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1916 Nr. 15

Spalte:

350

Titel/Untertitel:

Neuberg, Gottesbegegnungen im großen Kriege. 1. Bd 1916

Rezensent:

Schian, Martin

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Seite 1

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349

Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 15.

350

,1m großen und ganzen hat unfre evangelifche Kirche und I
Theologie von der ruhigen, nüchternen, etwas unperfön-
lichen Stellung des Kanzlers zu der kirchlichen Inftitution
und den kirchlichen Bewegungen und Beftrebungen weit
mehr Segen als Nachteil empfangen' (232. 249). Ganz
ähnlich, wenn auch wohl noch etwas zurückhaltender
urteilt Seeberg: ,die Kirche ift für ihn eine geiftige
Größe . . eine geiftige Strömung, die fich in der Be-
tätigung ihrer Glieder im Volk als eingreifende Realität
erweift ... Es will doch etwas bedeuten, daß zwei welt-
gefchichtliche Größen wie Luther und B. auf diefem
Gebiet fich fo frappant berühren. Und dazu kommt, daß
die fruchtbaren Anregungen, die Schleiermacher und im
Anfchluß an ihn Wichern zum tiefern Verftändnis der
„Kirche" gegeben haben, fich auf der gleichen Linie bewegen
' (28).

Göttingen. Titius.

Lindskog, J., Auktoritetsprincipen i kristen religionochteologi.

(III, 183 S.) 8°. Lund, Gleerup 1914. Kr. 3 —

Es läßt fich kaum beftreiten, daß das früher faft
verpönte Wort Autorität in den letzten Jahren einen
ganz anderen Klang bekommen hat — auch evangeli-
fcherfeits. Über das jedenfalls beachtenswerte Buch von Fr.
W. Foerfter urteile man wie man will. Zweifelsohne hat
es in der theologifchen Diskuffion Spuren hinterlaffen. Ein
Beweis dafür unter vielen ift das Buch von dem Stockholmer
Prediger Lic. J. Lindskog.

Nach einer kurzen Einleitung zerfällt es in zwei Teile: in
einen hiftorifch-kritifchen Überblick und eine fyftematifche
Darftellung. Der erfte Teil behandelt den Katholizismus,
den o'ffiziellen, römifchen, fowie den moderniftifch gefärbten,
danach den Proteftantismus in feiner gefchichtlichen Entwicklung
. Die fyftematifche Darfteilung entwickelt anfangs
die Anfchauung des Verf.s über Religion, Theologie und
Offenbarung; danach kommt die Autorität Chrifti, die
der Bibel, die der Kirche, endlich das Verhältnis zwifchen
Autorität und Freiheit.

Was die einzelnen Ausführungen betrifft, ift es felbft-
verftändlich, daß darin Foerfter und Tyrrell erheblich
berückfichtigt worden find. Überhaupt ift der katho-
lifche Modernismus ein kräftiger Förderer einer erneuten,
ernftvollen und gewiffenhaften Behandlung des Problems
der religiöfen Autorität. Was der Verf. in hifto-
rifch-kritifcher fowie in fyftematifcher Hinficht lagt, hat
zwar im allgemeinen feine Richtigkeit, jedoch entbehrt
man m. E. eines leitenden Gefichtspunkts. Weiter find
die Ausführungen, wenigftens des zweiten (fyftematifchen)
Teiles fo ftark erbaulich gehalten, daß die Empfindung,
eine wiffenfchaftliche Darfteilung zu lefen, stellenweife
völlig fchwindet.

Leitende Gefichtspunkte für die Behandlung des Problems
der religiöfen Autorität bieten m. E. teils die Reli-
gionsgefchichte, teils die Gefchichtsphilofophie. Die Reli-
gionsgefchichte: denn diefe zeigt erftens die Unmöglichkeit
aller Religion ohne jedwede Autorität, zweitens einen
Wechfel zwifchen perfönlicher und unperfönlicher Autorität
: die Religion der Primitiven (Schamanen, Medizinmänner
ufw.), die Schriftreligionen, endlich die Religionen,
deren ewigfließende Kraftquelle eine hiftorifche, göttlich
verehrte Erlöferperfönlichkeit ift: Mahayäna des Buddhismus
, evangelifches Chriftentum. Die Gefchichtsphilofophie,
deren Gegenfätze: Gemeinfchaft, paffive und aktive Individuen
auf dem religiöfen Gebiete durch eine gehörige
Schätzung der großen, religiös fchöpferifchen Perfönlich-
keiten gehoben werden können, ohne Unterfchätzung der
religiöfen Gemeinfchaft und der vielen Einzelnen in ihr,
aber auch ohne Überfchätzung des religiöfen Durchfchnitts-
individiums.

Wenn der Verf. gegen folch' einen Vorfchlag antwortet
, der Titel feines Buches zeige, daß er fich nur mit

der chriftlichen Religion und Theologie befchäftigen will,
fo ift das allerdings fehr richtig, ändert aber nichts an
der Tatfache, daß für die Löfung des Problems der religiöfen
Autorität Religionsgefchichte und Gefchichtsphilofophie
, fowie Religions- und Sozialpfychologie unentbehrlich
find.

Fulltofta in Schweden. H. Scholander.

ReligibTe Kriegsliteratur.

(Vgl. zuletzt Nr. 13)

1. Dokumente der Kriegsfrömmigkeit. Diewert-
volle Sammlung von Neub er g und Stange (f. Th. Lit.-Ztg.
1915, Sp. 5 5 5 f-) ift kräftig vorangefchritten. Bd. I1 ift
in 6 Lieferungen abgefchloffen; ein zweiter Band2, in dem
die Dokumente aus dem religiöfen Leben in der Heimat
und hinter der Front den Mittelpunkt bilden follen, ift
im Erfcheinen. Voran flehen hier ,Kriegsgebete deutfcher
Dichter' in Auswahl; die nicht als im engeren Sinn religiöfe
Dichter Bekannten fcheinen mit Recht bevorzugt; doch
hätte noch manches gute Stück hinzugefügt werden
können. Zur Charakteriftik der Sammlung ift Neues nicht
zu fagen. —Umfaffend angelegt ift Schwenckers Sammlung
, die auf zwei Bände in Oktav berechnet ift. Sie fucht
mehr fyftematifch zu ordnen als N.-St; Bd. 1 bietet die
Rubriken: Kriegsglaube, Gottvertrauen; Religiös-fittliche
Kriegswirkungen; das Gebet im Kriege; Lieder, Gefang;
Feldgottesdienfte, Sonntagsfeier, Seelforge; Bibel, Wort
Gottes, chriftliche Schriften; Rettung, Bewahrung, Gebets-
erhörung. Daß jede Syftematifierung diefer ganz urfprüng-
lichen Zeugniffe unvollkommen bleiben muß, zeigt freilich
auch diefer Verfuch; Gebetserhörungen flehen z. B. neben
dem Kapitel ,das Gebet im Kriege'; und das ift nicht die
einzige Inkonzinnität. Dennoch hat der Verfuch über-
fichtlicher Ordnung feine guten Seiten. Jeder Abfchnitt
ift übrigens wieder in Unterabfchnitte geteilt, für deren
Abgrenzung das Gleiche gilt wie für die Hauptteile. Solange
Bd. 2 von N.-St., der diefe Gebiete auch berück-
fichtigen foll, nicht fertig vorliegt, hat Schw. namentlich
mit der im erften Abfchnitt enthaltenen Zufammenftellung
von Kundgebungen des Kaifers und der Heerführer einen
Vorfprung; auch fcheint fein Buch im Ganzen noch reichhaltiger
werden zu wollen als jenes. Während aber N.St
. in weitem Umfang aus erfter Quelle fchöpfen, alfo
namentlich Feldpoftbriefe in forglicher Auswahl aus
Taufenden nach den Originalen abdrucken, ift das bei
Schw. nur in geringem Maße der Fall. Er hat gefammelt,
was bereits gedruckt vorlag, was namentlich Zeitungen,
Zeitfchriften, Sonntags- und Korrefpondenzblätter gebracht
haben. Auch aus N.-St. felbft hat er viele Stücke entnommen
, zuweilen mit der entfprechenden Angabe, oft
ohne fie. Nun pflegt ja leider hergebrachter Maßen gerade
für folche erbaulichen Materialien auf genaue Quellenangabe
gar kein Wert gelegt zu werden; aber in diefem
Falle war fie unerläßlich. Auch bei den aus anderen
Quellen entnommenen Stücken ift nur z. T. die genaue
Bezeichnung der Nummer ufw. hinzugefügt. Daß die
Schreiber der Feldpoftbriefe nicht einläßlicher als bei N.-St.
bezeichnet werden konnten, ergibt fich daraus von felbft;
auch bei den aus anderen Quellen entnommenen finden
fich feiten nähere Angaben. Zuweilen beliehen Zweifel
an der genauen Wiedergabe; z. B. das Telegramm des
Kaifers an die Fürftin Fürftenberg (S. 8) enthält fprach-
liche Wendungen, die ihm kaum zugefchrieben werden
können (,der Karl'). Es ift fchade, daß der Wert müh-
famer, fleißiger, reichhaltiger Arbeit durch diefe Umftände

1) Neuberg, Pfr., u. Paft. Stange, Licc: Gottesbegegnungen im
großen Kriege. Feldpoftbriefe, Auszüge aus Kriegstagebüchern u. Er-
fahrgn. v. Feldpredigern, i. Bd. (V, 294 S.) 8<>. Dresden, C. L. Ungelenk
1915. Geb. M. 3.25

2) — Dasfelbe. N. F. I. Heft. (VIII u. S. I—48.) 8». Ebd. 1916.
M. — 50 „