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Ausgabe:

1916 Nr. 13

Spalte:

304-305

Kategorie:

Religiöse Kriegsliteratur, Kriegspredigten, Kriegspädagogik

Autor/Hrsg.:

Naumann, Gottfried

Titel/Untertitel:

Stark in Gott. Predigten aus der Kriegszeit. 2., erweit. Aufl 1916

Rezensent:

Schian, Martin

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303 Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 13. 304

ift diefer Übergang gerade bei M. nicht befonders Schroff;
dafür find auch die nach der Kriegserklärung gehaltenen
zu fehr auf den ,Sonntagsfrieden' (der Titel ift äußerft
bezeichnend) abgeftimmt. Auch fpricht diefer zur Linken
gehörige Prediger felbft in der Zeit, da die Forderung der
Gegenwart überlaut ruft, faft mehr als mancher Andersorientierte
von Chriftus. Wir finden die Themata: Das
Vertrauen durch Chriftus zu Gott (am 30. 8. 1914); Die
Predigt Jefu, eine Predigt gerade für unfere Zeit; Gebetsleben
und Opfertod. Eine Predigt ift geradezu der Frage
Jefus und der Krieg' gewidmet; hier erklärt M., daß nach
feiner Überzeugung Jefus, wenn er heut unter unferem
deutfchen Volk erfcheinen könnte, uns zum Kampf bis
zum letzten Blutstropfen aufrufen würde. Wenn M. das
fagt, fo klingt das nicht entfernt nationaliftifch oder
chauviniftifch; dazu ift feine ganze Weife zu friedlich, zu
innerlich fromm, zu fchlicht-ausgeglichen, zu herzlich-warm.
Solcher Satz ift nur das Ergebnis der auch aus allen
anderen Predigten herausleuchtenden ruhigen Entfchieden-
heit und der tiefen Würdigung des Segens, den Gott uns
in unferem Vaterlande gab. M.s Predigten treten, fo viel
fie an Beziehungen aus Gefchichte und Gegenwart aufnehmen
, doch einfach und anfpruchslos auf; aber fie
tragen in fich etwas wie wirklichen Sonntagsfrieden; und
das ift viel wert. — Die anderen Sammlungen fetzen erft
mit dem Kriege ein; eine Entwicklung aber zeigen wenig-
ftens die von ihnen, die fich über einen längeren Zeitraum
erftrecken, gleichfalls. So die eines bisher in weiteren
Kreifen unbekannten Predigers, des zweiten Hofpredigers
des Herzogs vom Cumberland in Gmunden, Oftermann.
Der erfte der beiden vorliegenden Bände8 bringt Reden
aus 1914/15, der zweite folche vom Februar 1915 an. Der
erfte zeigt viel deutlicher die Eigenfchaften der eigent-

in moderner Form redenden Prediger gern. — Eine Entwicklung
läßt fich, wennfchon in minderem Umfang,
auch bei Ihm eis feftftellen, wenn wir die jetzt zur Be-
fprechung ftehende Sammlung9 aus dem Kirchenjahr
1914/15 (von Advent an) mit der Jahrgang 1915 Sp. 266
angezeigten, die die erften Predigten nach Kriegsanfang
enthielt, vergleichen. Wohl trifft im allgemeinen die für
jenes Bändchen gegebene Charakteriftik auch für diefe
Reihe zu; doch ift der Krieg nicht mehr in dem Umfang,
wie zuerft, das beherrfchende Moment. Es finden fich
Predigten (Ruhe der Seele S. 2off), die geradezu eine
ftille Feierftunde gleichfam in Geborgenheit vor der Unruhe
der Zeit bedeuten; von einer ganzen Anzahl kann
man fagen, daß die Kriegsereigniffe nur eben in fie hineinklingen
, nicht aber den Gegenftand der Rede bilden.
Die Predigt arbeitet nicht das durch, was draußen ge-
fchieht, fondern fie fucht den Hörern zum rechten inneren
Erleben der fchweren Zeit zu helfen. Wir finden zwar
auch eine Predigt ,nach dem Falle von Breft-Litowsk';
aus der eben bezeichneten Art fällt aber auch fie nicht
heraus. Häufiger als fonft begegnen ganz perfönliche,
aber ebenfalls aus dem Innerften flammende Wendungen
und Erinnerungen. Befonders beachtenswert ift die Predigt
am 200jährigen Geburtstag Gellerts (128 ff), der als ,ein
Sänger der Gnade und darum ein Sänger unferer Kirche'
fehr fchön gefchildert wird. Die recht freundliche Art,
wie hier der Sänger der Aufklärung beurteilt wird, weil
der Preis der Gnade feinen Liedern den charakteriftifchen
.Grundton gibt, berührt um fo wohltuender, als dabei die
minder erfreulichen Seiten feiner Dichtung nicht ver-
fchwiegen werden. — Ähnlich ift das Verhältnis der .Neuen
Folge', die Jacobi ausgehen ließ10, zu der erften (Jahrgg.
1915 Sp. 551). Ich notiere einige befondere Stücke: ,Ein

liehen .Kriegspredigt' als der zweite, obwohl jeder feinen | guter Baum in der Mark' (zum Hohenzollernjubiläum);
Inhalt in .Kriegspredigten' und .Kriegsandachten' gliedert, j „Der Frauen Pflichten und Rechte' (Jahresfeft der Frauen-

und auch der zweite noch ,Gott ftrafe England !?' als
Nebentitel zu einer Rede mit dem Thema: ,Ihr müßt
vergeben!' anführt. Mir fcheint für die weitere Öffentlichkeit
Bd. I wertvoller als Bd. II; weil er ftärker die
auch im Frieden begangenen Gleife der üblichen, biblifch
orientierten Predigt verläßt. Diefer Band ift aber, auch
inmitten der Maffe von Kriegspredigten, wirklich wertvoll.
Nicht etwa bloß, weil die Ärt, wie ein Prediger in jener
befonderen Lage Stellung nimmt, intereffiert, fondern
ganz allgemein. Er enthält den Niederfchlag einer inten-
fiven gedanklichen Durcharbeitung einer ganzen Reihe

hülfe in Braunfchweig), Durchhalten! (Miffionsfeftpredigt).
J. faßt fich kürzer als Ihmels, bringt auch mehr Daten,
Erinnerungen und Anknüpfungen aus Gefchichte und
Gegenwart; aber auch bei ihm bleibt die innere Rüftung
der einzelnen Chriften das beherrfchende Leitmotiv.
Immerhin befteht darin ein Unterfchied. Während Ihmels
in diefem Band gleichfam das innerlichfte Durchleben bis
in die feinften Nuancen der religiöfen Stimmung hinein
verfolgt, bleibt Jacobi mit dem Außenleben in näherer
Berührung und verzichtet zugleich auf derart eingehende
Analyfen des Seelenlebens, wie Ihmels fie bietet.

von ernften und großen Fragen (Haffen oder Lieben?; Wir haben damit bereits einige charakteriftifche Typen

Krieg und Krippe; Gebetserhörung ufw.); und die Art der Kriegspredigt beobachtet; andere erfchließen fich uns
diefer Durcharbeitung ift fehr anfprechend. Zuweilen , in kleineren Sammlungen. Sie tragen meift ftärker
begegnet dabei Auseinanderfetzung mit anderen Auf- den Charakter der Zeitpredigt im befonderen Sinn. Aber
faffungen, doch nur, wo fehr bezeichnende Äußerungen auch fie find unter fich recht verfchieden. Bei Eger11
vorliegen (z. B. I, I24f. gegen Traubs Wendung vom find es doch auch Probleme des inneren Lebens, die die
Einswerden mit feinem Schickfal; T. ift übrigens nicht ! Themata geben; nur wählt und behandelt er fie mehr als
mit Namen genannt); immer aber zeigt fich ein ernftes ! allgemeingültige: Göttliches Neuwerden, Das Gebet im
Bemühen, den Fragen bei durchaus praktischer Haltung Namen Jefu, Gott und Wirklichkeit (befonders lefenswert),
auf den Grund zu gehen, und recht glücklich ift öfter die Das Leid als Liebestat ufw. Es waren durchweg geAnlehnung
derartiger Problempredigten an einen beftimm- dankenreiche, tiefgrabende Kriegspredigten, in denen nicht
ten Text. Zuweilen greift ein Satz zu weit; die Wendung | der Krieg felbft, fondern die der Chriftenheit aus ihm
von ,den' Vertretern der Naturwiffenfchaft, die fo oft das j erwachsenden großen Fragen vom Evangelium durch-
Große, was fie leifteten, mißbrauchten (I, 41), würde ich ; leuchtet wurden. — Ungefähr dasfelbe kann man von
einzufchränken raten. Die Kriegsandachten find merklich j den 12 Predigten fagen, mit denen G. Naumann 12 feiner
kürzer als die Predigten; daraus ergeben fich natürlich

auch inhaltliche Unterschiede. Sie Schließen regelmäßig,
was fehr zweckentsprechend ift, mit einem längeren Gebet.
Manchmal find diefe zu lang ausgeführt; (z. B. I, 171);
aber viele enthalten auch recht Schöne Stücke, die fehr
wohl für Kriegsagenden nutzbar gemacht werden könnten.
Alles in allem: man begegnet diefem altgläubigen, aber

8) Oftermann, 2. Hof- u. Schloßpred. Aug.: In deinem Lichte
fehen wir das Licht. Kriegsreden 1914/15. (V, 205 S.) gr. 8». Hannover,
H. Feefche 1915. M. 2.50; geb. M. 3.50

— In der Kraft der Erlöfung. Kriegsreden 1915. Zweite Folge.
(V, 207 S.) 8». Ebd. 1915. M. 2.50; geb. M, 3.50

9) Ihmels, ü. Ludwig: Das Evangelium von Jefus Chriftus in
fchwerer Zeit. 19 Predigten aus dem Kirchenjahr 1914/15 in der Univer-
fitätskirche zu Leipzig geh. (VI, 201 S.) 8". Leipzig, J. C. Hinrichs
1916. M. 2—; geb. M. 3 —

10) Jacobi, Juftus: Worte aus der Zeit der Taten. Zweite Folge
der Kriegspredigten u. Andachten. (85 S ) 8». Potsdam, Stiftungsverlag
1916. M. 1 —

11) Eger, Prof. D. Karl: Sechs Predigten aus dem erften Kriegs-
jahre, geh. im akadem. Gottesdieuft zu Halle a. S. (43 S.) gr. 8».
Halle a. S., M. Niemeyer 1915. M. —80

12) Naumann, Prof. bisher Pfr. D. Gottfr.: Stark in Gott. Predigten
aus der Kriegszeit. 2., erweit. Aufl. (IV, 88 S.) 8°. Leipzig, J. C. Hinrichs
1915. M. 1.20