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Ausgabe:

1916 Nr. 15

Spalte:

352

Kategorie:

Religiöse Kriegsliteratur, Kriegspredigten, Kriegspädagogik

Autor/Hrsg.:

Doehring, Bruno

Titel/Untertitel:

Die Religion des Schlachtfeldes 1916

Rezensent:

Schian, Martin

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35i

Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 15.

352

nach manchen Richtungen gefchmälert wird. — Maier3
will mit diefen Sammlungen nicht konkurrieren, obwohl
er fich natürlich mit ihnen berührt. Er verbindet die
mitgeteilten Dokumente durch Zwifchenbemerkungen und
-Urteile. Anfcheinend gehört er zu den Kreifen der
.Evangelifchen Gemeinfchaft' (Albrechtsbrüder); von daher
ift die Auswahl einigermaßen, aber keineswegs einfeitig,
beftimmt; von daher hat M. auch Manches, was die Anderen
nicht haben. Daß Erlebniffe freikirchlicher Prediger
(S. 94ff.) und Soldaten (127 ff) ausführlich mitgeteilt find,
verfteht fich aus diefer Herkunft des Buchs. Übrigens
findet fich nichts, woran der Landeskirchliche auch nur
entfernt Anftoß nehmen könnte. •— Dokumente aus dem
Leben eines Einzelnen, des 1915 gefallenen Vikars M.
Naft aus Grulich i. B. find von einem nicht Genannten
zufammengeftellt4; Gedichte, einige Predigten, eine Hochzeitsrede
, Briefe an die Braut, Feldbriefe. Wir freuen uns
diefes Erbes eines hochgemuten evangelifchen Theologen.
— Ahnlich ift der Inhalt eines den Vikar Georg Leinhos5
aus Amftetten (gefallen 1914) betreffenden, zur
Maffenverbreitung außerordentlich geeigneten Heftes. —
Heymann6 gibt keine oder kaum ,Dokumente', fondern
vielmehr Gefchichten, Skizzen ufw. Religiöfen Inhalt haben
fie nicht; fiehandelnvonFrauentreue,Mutterliebe,Kamerad-
fchaft, Hingabe aus Vaterland.

2. Schilderungen der Kriegsfrömmigkeit. Auf
Grund der vorliegenden Dokumente find nun bereits einige
Verfuche gemacht worden, die wefentlichen Eigenfchaften
der foldatifchen Frömmigkeit in diefem Kriege zu ermitteln
. Stange7, Mitherausgeber der ,Gottesbegegnungen
', konnte fich fein Urteil aus mehreren taufend
Feldpoftbriefen, Tagebüchern u. a. bilden, die bei jener
Redaktionsarbeit durch feine Hände gegangen find. Seine
knappe, aber fehr inhaltreiche Darftellung zeigt denn auch
nicht bloß ein tiefes Eindringen und gründliches Erfaffen,
fondern auch ein energifches Vermeiden jeder Einfeitig-
keit, jeder Verallgemeinerung und jeder Voreiligkeit. In-
tereffant ift befonders die Ausführung darüber, daß fich
die Gotteserfahrung im Felde durch eine eigentümliche
Auslefe aus dem Gefamtkreis des Chriftlichen charakteri-
fiert (Fernfein myftifcher Züge, Fehlen der bewußten Beziehung
zu Chriftus, ftarkes Hervortreten des Gottvertrauens
u. a. m.) — Ückeley8 hat außer dem fonft vorliegenden
Material, das er fehr reichlich heranzog, ins-
befondere die Beobachtungen zahlreicher junger Theologen
verwerten können, die er um Mitteilungen gebeten hat.
Er geht nicht minder vorfichtig und umfichtig vor als
Stange, gönnt fich aber etwas mehr Raum, führt wertvolle
Äußerungen im Wortlaut an (und felbftverftändlich mit
ganz genauer Zitation) und kann To noch farbiger und
anfchaulicher werden als der knappe Auffatz Stanges.
Während diefer mehr fyftematifch verfährt, geht U. mehr
hiftorifch-genetifch vor; er geleitet den Krieger auf feinem
Wege von der Mobilmachung an auf dem Marfch, in dem
Kampf, bis ins Lazarett und ans Sterbebett. Er fügt auch

3) Mai er, L.: Gottesoffenbarungen im deutfchen Kriege 1914/15.
Zeugniffe, aus den Feldpoftbriefen unterer Soldaten und den Mitteilungen
der Feldprediger, fowie Beifpiele aus den Erlebniffen in der Heimat ge-
fammelt u. hrsg. (176 S.) 8». Stuttgart, Chriftl. Verlagshaus 1915. M. 1.20;
kart. M. 1.50

4) Ich hatt' einen Kameraden . . . Zur Erinnerung an Martin Naft,
evangel. Vikar in Grulich (Böhmen), gefallen als Offiziersftellvertreter bei
Pont-ä-Mouffon am 13. Februar 1915. 2. Aufl. (55 S.) 8°. Stuttgart,
Ev. Preßverband (1916). M. —40

5) Kriegsdienft und Heldentod eines evangelifchen Pfarrers aus
Öfterreich. (Georg Leinhos, Vikar zu Amftetten, gefallen bei Dixmuiden
am 10. Nov. 1914.) (Volksfchriften zum großen Krieg 38/39.) (32 S. m.
Bildnis.) 8°. Berlin, Verlag des Ev. Bundes 1915. M. —20

6) Heymann, Robert: Wunder die der Krieg getan. Dokumente
der Liebe aus eiferner Zeit. (IV, 81 S.) 8°. Leipzig, Krüger & Co. 1915.
M. 1.20; geb. M. 1.80

7) Stange, Lic. Erich: Die Eigenart der Gotteserfahnmg im Felde
in ihrer Bedeutg. f. die Arbeit der Kirche. (Aus: .Paftoralblätter', Oktbr.
1915.) (20 S.) 8«. Dresden, C. L, Ungelenk (1915). M. —20

8) Uckeley.Prof.D. Alfred: Wie fie im Kriege Gott fanden. (130S.)
kl. 8°. Bonn, A. Schmidt 1916. M. 1.20; geb. M. 1.50

ein Kapitel ,Aufgaben und Ausfichten' mit trefflichen
Bemerkungen über die Aufgaben der Kirche gegenüber
diefer neuen Frömmigkeit hinzu. So ergänzen fich Stange
und U. ausgezeichnet; man ftudiere beide, und man wird
auf dem rechten Wege fein. — Doehrings9 auf den
Schlachtfeldern des Oftens gefammelte ,Eindrücke und
Gedanken' geben in aller Kürze, ohne näheres kritifches
Eingehen eine Reihe von felbftändigen, anregenden Urteilen
, die freilich mehr allgemeine Linien innehalten.

3. Feldpredigererlebniffe werden fchon jetzt aufgezeichnet
. Der Zeitraum ift ja auch weit genug. Hoppe10
und Richter11 faffen ihre Aufgabe, wenn man die äußere
Anordnung anfleht, ziemlich ähnlich an; beide gruppieren,
was fie berichten, in eine Reihe von Einzelbildern: Weihnachten
in Feindesland; Das neue Jahr 1915; Ofterzeit in
Feindesland ufw. (H.); Von der Mobilmachung bis zur
Einberufung; An den Feind; Not und Hilfe; Im Stellungskrieg
(R). Und felbftverftändlich berührt fich, was fie zu
erzählen haben, auch inhaltlich in nicht ganz geringem
Maße; im Großen haben ja beide diefelben Erlebniffe,
diefelben Erfahrungen. Sieht man näher zu, fo treten doch
charakteriftifche Unterfchiede heraus. H. gibt gleichfam
Stücke aus einem Tagebuch, impreffioniftifch gehaltene
Skizzen. Sehr lebendig und fehr anfchaulich find fie; und
vieles Wiffenswerte findet fich (z. B. über den Feldgeift-
lichentag, über die fahrbaren Kriegsbüchereien, um die fich
H. befondere Verdienfte erworben hat). Aber es fehlt
öfter das vertiefende Überdenken, es fehlen die Verbindungsglieder
und das Einläßliche. Anders R. Er fchreibt
im Stellungskrieg, in zurückblickender Ruhe; von äußerem
Gefchehen ift nicht viel die Rede, obwohl doch auch er
von der Arbeit des Feldpredigers ein fehr gutes Bild
gibt. Dafür bietet er innerlich Durchgearbeitetes. In jedem
Abfchnitt finden fich ,Gedanken', die aus der Lage heraus
ernfte Erwägungen geben. Daß ein ganzes Kapitel
die Zeit vor der Einberufung behandelt, fchadet nichts;
es ift ein guter Eingang fürs Ganze. Neben den beiden
Methoden H.s und R.s wäre noch eine dritte möglich:
nicht fo ftark fkizzenhaft wie bei H. und nicht fo viel
Reflexionen wie bei R. Auch ließen fich alle Methoden
noch mit Variationen ausführen. Von den beiden vorliegenden
Schriften ziehe ich jedenfalls R. vor, weil er
tiefer in die Dinge hineinführt.

4. Kriegsfeelforge. Zwei Schriften behandeln die
Lazarettfeelforge in der Pleimat. E. v. d. Goltz12 gibt
eine, auf eigener Erfahrung und gründlichem Durchdenken
der Fragen ruhende Erörterung der Arbeit des Lazarett-
feelforgers. Nachdem die Aufgabe umgrenzt ift, werden
die Mittel und Wege, überfichtlich geordnet, befprochen
(Seelforger, Andacht, Befuche, Abendmahlsfeiern, Amtshandlungen
, Mittelbare Beeinfluffung); ein letzter Abfchnitt
befpricht befondere Verhältniffe (Verhältnis zu Ärzten,
Pflegeperfonal; Katholiken, Juden; Gefchlechtskranke u. a.).
Alles ift klar, nüchtern und praktifch, umfichtig und ernft-
lich erwogen. Ich wüßte kaum irgendwo zu widerfprechen
und nur an wenigen Stellen etwas hinzuzufügen. Vielleichthätten
die für Lazarette zur Verteilung geeigneteften
Schriften etwas genauer als gefchehen mit Angabe des
Verlags ufw., mit kurzer Charakteriftik verfehen, zufammengeftellt
werden können. Bei der ,mittelbaren Beeinfluffung'
gibt v. d. G. recht mannigfaltige Gefichtspunkte; ich finde
nur den hier und da verflachten Lazarettfpaziergang nicht

9) Doehring, Hof- u. Dompred. Lic. Bruno: Die Religion des
Schlachtfeldes. Eindrücke u. Gedanken, gefammelt auf den Schlachtfeldern
des Oftens. (40 S.) S°. Berlin, Reuther & Reichard 1916. M. — 50

10) Hoppe, Felddiv.-Geifll. L.: Feldpredigerfahrte n an der Weft-
front. Kriegserlebniffe aus großer Zeit. (152 S. m. 7 Taf.) 8». Gaffel,
Furche-Verlag 1916. M. 1.80

11) Richter, Konfift.-Rat Wilhelm: Der Herr ift der Friede. Der
Krieg als Erlebnis e. Feldredigers. (124 S.) gr. 8°. Schwerin i. M., F.
Bahn 1915. M. 2 —

12) Goltz, Prof. D. Eduard Freih. von der: Die Aufgaben des
Seelforgers in den Lazaretten der Heimat, dargeftellt. (Praktifch-theolog.

I Handbibliothek. 19. Bd.) (V, 76 S.) 8°. Güttingen, Vandenhoeck &
I Ruprecht 1916. M. 1.80; geb. M. 2.40