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Ausgabe:

1916 Nr. 13

Spalte:

306

Kategorie:

Religiöse Kriegsliteratur, Kriegspredigten, Kriegspädagogik

Autor/Hrsg.:

Goens, G.

Titel/Untertitel:

Gott mit uns! Feldpredigten im Großen Hauptquartier gehalten. 2. Reihe 1916

Rezensent:

Schian, Martin

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Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 13.

306

Leipziger Gemeinde eine Abfchiedsgabe bot (auch die
Abfchiedspredigt felbft ift darunter). Er predigt ,Harte
Entfchloffenheit'; auch .Nicht Frieden, fondern das Schwert!'
Aber er führt diefe Themata nicht nach der äußeren,
fondern nach der inneren, nicht nach der nationalen, fondern
nach der religiös-ethifchen Seite aus. Aus der letztgenannten
Predigt klingt der bittere Schmerz darüber
heraus, daß es trotz Chriftus und Chriftentum zum Krieg
kommen mußte; Predigten wie die über den Allgegenwärtigen
(nach Kowno und Nowogeorgiewsk) bedeuten
beinahe eine Art Flucht in das Reich des inneren Lebens.
Dabei vermag N. doch in der Bismarck-Gedenkpredigt,
die dem Problem des Helden gar nicht ausweicht, auch
der gewaltigen äußeren Leiftung voll gerecht zu werden.
Es fteckt in diefen Predigten manche Hindeutung auf
nicht Ausgefprochenes, manche Frage, die ohne Antwort
bleibt; das ift freilich beffer, als wenn der Hörer den
Eindruck gewinnt, als habe der Prediger nach dem Amen
nun aber auch gar nichts mehr zu fagen. — Gleichfalls
ftark innerlich, aber mit anderer Stimmung, fucht PI außen13
der Aufgabe gerecht zu werden. Er will recht eigentlich
PTiedensarbeit mitten im Krieg treiben. So benützt er
den Krieg gleichfam als Evangeliften; nun der Boden der
Herzen gelockert ift, foll das Evangelium hinein. Es ift
die Art der ernften, aber nicht einfeitigen Erweckungs-
predigt, die er pflegt. Dabei ift der eigentliche Gedankeninhalt
derfelbe geblieben, wie fonft; nur die erwecklichen
Motive, die Zitate und Illuftrationen, in manchen Fällen
auch die Planung der Themata und der Evangeliumsbot-
fchaft find durch den Krieg gegeben. — Wieder etwas
anders ift die Art von Keßler und Friedrich. Keßler, von
deffen Sammlungen hier nur ein Heft vorliegt14, bringt
fchöne Predigten und Reden (zu drei Konfirmationen) in
jener vielfach begegnenden, biblifch-praktifchen Art, die
mit warmem Empfinden und herzlicher Freundlichkeit
verbunden ift. Auch dabei gibt die Kriegszeit viel Anknüpfungen
und fonftige Materialien, aber eben nur folche.
Freilich lag dies Verfahren gerade bei Konfirmationsreden
, bei Karfreitags- und Ofterpredigt fehr nahe. —
Noch weniger organifch erfcheint mir die Verbindung
mit dem Krieg bei Friedrich15. Seine zweite Sammlung
muß ebenfo beurteilt werden wie die erfte (1915 Sp. 147).
Bemerkenswert ift, daß 12 Predigten an bekannte Kirchenlieder
angefchloffen find; Bibeltexte haben fie übrigens
auch. Sie gewinnen durch jenen Anfchluß eine frifch
fortfchreitende, lebendige Geftalt; die Fülle von Einzel-
anfpielungen und Beziehungen wirkt in gleicher Richtung.
Aber es fehlt die gefchloffene Einheitlichkeit und die eindringende
Energie eines wuchtigen Gedankenganges. Faft
jede Predigt rührt an hundert verfchiedene Dinge. Größere
Spezialifierung täte not. — Andere Wege als alle bisher
Genannten geht Schowalter16. Dabei ift zu erwägen,
daß das Heft Predigten aus der erften Kriegszeit gibt;
3 von den 7 hier vereinigten waren in dem Jahrgang 1915
Sp. 267 kurz erwähnten Heft fchon einmal gedruckt. Sch.
betont das nationale Moment fehr ftark; er kennt für die
Gegenwart .keine chriftlichere Aufgabe als die, das nationale
Erleben in religiöfe Werte umzufetzen'. Er befpricht
darum abfichtlich die jeweilige Lage, zuweilen fogar ziemlich
ausführlich; er beleuchtet die Fragen, die fich für das
Volk im Ganzen ergeben, ohne aber in den Fehler rein

13) Haußen, Dek. Prof. Karl: Friedensarbeit im Kriege. Kriegspredigten
. (93 S.) 8°. Herborn, Buchh. des naff. Colportagevereins 1915.
M. —80

14) Keßler, Kaif. Hopfpred. Pfr. J.: Über alles meine Pflicht!
Sechfte Sammig. v. Predigten u. Anfprachen in den Kriegstagen l9l4/'5
geh. (56 S.) 8». Dresden-A., C. L. Ungelenk 1915. M. —75

15) Friedrich, MiIit.-Ob.-Pfr. a. D. I. Pfr. Konfift.-R. Hans: Gott
f. unsl Vaterländifche Predigten u. Anfprachen üb. Bibeltexte u. Kirchenlieder
in der feftl. Hälfte des Kirchenjahres. (IV, 211 S.) 8°. Leipzig,
Krüger & Co. 1915. M. 2—; geb. M. 2.60

16) Schowalter, z. Z. Milit.-Pfr. A.: Der Krieg in Predigten. Der
.Kriegspredigten'. 2. Aufl. (62 S.) 8°. Halberftadt 1915. (Barmen, E.
Biermann.) M. — 70

; nationaler Reden zu verfallen. Auf die religiös-fittliche
; Haltung zielt fchließlich jede Predigt ab. Dabei fpricht
i Sch. konkret, kräftig, packend. Man fpürt ihm ab, wie
■ ganz er in den Dingen lebt, von denen er redet, wie warm
! fein Herz für die deutfche Sache fchlägt. Seine Art
und etwa die Ihmelsfche bezeichnen zwei Gegentypen;
keine von beiden erfcheint mir unberechtigt; keine aber
i ift unter allen Umftänden und zu jeder Zeit berechtigt.
3. Sammlungen von Predigten einzelner Ver-
f affer: b) Feld predigten. Daß wir allmählich auch
mehr im Felde gehaltene Predigten erhalten, ift erfreulich;
fie müffen uns das Bild unbedingt vervollftändigen. Wir
lefen fie mit dem heißen Wunfeh, in die Stimmung, die
draußen herrfcht, mit hineinverfetzt zu werden. Natürlich
können dazu Predigten aus dem Großen Hauptquartier
nicht fo unmittelbar helfen, wie vor den kämpfenden
Truppen gehaltene. UndGoens'17, fchon bei Anzeige des
| erften Heftes gefchilderte Art (vgl. Jahrgg. 1915 Sp. 266) ift
auch weder auf unmittelbares Eingehen auf den Augenblick
gerichtet, noch ift fie durch den Intereffenkreis der Mann-
fchaften beftimmt; dazu ift fie zu fein gefchliffen, zu forglich
j pointiert. Sie rechnet auf Hörer von reicherer Bildung
und äfthetifch gefchultem Auffaffungsvermögen. Aber
! vier Sammlungen von eigentlichen Feldpredigten oder
I -Anfprachen liegen vor. Sie teilen fich in zwei Gruppen:
) die einen bringen viel von den äußeren Vorkommniffen
i in die Rede hinein; fie beurteilen die Welt- und Kriegs-
I gefchichte vom religiöfen Standpunkt aus, natürlich ohne
die Wirkung auf die Hörer zu vergeffen. Dahin gehören
Potts18 Predigten aus dem Often vom Herbft 1914; vor-
angeftellt find Königsberger Predigten vom Juni i9i4(Sera-
jewo) und vom Anfang 1915. Drei von den Feldpredigten
find bereits in der Meyerfchen Sammlung (Jahrgg. 1915
Sp. 146 und 551 f.) gedruckt, fo die auf dem Schlachtfeld
von Tannenberg gehaltene. Man fpürt diefen Predigten
flammende Begeifterung ab; fie werden in ihrer ungemein
lebendigen, ganz aus der Zeit geborenen Haltung ficher
die Hörer gefaßt haben. Die religiöfe Energie fehlt ihnen
auch nicht; man lefe S. 57, wo der Prediger fchlagfertig
auf die Augenblickslage (Abwehr eines Fliegers) eingeht.
Aber fo konnte wohl nur in den erften Kriegszeiten ge-
fprochen werden. Hier und da läßt fich über den Inhalt
rechten: darf man fo, wie S. 92fr. gefchieht, vom heiligen
Haß gegen England reden? Muß man nicht zwifchen
den Menfchen und ihrer Gefinnung fchärfer unterfcheiden?
Zur gleichen Gruppe gehören die Feldanfprachen von J.
Haack19. Sie gehen gleichfalls fehr ftark auf die Augen-
blicksftimmung ein; fie find fehr populär gehalten, werden
aber öfter im Ausdruck überkräftig; fo in der Schilderung
des Kriegsausbruchs S. 9, in der Bezeichnung der Engländer
als Krämerfeelen und Gottesfpötter (S. 25), in
mancher reichlich draftifchen Wendung. Daß öfter mehrere
Seiten hinter einander ohne Abteilung verlaufen, ift nicht
praktifch; vor einfachen Leuten muß der Prediger beffer
in klaren Abfätzen reden. Auch Grabreden find mitgeteilt
; und die Namen derer, denen fie gelten, find genannt
. Ferner find 21 photographifche Aufnahmen des
Verf.s beigegeben; auf der einen fieht man den Verf. im
Ornat. Eine fehr naturgetreue Erinnerungsfammlung; das
fteht feft. Eine gute Möglichkeit für uns daheim, die
Arbeit im Feld lebendig werden zu fehen. Aber fo
willig wir den Anforderungen des Krieges Rechnung
tragen wollen, ganz befriedigt können wir uns nicht erklären
. — Die zweite Gruppe verfährt innerlicher. Dabei

17) Goens, Geh. Konfift.-Rat Feld-Oberpfr. D. G.: Gott mit uns!
Feldpredigten, im Großen Hauptquartier gehalten. Zweite Reihe. (48 S.)
8». Berlin, E. S. Mittler & Sohn 1915. M. —25; geb. M. —50

18) Pott, Div.-Pfr. Priv.-Doz. Lic.: Vom Feld fürs Feld. Predigten.
(96 S.) 8°. Marburg, N. G. Elwert 1915. M. 1 —; geb. M. 1.50

19) Haack, etatsmäß. Div.-Pfr. Kadettenhaus-Pfr. Paul Joh.: Wir
im Felde mit Gott! Feldanfprachen auf dem weftl. Kriegsfchauplatz
1914/15, v. der Mobilmachung 2. Auguft 1914 bis Pfingften 23. Mai 1915,
m. 21 Aufnahmen des Verf. (136 S.) 8». Breslau, Ev. Buchhandlg. 1915.
M. 1.20