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Ausgabe:

1916 Nr. 13

Spalte:

296-298

Autor/Hrsg.:

Alivisatos, Hamilcar J.

Titel/Untertitel:

Die kirchliche Gesetzgebung des Kaisers Justinian I 1916

Rezensent:

Meyer, Philipp

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Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 13.

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captivitate gekürzt ift. Neu wieder ift die Mitteilung des , Sendbrief
vom Dolmetfchen', von Stücken aus Melanckthons loci, aus Luthers litur-
gifchen Reformen. Auch die Quellen zu Zwingli find ftark erweitert
(beim modernifierten Zwingli-Lied fehlt die Quellenangabe), umgekehrt
ift der ganze Text der Augustana weggefallen, hingegen werden Quellen
zur Verlefung derfelben geboten, fowie der Augsburger Reichstags-
abfchied. Neue Quellenftücke zur Gefchichte der Jahre 1540—1546
werden abgedruckt, zu Calvins Leben, feinem Streite mit Servet, aus dem
Heidelberger Katechismus, zur Gefchichte Loyolas, über den Urfprung
des Pietismus, aus Gottfried Arnolds ,Kirchen- und Ketzerhistorie', zu
Zinzendorf und Hippel, aus Spinoza, Leibniz und Wolff, Abraham a
S. Clara, den Wolfenbütteler ,Fragmenten', Leffing, Rouffeau, Friedrich
d. Gr., Kant, Fichte, Schleiermacher, Novalis. Sehr ftark ift die Neuzeit
bereichert, die einzelnen Richtungen und Gruppen kommen zum
Wort in ihren Programmen, auch das ,Irrlehregefetz' fehlt nicht, ebenfo-
wenig die wichtigften Verfügungen Pius X. Endlich find noch eine
Zeittafel und ein gutes Regifter beigegeben. — Elifabeth Fry ift doch
hoffentlich nicht als Engländerin jetzt verfchwunden f

Zürich. Walther Köhler.

Meyer, Priv.-Doz. Dr. Hans: Gefchichte der Lehre von den
Keimkräften von der Stoa bis zum Ausgang der
Patriftik nach den Quellen dargeftellt. (V, 229 S.)
8°. Bonn, P. Hanftein 1914. M. 4.50

Die Arbeit ift aus der Abficht einer Behandlung
der Entwicklungslehre des Auguftin erwachten. Diefer
nimmt deshalb auch faft den gleichen Raum ein wie alle
feine Vorgänger zufammengenommen. Von ihnen flehen
an erfter und grundlegender Stelle die Stoiker. Zu den
Fortbildnern der ftoifchen Gedanken werden Philo, die
Neupythagoreer, Plutarch und die Neuplatoniker auf
griechifchem, Juftin, Clemens, Origenes, Gregor und Auguftin
auf dem Boden der Patriftik gezählt.

Aus der mehr oder minder eingehenden Darftellung
ihrer Lehren fpringt jeweils das Problem der Xöyot
OJcsQ/iarixol heraus, deren eigentümliche Auffaffung bei
den einzelnen — ihre Wandlung von körperlicher zu
unkörperlicher Auffaffung und fchließlich zu Produkten
der göttlichen Schöpferkraft, ihr Übergang vom kosmo-
logifchen auf das geiftig-fittliche Gebiet bei Juftin, ihre
Einfchränkung auf den Menfchen bei Origenes, ihre erneuerte
Verwendung auf weiterem Gebiete bei Gregor
und Auguftin ufw. — auf diefe Weife einen umfaffenderen
Hintergrund erhält und auch genetifch verfolgt wird.
Ich hebe daraus befonders die Abhängigkeit Auguftins
von dem römifchen Neuplatoniker C. Marius Victorinus
hervor (212 ff.).

Nun macht aber der Verfaffer felbft darauf auf-
merkfam, daß der Begriff des Xöyog 6x£Q[JctTixbg bei
Philo feiten auftritt, bei Plutarch ganz fehlt und Cicero
fogar die ftoifche Definition der Natur wörtlich wiederholt
, aber ohne den Zufatz EfjJiEQiEiXtjcpbg oiävxag xovg
OJCEQfiarixoiig Xoyovg.

Ich hätte gewünfcht, daß ihn diefe Beobachtung
auf die Unterfuchung der Frage geführt hätte, wo und
aus welchen Gründen diefer Begriff dann überhaupt zum
erften Male auftritt. Die Mitteilungen Späterer ohne
weiteres auf ,die Stoa' zu übertragen, geht doch ange-
fichts fundamentaler Differenzen fogar fchon zwifchen
den älteften Stoikern nicht an. Und bei Zeno fcheint
der Begriff noch nicht exiftiert zu haben. Denn das Zitat
aus Sext. E. IX 103 auf S. 15, ift nicht beweifend, weil
es nur die Interpretation des Sextus enthält.

Es wäre angenehm gewefen, wenn der Verl. die
Fragmente möglichft alle nach Arnim zitiert hätte. Das
Heraklit-Zitat S. i82 ift, fo wie er es gibt, finnlos. Diels
hat fchon die richtige Lesart. Der Raum verbietet es
mir, auf weitere Einzelheiten einzugehen. Ich hätte fonft
an den überleitenden Bemerkungen über die ausgehende
Antike auf S. 25 manches auszufetzen. Aber fie haben
für die ganze Arbeit keine allzu große Bedeutung und
können darum den Wert der im übrigen intereflanten
und forgfältigen Ausführungen nicht fchmälern.

Königsberg. Goedeckemeyer.

| Alivifatos, Dr. Hamilcar J.: Die kirchliche Geletzgebung
des Kaifers Juftinian I. (Neue Studien zur Gefchichte
der Theologie und der Kirche 17.) (VIII, 133 S.) gr. 8°.
Berlin, Trowitzfch & Sohn 1913. M. 5.60

Eine Ausführung des Themas ift jedenfalls erwünfcht,
' denn Ausführliches ift noch nicht darüber gefchrieben.
! Und eine bedeutende Stelle in der kirchlichen Gefetz-
| gebung nimmt diefer Kaifer jedenfalls ein. Für den Ver-
: faffer hatte die Arbeit noch einen praktifchen Zweck. Er
wollte oder will mit den Ergebniffen feiner Arbeit die
heutige kirchliche Verfaffung der griechifchen Kirche vergleichen
. Inzwifchen hat er die praktifche Reformarbeit,
deren Einleitung diefe Schrift ift, begonnen. Seine Auf-
fehen erregenden Auffätze in einzelnen hervorragenden
griechifchen Zeitungen haben ihrerfeits zu dem kirchlichen
Reformverfuch mitgeholfen, als deren letztes Ergebnis aus
dem Jahre 1915 eine Reihe von kirchlichen Gefetzentwürfen
zur Änderung der Kirchenverfaffung in Hellas vorliegt,
über die ich hoffe demnächft berichten zu können.

Ob es in der Einleitung des vorliegenden Buches nötig
war, auch das Leben Juftinians zu behandeln, ift wiffen-
fchaftlich recht zweifelhaft. Für griechifche Lefer, — denn
das Buch ift ja auch griechifch erfchienen — war dies gewiß
wünfchenswert, ebenfo die Angabe feiner theologifchen
Schriften und feiner theologifchen Lehren, denn für den
Verfaffer kam es darauf an, des Kaifers Orthodoxie als
makellos darzuftellen, da fie mit der Bedeutung der kirchlichen
Gefetzgebung genau zufammenhängt. Für die byzan-
tinifche Zeit mußte ja jeder Kaifer auch Theolog fein, wie
heute ein Regierender auch militärifch gebildet. Staat
und Kirche waren damals fo ineinander gelügt, daß die Betätigung
auf dem einen oder anderen Gebiet nur dem
Spiel auf einem von den beiden Griftbrettern derfelben
Orgel glich. Von diefem Gefichtspunkt aus kann man die
vielleicht etwas zu pofitiven Auslagen des Verfaflers über
j die Orthodoxie und die perfönliche Frömmigkeit des Kaifers
wohl etwas mildern. Die Orthodoxie wird fich fchon
gegen den erhobenen Vorwurf der Zugehörigkeit zu den
Aphthartodoketen nicht leicht halten laffen. Nicht fub-
jektiv dagegen beeinflußt ift die eigentliche Ausführung
der kirchlichen Gefetzgebung Juftinians, die den Stoff in
den zwei Beziehungen auf die inneren und die äußeren
Angelegenheiten der Kirche behandelt. Der Einteilungsgrund
ift allerdings fo fehr aus dem naturrechtlichen
Kirchenrecht des Weftens hergenommen, daß er kaum
für die orthodoxe Kirche fleh eignet. Für den Verfaffer
gehört das Mönchtum z. B. zu den äußeren Angelegenheiten
der Kirche. Schwerlich wäre der heilige Bafilius,
der Kaifer Juftinian und die großen griechifchen Klofter-
gründer damit einverftanden gewefen. Bei dem Mönchtum
hätte ich auch gern gefehen, der Verfaffer wäre auf
die Stellung des Kaifers zu den Lauren alter Art eingegangen
, wie ich die Frage in meinen .Haupturkunden über
die Athosklöfter' S. uff. verflicht habe zu beantworten.
Im Ganzen aber muß man dem Verfaffer das Zeugnis
geben, daß er mit großem Fleiß, klarer Genauigkeit
und fchöner Überfichtigkeit die kirchliche Gefetzgebung
des berühmten Kaifers dargeftellt hat.

Hannover. Ph. Meyer.

Frenzel, DD. Otto: Zur katechetifchen Unterweifung im Zeitalter
der Reformation und Orthodoxie. (60 S.) gr. 8°.

Leipzig, J. C. Hinrichs 1915. M. 2.20

Es ift zweifellos ein verdienftlicb.es Unternehmen, über
die katechetifche Unterweifung im Zeitalter der Reformation
und Orthodoxie eine zufammenfaffende Darfteilung
zu geben, zumal wenn, wie in vorliegender Arbeit ge-
fchieht, nicht fo fehr auf die bibliographifche Seite der
Aufgabe, als vielmehr auf das pädagogifche und theologifche
Intereffe, das eine folche Unterfuchung in Anfpruch
nehmen darf, das Augenmerk gerichtet wird. Frenzel