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Ausgabe:

1916 Nr. 13

Spalte:

294-295

Autor/Hrsg.:

Rinn, H.

Titel/Untertitel:

Kirchengeschichtliches Lesebuch. Große Ausgabe. 3., verm. u. verb. Aufl 1916

Rezensent:

Köhler, Walther

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Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 13.

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zu reden, Augen hat und fie brauchen darf, oder nicht:
9,1, 10,18 und 13,30. An allen drei Stellen enttäufcht
v. V. Doch bekennt er wenigftens ehrlich feine dogma-
tifche Gebundenheit: er ift nicht imftande, einen Irrtum
bei Jefus anzunehmen (fo zu 9,1 und 13,30). Natürlich
lehnt es Jefus auch in 10,18 keineswegs ab, gut zu heißen.
Die Unbefangenheit feines Lehrers Beijon befitzt v. V.
leider nicht mehr. — Viel Gewicht legt der Verf. auf feine
Auffaffung, daß der Prädeftinationsgedanke in Mk. 4
fchärfer zum Ausdruck komme( als in Mt. 13: Mk. ift
mehr 'gereformeerd', Mt. mehr 'ethifch'. Ich kann dies
nicht zugeben. Wenn auch Mt 13 ort für iva Mk. 4,12
hat, fo fehlt andrerfeits bei Mk. die ausdrückliche Ver-
ficherung ixeivoig ös ov öeöotaiMt. 13,11. — Es ift nur
halb richtig, wenn v. V. zu 11,22 konftatiert, daß das
Gottvertrauen im Evangelium nur hier vorkomme — die
Sache ift doch auch anderswo betont z. B. Mt. 6,25 fr.
10,29—3U auch die 'Modernen' fitzen ,im Evangelium'.

Noch einige Kleinigkeiten: wenn v. V. richtig angibt, daß hier und
da Worte oder Verfe des textus receptus geftrichen werden muffen, fo hätte
er zufügen follen, daß die Ergänzungen zumeift aus anderen Evangelien
flammen z. B. Ii, 26 aus Mt. 6, 15, 15,28 aus Lk. 22,37. Der Spruch
von den tiq&toi — i'ayaxoi 10,31 muß m. E. bei Mk. auf die fozialc
Umkehr, die das Gottesieich bringt, bezogen werden; v. V. trägt die
Deutung das Mt. vor. Die Bemerkung über die Sadduzäer und Hero-
dianer zu 12, 18 bezieht fich wohl auf Mt. 16,6, ift dann aber ungenau.
Zu 14,27 hätte bemerkt werden muffen, daß das Zitat von LXX abweicht
. Am Ende hätte auch der neugefundene Mk.-fchluß Erwähnung
verdient.

Leiden. Hans Windifch.

Fonck, Leopoldus, S. ].: Documenta ad Pontificiam Com-
missionem de Re Biblica spectantia. Ex mandato eius-
dem commissionis collegit et edidit F. [Aus: ,Documenta
ecclesiastica rem biblicam spectantia'.] (48 S.)
gr. 8°. Rom, Bretfchneider 1915. L. —50

Als Sonderausgabe aus einem geplanten größeren
Werk über alle die Bibelfrage betreffenden kirchlichen
Verordnungen gibt der Jefuit Fonck im Auftrag der
päpftlichen Bibelkommiffion hier die diefe Kommiffion
betreffenden Dokumente — 6 päpftliche Erlaffe und 12
von der Kommiffion in den erften 10 Jahren ihres Be-
ftehens 1905 —1914 ausgegangene Entfcheidungen. Die
Kommiffion wurde von Leo XIII. begründet durch die
Konftitution Vigilantiae, vom 30. Okt. 1902; Pius X.
gab ihr durch die Konftitution Scripturae Sanctae
vom 23. Febr. 1904 das Recht, akademifche Grade zu
verleihen, erklärte in einem Motu proprio Praestantia
Scripturae Sacrae vom 18. Nov. 1907 ihre Entfcheidungen
für verbindlich und fetzte durch ein gleiches
Illibatae vom 29. Juni 1910 den Promotionseid feft, der
fehr beftimmt die Unterwerfung unter die Entfcheidungen
der Kommiffion ausfpricht. Die Promotionsordnung vom
12. Jan. und 24. Mai 1911 fieht zwei Grade, prolytatus
und doctoratus voraus, beide nur für Priefter zu erlangen
, die bereits den Doktor theol. erworben haben.
Die ganze Einrichtung, von Leo XIII. geplant als ein
Mittel, katholifche Bibelftudien anzuregen und von der
proteftantifchen Forfchung unabhängig zu machen, ift
unter Pius X. eine Waffe im Kampf gegen den Modernismus
, ein Mittel der Zentralifation der Ausbildung des
Klerus in Rom geworden: aus den Doktoranden des
Bibelinftituts follen die künftigen Profefforen der Exegefe
an den bifchöflichen Seminaren aller Länder hervorgehen
. — Die Entfcheidungen der Kommiffion, die fich
11. a. mit der mofaifchen Authentie des Pentateuch, der
davidifchen des Pfalters, mit der Echtheit und Glaubwürdigkeit
der vier Evangelien, der Apoftelgefchichte,
der Paftoralbriefe und des Hebräerbriefs befaffen, und
dabei auf Einzelfragen, wie die Herkunft des Magni-
ficat von Maria (janicht von Elifabethl) eingehen, ftellen
einen Begriff von Forfchung auf, mit dem kein wiffen-
fchaftlicher Forfcher der Gegenwart fich wird zurechtfinden
können: nur über ganz untergeordnete Fragen
wird die Diskuffion freigegeben, nachdem alle Hauptfachen
autoritativ feftgelegt find. Wie lange man damit
noch wird auskommen können?

Halle a. S. von Dobfchütz.

Rinn, Prof. Dr. H., u. Pfr. Lic. J. Jüngft: Kirchengefchicht-
liches Lefebuch. Große Ausg. 3., verm. u. verb. Aufl.
(XV, 430 S.) gr. 8". Tübingen, J. C. B.Mohr 1915.

M. 6—; geb. M. 7 —

Es ift fehr erfreulich, daß diefes kirchengefchichtliche
Lefebuch, deffen erfte Auflage 1904 erfchien, jetzt fchon
zum dritten Male neu herausgegeben werden kann. Und
zwar in ftarker Erweiterung gegenüber der zweiten Auflage
. Zahlreiche neue Stücke find eingefügt, vielfach Um-
ftellungen vorgenommen, und wenigftens als Grundfatz
war beabfichtigt, den verbindenden Text zwifchen den
einzelnen Abfchnitten zu erfetzen durch Quellenftücke;
ganz war das freilich unmöglich, verbindender Text ift
noch da (fchadet auch nicht), nur jetzt in die Anmerkungen
verwiefen, die reichlicher auftreten als ehedem
und mancherlei Erläuterungen und Ergänzungen bieten.
Gekürzt ift da, wo auf das ,dogmengefchichtliche Lefebuch
' verwiefen werden konnte; die zur Überfetzung benutzten
Ausgaben find jetzt angegeben, ,um Studenten
und andern, die die überfetzten Stellen mit dem Urtext
vergleichen oder die betr. Schrift weiter lefen wollen, dies
zu erleichtern'. Das ift gewiß fehr dankenswert, aber ob
viele Studenten davon Gebrauch machen werden? Zu
wünfchen wäre es, aber ich glaube, wir dürfen zufrieden
fein, wenn fie den im Lefebuch dargebotenen Stoff gründlich
durcharbeiten; er kann und wird ihnen dann in Verbindung
mit dem Kollegheft ein gutes Verftändnis der
Kirchengefchichte ermöglichen. Nebenbei bemerkt, es
empfiehlt fich auch die Lektüre einzelner Stücke aus dem
Lefebuche in der Vorlefung felbft durch den Dozenten,
die Studenten find dafür fehr dankbar. Alles in Allem,
das kirchengefchichtliche Lefebuch ift eine fehr erfreuliche
Bereicherung der kirchenhiftorifchen Literatur. Erwähnt
feien noch die verfchiedenen Hinweife auf Bearbeitung
des kirchenhiftorifchen Stoffes in der deutfchen Literatur-
gefchichte; fie werden namentlich in den Schulen genutzt
werden.

Die wichtigften Änderungen find folgende: In der alten K. G. ift
Irenaeus III 2, 2 das bekannte ,ad hanc enira ecclesiam necesse est
convenire etc.' jetzt wiedergegeben: ,nach diefer Kirche . . . muß fich
richten'; die Gefährdung des Chriftentums durch den Manichäismus ift
vor die Gefährdung der Einheit der Kirche durch Novatianismus und
Ketzertaufftreit geftellt; neu mitgeteilt (in Anm.) ift Text und Erläuterung
des Spottcrucifixes; ftatt .chriftliche' Gnofis ift (beffer) .kirchliche' Gnofis
(für die Alexandriner) gefetzt. Neu mitgeteilt (in Anm.) ift Material zum
Primatsanfpruche Leos I., ferner Hymnen aus dem 4. Jahrhundert, ein
Stück aus Hieronymus adv. Jovinianum, aus der vita Severiui; ftark
erweitert ift das Material zu Auguftin; neu das zu Juftinian und zum
Islam. In der mittelalterlichen K. G. ift neu mitgeteilt der Eid des
Bonifatius, Material zu den fächfifchen Kaifern und Bifchöfen, zur Trennung
der morgen- und abendländifchen Kirche, der ontologifche Beweis
Anfelms, Material zu Bernhard v. Clairvaux, zwei Hymnen, darunter das
Salve caput cruentatura, die Schenkungsurkunde Friedrichs II. an den
deutfchen Orden, Stücke aus der Regel und den Gefetzen der Deutfehherren
, die Beftimmung des Laterankonzils II79 über die Papftwahl,
Gedichte Walthers von der Vogelweide, Stücke aus der legenda trium
sociorum, der Bericht des Thomas v. Celano über die Stigmatifation des
h. Franz und fein Teftament, der Sonnengefang und Hymnen des Thomas
v. Celano und Jacobus de Benediktis, Stücke aus der Summa des Thomas
v. Aquino, desgl. aus dem Opus Oxoniense des Duns Scotus, desgl.
aus den Verhandlungen des Basler Konzils, aus den Predigten Taulers.
In der Reformationsgefchichte ift die quellenmäßige Lutherbiographie
durch einige neue Auszüge bereichert (NB.: zu S. 183 Anm. 1
dem bekannten Berichte von Luthers Sohne Paul über des Vaters Erlebnis
auf der Scala Santa hätte der von Buchwald ZKG mitgeteilte Ab~
fchnitt aus Luthers Predigten gefetzt werden müffen), aus der Römer-
briefvorlefung wird Verfchiedenes geboten; an ftelle der jetzt eingetretenen
Verdeutfchung .Sprüche Martin Luthers vom Ablaß' wollen wir
aber doch lieber wieder wie ehedem .Luthers Thefen' fetzen, demi fo
find fie allgemein bekannt. Mit Recht ift aus der Schrift ,an den chrifl-
lichen Adel' ein größerer Abfchnitt mitgeteilt, während der aus de

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