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Ausgabe:

1916

Spalte:

6

Autor/Hrsg.:

Eberlein, Hellmut

Titel/Untertitel:

Kaiser Mark Aurel und die Christen 1916

Rezensent:

Koch, Hugo

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des Böfen und Übels trotz der Weltfchöpfung durch einen I
allweifen und allmächtigen Gott zu begreifen' (S. 123);
der dennoch bleibende unlösliche Widerfpruch erregt das
Mißfallen des philofophifchen Schulmeifters der Religion. |

Bei Jefus als einem originellen ,Denker auf religiöfem
Gebiet' (S. 228) gehört ,zum traditionellen Element als
der bloßen Schale' nicht nur allerlei, was er mit feinen
Zeitgenoffen letztlich ,aus der iranifchen Weltanfchauung'
hat, fondern gerade auch fein Gottesglaube. Das Originale
dagegen ift, was fich bei ihm als ,Keim' der paulinifchen
Lehre von der y.aivi) xrloig nachweifen läßt, jene .Antinomie
', aus der ,die Grundlehre des Chriftentums von
der Wiedergeburt hervorgegangen ift', nämlich .mit mo- i
dernen Ausdrücken' bezeichnet: ,fein Determinismus' und
,fein kategorifcher Imperativ' (S. 231). Beweis für diefen
.Determinismus' Jefu ift für Deuffen ,das originelle und
draftifche Bild vom Baum und den Früchten' (S. 232).

Bei Paulus tritt dann noch die Lehre von der Wiedergeburt
, von D. verftanden als .Wendung des Willens von I
der Bejahung zur Verneinung' (S. 283), als drittes und
die vom göttlichen .Monergismus' als viertes Stück hinzu, j
Während die .Grundwahrheit' vom Determinismus fich ;
auch im indifchen Denken nur in .Spuren' aufweifen läßt
und erft bei Jefus und Paulus mit voller Deutlichkeit aus-
gefprochen wird, ift hier ,der Punkt, wo das Chriftentum
eine notwendige Ergänzung oder Berichtigung' aus der
indifchen Atmanlehre entnehmen muß, wonach ,unfer
eigenes metaphyfifches Selbft es ift, aus welchem die das
Gute wirkenden Kräfte in die von ihm abgeirrte Er-
fcheinung dringen' (S. 270). .Aber das ift eben der tiefere
Sinn des Gottesbegriffs' (S. 284).

Hier fieht nun freilich die gefchichtliche Schale, grade
auch des innerften Erlebens Jefu, fehr anders aus als
diefer philofophifche Kern. Und was hätte wohl Jefus
dazu gemeint, daß wir nach D.'s Determinismus als
empirifche Wefen .vermöge des Raumes egoiftifch' find?
und was zu dem kühnen: .raumlos, alfo fündlos' feines
philofophifchen Deuters (S. 180)? Zwifchen Kern und
Schale des Chriftentums fehlt hier überhaupt jeder or-
ganifche Zufammenhang. DieSchale ift .wunderlich' (S. 288).
Kern und Schale gehen fich garnichts an: fie find nur
eben tatfächlich zufammen. Das nimmt auch nicht Wunder
, wo nicht aus der gefchichtlichen Erfcheinung ihr
eigener Wahrheitsgehalt wirklich herausgearbeitet, fondern
ein vermeintlicher Kerngehalt von anderswoher hinein-
gefteckt worden ift2.

Gnadenfeld. Th. Steinmann.

Koch, L. J.: Fortolkning til Paulus' andet Brev til Korinthierne.

(In 3 Heften.) 1. Heft. (160 S.) 8°. Kopenhagen,
J. Frimodt 1914. Kr. 2 —

Von dem Werke hat mir die Einleitung und von der
Auslegung nur die von 1,1 — 3,6 vorgelegen. Ich muß
mich daher auf einen Bericht über jene befchränken. Sie
führt ausführlich und klar in die Situation ein und zeichnet j
fich durch eine fehr gefchickte Darlegung auch folcher j
Auffaffungen aus, die der Verf. glaubt ablehnen zu müffen.
Er verfteht es, immer ihre beften Gründe zu Worte kommen
zu laffen.

Ein Überblick über die Gefchichte der Stadt und deren
religiöfes Leben, dann eine kurze Darftellung der Ver-
hältniffe der korinthifchen Chriftengemeinde an der Hand
von I. Kor. werden vorweg gegeben. Was dann die Zeit
zwifchen I u. II Kor. betrifft, fo wird die Bleeckfche
Auffaffung bei aller Anerkennung ihrer guten Gründe abgelehnt
, vielmehr ein für uns verlorener Zwifchenbrief angenommen
, weil die Charakteriftik II Kor. 7,8 ff. auf I
Kor. nicht paßt, und der Beleidiger in II unmöglich mit

2) Für eine Auseinanderfetzung mit Deufiens Philofophie ift hier
nicht der Ort. Jedenfalls läßt fich die Religion der Bibel dahin nur
umdeuten.

dem Blutfchänder in I identifch fein kann. Dagegen wird
die Annahme eines Zwifchenbefuchs abgelehnt, weil dadurch
die Zeit zwifchen I und II übermäßig verlängert wird
und die Angaben über die Reifepläne in I und II ihren
Sinn und Zufammenhang verlieren. Gewiß ift Paulus einmal
auf kurze Zeit in Korinth gewefen. Aber diefer Be-
fuch fällt vor I Kor., galt wie der Brief, der I. Kor. 5, 9 ff
vorausgefetzt wird, fittlichen Schwierigkeiten des Gemeindelebens
und ift daher keine erfreuliche Erinnerung für den
Apoftel. Von diefem Briefe ift II Kor. 6, 14—7, 1 wohl
ein Stück erhalten. Jedenfalls erklären fich fo einmal die
Einfügung in II Kor., andererfeits die Mißverftändniffe
in I Kor. 5. Mit den Problemen in II Kor. hat jener
Befuch nichts weiter zu tun, als daß der Apoftel in diefer
Epifode den Korinthern gezeigt hat, wie er auch energifch
auftreten kann.

Abgefehen von 6, 14 ff. ift II Kor. ein einheitliches
Werk, das nur durch eine Fülle von Abfchweifungen einen
anderen Eindruck hervorruft. Auch in 10—13 wird nur
das weiter und klarer ausgeführt, was in 1—7 wegen der
verföhnlichen Tendenz nur angedeutet werden konnte.
Aber gerade die vollzogene und durch das gemeinfame
Kollektenwerk endgültig befiegelte Verhöhnung macht die
Abrechnung mit den judaiftifchen Reften in Korinth in
10—13 um f° verftändlicher, zumal wenn man annimmt,
daß die Korinther durch Beftrafung des Beleidigers wohl
dem Paulus weit entgegen gekommen find, aber die Verbindung
mit den Judaiften keineswegs abgebrochen haben.
Ift I Kor. Oftern 58 gefchrieben, fo (lammt II Kor. wahr-
fcheinlich aus dem Herbft desfelben Jahres.

Lauenburg (Elbe). Schmidt.

Eberlein, Pfarramtskand. Hellmut: Kailer Mark Aurel und

die Chrilten. Diff. (Breslau). (56 S.) 8°. Breslau 1914.

Nach einer kurzen, die Extreme meidenden Beurteilung
der Regierung des Philofophen auf dem Throne der Cäfaren
befpricht E. die Stelle Eig tavröv XI, 3, worin Mark Aurel
fich über die Chriften, näherhin über ihre Todesbereitfchaft
abfällig äußert: diefe fcheint ihm nicht vernünftiger Überlegung
, fondern blindem Trotze zu entfpringen und mit
Theatralik behaftet zu fein. Im 2. Kapitel kommt E. zum
Ergebnis, daß die Chriftenverfolgung der fiebziger und
achtziger Jahre des zweiten Jahrhunderts allerdings auf eine
kaiferliche Kundgebung zurückgehe, diefe aber ein allgemeines
Edikt gegen religiöfe Volkserreger und neue Religionen
gewefen fei, mit deuten Anwendung auf die Chriften
fich dann der Kaifer auf eine Anfrage hin ausdrücklich einver-
ftanden erklärt habe. Das dritte Kapitel behandelt das
Regenwunder im Feldzug gegen die Quaden mit den
Refultaten, daß der Kaifer in feinem Briefe an den Senat
die Chriften nicht erwähnt habe und der als zweiter Anhang
zu Juftins Apologie erhaltene Kaiferbrief in feiner jetzigen
Geftalt aus dem 4. Jahrhundert flamme, ihm aber eine ältere
chriftlicheFälfchungaus dem zweitenjahrhundert zu gründe
liege. Kap. IV erweift die Unechtheit des Briefes Mark Aurels
an Euxenianus Pollio, und das Schlußkapitel befpricht die auffallende
Tatfache, daß ,Mark Aurel, der von den römifchen
Kaifern bis hin zu Philippus Arabs am fchärfften gegen
die Chriften vorgegangen ift, im Urteil der Chriften fo
günftig wegkommt*. Die Differtation ift beachtenswert.
Doch läßt fie an fprachlicher und fonftiger Sorgfalt zu
wünfchen übrig.

S. 23: ,als Gebetserhörung ... zu anderen Dämonen erklärt'. S. 33:
,Alfo, weil das Bild mit Dio übereiuftimmt, diefer (!) aber falfch fein foll,
deshalb muß das Bild verfehen fein'. S. 9. u. 10: napäaxaaiq ft. Ttagaxa^iq,
wie es vorher richtig heißt. S. 53: äxoxo/ftei ft. axaxo/ßei, i&£XXoi
ft. £&£Xoi. Ganz bedenklich ift das zweimalige naftftixxoq und das einmalige
äfüxxov auf S. 40 (ft. nAfiftixxoq, afiixxov). Der Gedanke, daß
die Chriften ftatt des Eifens das Gebet als Waffe gebrauchten, findet fich
nicht erft bei Gregor von Nyffa (S. 41), fondern fchon bei Origenes c.
Cels. VIII, 70. 73 (vgl. Harnack, Militia Chrilli 1905, 71 f.).

München. Hugo Koch.