmt worden; ebenfo der Münzers
und Karlftadts. Nicht zuzuftimmen vermag ich freilich dem
Urteil S. 146, daß Hubmaier ,bis zu feiner Flucht nach Zürich
nie Zwingli direkt kränkt'; ein Blick in die Darftellung bei
A. Baur, Zwingiis Theologie II S. 1296*. zeigt das Gegenteil
. Daß Zwingli vor Karlftadt auf H.s Abendmahlslehre
einwirkte (S. 157), ift wenig wahrfcheinlich, da der Züricher
in dem Punkte lehr zurückhaltend war.

Im dritten Teile feines Buches Hellt S. die .Theologie'
H.s dar, fich wohl bewußt bleibend, daß er ein dogma-
tifches Syftem nicht bieten kann; aber es laffen fich doch
gewiffe Grundgedanken gruppieren. Spiritualift ift H.
nicht, fchon die Spannung Zwilchen .äußerem' und .innerem'
Wort Gottes befteht für ihn nicht. Die .merkwürdige'
Schrifterklärung von Gen. 3,15 (S. 169) erklärt fich übrigens
unfchwer aus der Vulgata, die ipsa conteret las, was allgemein
— auch noch von Luther — auf Maria gedeutet
wurde; wie S. zeigt, ift H. gerade in der Schriftinterpretation
ftark von Luther abhängig. Auch die Rechtfertigungslehre
ift,in den wefentlichften Punkten lutherifch',
daher H. fogar dem Prädeftinationsgedanken nicht ganz
fremd gegenüberfteht, wie er denn auch Zwingiis erweichende
Erbbreftenlehre ablehnt. Schwierig ift feine
Lehre von der Kirche, und S. hat fie m. E. auch nicht
ganz klar dargeftellt. Der ftarke Zwinglifche Einfchlag
dürfte richtig fein; die Schwierigkeit kommt daher, daß H.
auch die .heilige, allgemeine, chriftliche Kirche, das ift ein
gmainfchalt der heiligen und ein bruderfchafft viler frommer
und glaubiger menichen, die da einhelligklich veriehen
ainen herrn, ainen Gott, ainen glauben und ainen tauff als
fichtbar und äußerliche Gemeinfchaft faßt, neben den
Einzelgemeinden, den Zwinglifchen ecclesiae particulares.
Hier liegt entweder — und das dürfte das Wahrfchein-
lichere fein — ein Mißverständnis des Lutherfchen Gedankens
der (im Glauben) fichtbaren communio sanctorum,
oder eine katholifche Reminiszenz vor. Die von H. der
Kirche gegebenen Attribute (S. 188) paffen alle fehr gut
auf die communio sanctorum im Sinne Luthers. Aber
H. — das ift das Täuferifche — kann auf die fichtbare
Heiligkeit nicht verzichten, und befchränkt fie nun nicht
etwa auf die Einzelgemeinden, fondein vindiziert fie der
Gefamtheit der wirklich Gläubigen, obwohl diefe doch
keinen fichtbaren Verband bilden. So ift fein Kirchenbegriff
ein eigenartiges Mifchprodukt. In der Abendmahlslehre
Hubmaiers ift der Karlftadtifche Einfluß deutlich.
Bei der Erläuterung von H.s Stellung zur Obrigkeit hätte
der Naturrechtskomplex herangezogen werden müffen
(fpeziell zu S. 2i2f.), nicht minder Luther, deffen Einfluß
gerade hier befonders ftark ift. Daß man der Obrigkeit
auch gehorchen müffe, wenn fie Dinge befiehlt, die gegen
Gott find, ift niemals Luthers Anficht gewefen, und das
Exempel von der kindifchen Obrigkeit ftimmt ganz mit
den Gedanken des Reformators in ,ob Kriegsleute auch
in einem feiigen Stande fein können' (vgl. Bonner Ausgabe
von O. Clemen 3,327).

Alles in Allem hat es S. wohl verftanden, die nicht
leicht zu faffende Erfcheinung H.s neu zu beleuchten.

Zürich. Walther Köhler.

Kohut, Dr. Adolph: Emanuel Geibel als Menfch u. Dichter.
Mit ungedruckten Briefen, Gedichten u. e. Autobiographie
Geibels. (381 S. m. Bildnis.) 8°. Berlin, Verein
der Bücherfreunde (1916). M. 4 —

Emanuel Geibel ift nicht nur eine hervorragende Erfcheinung
der Literaturgefchichte aus der zweiten Hälfte
des vergangenen Jahrhunderts; er hat auch wie kaum ein
andrer Dichter neuerer Zeit (Gerok und Sturm nicht ausgenommen
) einen weitgehenden Einfluß auf das religiöfe
Leben des deutfchen Volkes ausgeübt. In den zahlreichen
Kriegspredigten und Kriegsandachten der letzten Jahre
wird kein Dichter fo viel zitiert wie Geibel, und in den
Schützengräben haben Geibels religiös-patriotifche Lieder
die weitgehendfte Verbreitung gefunden. Diefe Tatfache
rechtfertigt wohl eine kurze Hinweifung auf die oben
genannte Darftellung feines Lebens und Wirkens auch in
diefer fonft nur ftreng wiffenfchaftlichen Werken gewidmeten
Zeitfchrift. Nach all den abfälligen Urteilen, die
man in den letzten Jahrzehnten über Geibel hat lefen
können (noch 1912 leiftet fich Herbert Eulenberg das
durch keinerlei Sachkenntnis getrübte Urteil: .Geibel, der
Pfarrersfohn war zu vier fünftein aus fpießbürgerlichem
Teig geknetet!'), ift es eine Wohltat, hier einer auf gründ-
lichften Forfchungen beruhenden, von warmer Begeifte-
rung für den Gegenftand getragenen Darftellung zu begegnen
. Der Verf. hat nicht nur die Arbeiten feiner
Vorgänger (Gödeke, Gaedertz, Litzmann, Leimbach u. a.)
zu einem lichtvollen Gefamtbilde verarbeitet, fondern auch
vielerlei neue, bisher ungedruckte Quellen erfchloffen.
Neu find die der Handfchriften-Sammlung der Berliner
Bibliothek entnommenen Briefe Geibels an die Frau des
Dichters Rob. Reineck, die in der Münchener Hof- und
Staatsbibliothek befindliche, im Dezember 1847 gefchrie-
bene Autobiographie Geibels, die Darfteilung des Ver-
bältniffes des Dichters zu feinen Verlegern, fowie eine
Anzahl bisher ungedruckter Briefe und Gedichte meift
aus der Handfchriften-Abteilung der Berliner Bibliothek.
Was die Beurteilung anbetrifft, fo fteht mit Recht dem
Verf. Geibel der Lyriker und patriotifche Dichter in erfter
Linie. Aber auch dem Dramatiker läßt er das oft ihm
beftrittene Recht widerfahren. Dem Abfchnitt .Geibel
als religiöfer Dichter' hätte man wohl noch eine etwas
eingehendere Behandlung gewünfcht. Namentlich befremdet
es, daß nicht auf Geibels reichhaltige religiöfe
Spruchpoefie mehr Rückficht genommen ift. Eine eingehendere
Befprechung des Buches ift nicht Sache diefer
Zeitfchrift; diefe kurze Mitteilung möge genügen, dieLefer
auf diefes fchöne Denkmal zum 100. Geburtstage des
Dichters hinzuweifen.

Lübeck. Lindenberg.

Stolz, Alban, und Kordula Wöhler (Kordula Peregrina).
Hrsg. v. Prof. Dr. Julius Mayer. (Konvertitenbilder
3. Tl.) (VII, 514 S.) kl. 80. Freiburg i. B., Herder
(1915). M. 4.20; geb. M. 5.20

Herz, Hermann: Alban Stolz. (Sammlung v. Zeit- u. Lebensbildern
. 16. Heft.) (87 S. m. Bildnis.) 8°. M.-Gladbach,
Volksvereins-Verlag 1916. M. 1.20

Stolz verdient eine eingehendere Biographie, als die
von Hägele (3. Aufl. 1889). Und wenn wir und unfere ka-
tholifchen Volksgenoffen einander beffer kennen lernen
follen, fo gehört dazu auch, daß wir diefen hervorragenden
volkstümlichen religiöfen Schriftfteller lefen; er fteht
durchaus in einer Reihe mit feinen Landsleuten Hebel,
E. Frommel, Hansjakob. St. war Priefter, dann Prof. der
Theol. in Freiburg i. B., ftarb 1883. Herz will keine um-