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Ausgabe:

1916 Nr. 15

Spalte:

346

Autor/Hrsg.:

Jansen, M.

Titel/Untertitel:

Historiographie und Quellen der deutschen Geschichte bis 1500 1916

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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345

Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 15.

346

Kulturgefchichte befonderes Intereffe. Wir tun in dem
Buch einen Einblick in die vielverzweigte Verwaltung
einer byzantinifchen Stadt, die die Mitte zwifchen der
Hauptftadt und einer Provinzialftadt hält und in einer
Zeit, wo die Verwaltung völlig organifiert ift. Dazu das
foziale Leben, der Handel, die Frömmigkeit und endlich
zwei Kampfbilder, der Hefychaftenftreit und die großen
fozialen Kämpfe zwifchen Begüterten und Proletariat.
Das erfte der drei Bücher, in die das Werk gegliedert
ift, fchildert neben der Vorgefchichte die Bevölkerung
der Stadt nach Zahl, gefellfchaftlicher Schichtung und
völkifcher Verfchiedenheit. Am Anfang des 15. Jahrhunderts
zählte die Stadt nach einer urkundlichen
Schätzung 40000 Seelen. Im 14. Jahrhundert ift fie erheblich
größer gewefen, da nachweislich Krieg und auch
der Einfluß von Venedig eine Verminderung bewirkt hat.
Dem Volkstum nach bildeten damals noch die Griechen
bei weitem die Mehrzahl, dann folgten die Slaven, die
Juden kommen damals erft an dritter Stelle. Den großen
Reft macht die Völkermifchung aus, wie fie jede Küften-
ftadt am Mittelmeere noch jetzt aufweift. Die foziale
Schichtung läßt drei Höhen erkennen, freie Bürger, Pa-
röken oder Duloparöken und Sklaven. Von den freien
Bürgern befaßen die meiften nur ihre perfönliche Freiheit
, fonft nichts. Ein großes Proletariat alfo die letzte
Stufe der Bürger. Ihre Spitze die Reichen, Mächtigen,
Vornehmen, eine geringe Zahl mit großen Vermögen,
dazwifchen der Mittelftand, der es auf irgendeine Weife
zu etwas gebracht hat. Die Paröken meift auf dem Lande
um die Stadt herum, an die Scholle gebunden, mit großen
Laften befchwert, aber bei Fähigkeit und Fleiß ein
erträgliches Leben führend. Sklaven gab es nur wenige,
wohl nur Mohamedaner. Gerade die Klöfter hatten folche.
Als die großen regierenden Gewalten erfcheinen der kai-
ferliche Gouverneur der Provinz und der Erzbifchof,
einander meift nicht freundlich gefinnt, eiferfüchtig gegen
einander auf ihre Macht. Jener der Erfte einer wohl-
organifierten weltlichen Verwaltung, die, foviel mir bekannt
, hier zuerft genau gefchildert wird. Der Erzbilchof
der mächtige geiftliche Herr. Gerade in Theffalonich
haben viele berühmte Männer den Hirtenftab geführt.
Hervorragend war die Stadt damals auch als Handels-
ftadt. Die flavifchen Völker des Nordens und fogar die
fernen Ruften fandten dorthin ihre Waren. Und der
Seeweg führte fie aus und brachte andere. Einmal im
Jahr war große Meffe, natürlich um den Namenstag des
Stadtheiligen herum, des großen Dimitrios, im Oktober.
An kleinen Märkten gab es noch mehr. Die Stadt war
auch durch diefen Heiligen weitberühmt, wie fie überhaupt
im Rufe großer Frömmigkeit ftand. Auch in den
Künften und der Wiffenfchaft nahm fie eine hervorragende
Stellung ein, die Hochburg des Hellenismus im
14. Jahrhundert. Darum konnten auch Streitigkeiten, wenn
fie einmal dort entbrannten, große grundfätzliche Bedeutung
annehmen. Man fieht das am Hefychaftenftreit auf
kirchlichem Gebiet und dem Emanzipationskampf des
Proletariats, denen die letzten Teile des Buchs gewidmet
find. An der Darftellung des Hefychaftenftreits fetze
ich aus, daß das Religiöfe an der Myftik nicht genug
gewürdigt ift. Verfaffer ift zu fehr an den lateinifchen
Schriftftellern orientiert. Er hat Holls grundlegende
Darftellung der griechifchen Myftik im Mittelalter nicht
benutzt. Außerordentlich fpannend find dann die
fozialen Unruhen gefchildert, die von den gedrückten
Klaffen gegen die Befitzenden erregt wurden. Leider
find auch die Klöfter unter denen, die die großen
Vermögen gefammelt haben. Daß die bedeutendften
Byzantiner in diefen Schilderungen von Zuftänden
ihre gute Charakteriftik erhalten, fei endlich noch
bemerkt.

Von den Auffätzen in den ,Mclanges' beziehen fich
die drei erften auf die Dimitrioskirche in Theffalonich,
der vierte auf die jüngfte Entwicklung der Studien

rumänifcher Kunft in Rumänien; der letzte behandelt
griechifche Infchriften auf dem Sinai.

Hannover. Ph. Meyer.

Janfen, f M., u. L. Schmitz-Kallenberg; Hiltoriographie
und Quellen der deutfchen Gelchichte bis 1500. 2. Aufl.
(Grundriß der Gefchichtswiffenfchaft, Reihe I. Abt. 7.)
(IV 130 S.) Lex. 8». Leipzig, B. G. Teubner 1914.

M- 3—; geb- M. 3.60
Diefe zweite Auflage ift eine ganz neue Arbeit; dem
Verfaffer der erften ift es nicht vergönnt gewefen, fie zu
vollenden; für den letzten Abfchnitt, den über die Ge-
fchichtsfchreibung der deutfchen Stämme und Territorien,
(S. 93 — 124), ift L. Schmitz-Kallenberg eingefprungen; er
hat auch fonft literarifche Neuigkeiten nachgetragen. Das
Buch ift in erfter Linie für die Studenten gefchrieben
und will fie auf das Wichtige aufmerkfam machen. Darum
werden auch die führenden Gefchichtswerke ziemlich ausführlich
charakterifiert und das für den Anfänger Berechnete
in größerem Drucke geboten. Dies Großgedruckte
ftellt auch ein gut lesbares Ganzes dar. In zweiter
Linie find aber auch die Bedürfniffe der bereits Fertigen
berückfichtigt, und ihnen zuliebe ift möglichfte Vollftändig-
keit, wenn ich recht verliehe in der Aufzählung der Quellen
und der Literatur, angedreht, ift auch der Stand der For-
fchung angegeben. Soviel ich urteilen kann, hätte nur
die erfte Linie innegehalten werden follen und auf ihr
auch der Stand der F"orfchung verzeichnet werden können;
die zweite Linie hätte wegbleiben müffen. Denn Voll-
ftändigkeit ift nicht erreicht, hat auch nicht erreicht werden
können. Darum ift der, der mehr fucht als eine erfte
Einführung, immer wieder auf andere Werke angewiefen.
Aber für eine erfte Einführung wird das Buch doch
recht gute Dienfte leiften. Dankenswert ift es be-
fonders, daß der Verfaffer auch die Quellen zur älteften
Gefchichte der Germanen mitgeteilt hat. Seltfam ftief-
mütterlich find die monumentalen Quellen behandelt;
fehr oft ift für fie nur die notdürftigfte Literatur angegeben
. Es ift eins der dringendften Bedürfniffe, den
Studenten ihre Kenntnis und Ehrfurcht vor ihnen zu vermitteln
. Das Urteil der Verfaffer fcheint mir durchweg
verftändig und maßvoll, wenn auch mitunter nicht ent-
fchieden genug zu fein.

Kiel. G. Ficker.

Didier, Nikol.: Nikolaus Mameranus. Ein Luxemburger
Humanift des 16. Jahrh. am Hofe der Habsburger.
Sein Leben u. feine Werke. (XV, 330 S. m. 1 Abbildg.
u. 1 eingedr. Bildnis.) Lex.-8°. Freiburg i. B., Herder
1915. M. 6 —

Eine Biographie des Luxemburger Humaniften Nikolaus
Mameranus ift willkommen. Unftreitig hat fich der
Verfaffer bemüht, alle Schriften feines Landsmanns aufzutreiben
und feinen Lebensgang aufzuhellen, und bietet
ein Zeitbild aus ftreng katholifchen, Karl V. und feinen
Räten naheftehenden Kreifen, fowie einen Abriß der zahlreichen
Schriften des kaiferlichen Hofhiftoriographen. Das
Buch zerfällt in zwei Teile, ,Biographie 11—136, Schriften
137—268, A. der Fliftoriker, B. der Polemiker und Theolog,
C. der Poet-Philolog, der Pädagog und Redner, D. Varia'.
Der Anhang bringt die Bibliographie und Urkunden. Es
ift keine Frage, die Schriften Mameranus verdienen Beachtung
. Sie bieten vieles für die Gefchichte Karls V.
und feiner Kriege, befonders des Schmalkaldifchen, und
ergänzen Sleidan. Das ungünftige Urteil über diefen
kann nicht auffallen. Mameran und fein Biograph flehen
ganz auf ftreng katholifchem Standpunkt. Auch was wir
über Spanien und England unter Maria, die Bifchöfe jener
Zeit, die Univerfitätszuftände in Löwen, Mamerans

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