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Ausgabe:

1916 Nr. 12

Spalte:

278-279

Autor/Hrsg.:

Buchenau, Arthur

Titel/Untertitel:

Kants Lehre vom kategorischen Imperativ 1916

Rezensent:

Jordan, Bruno

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Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 12.

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wir können es ihm nicht nachempfinden! Das macht
ihn zum Vorklaffiker. So forgfältig der Verf. die P. G.Literatur
verfolgt hat, fo ift ihm doch an feinem damaligen
Wohnort Gartz a. O. mein Auffatz über Johann Heinzelmann
und P. G. im Jahrb. f. Brandenb. K. G. VII/VIII,
1 ff. entgangen. Er hätte fonft dem Berliner dichterifchen
Freundeskreis P. G.s ein neues Glied hinzufügen und die
Gelegenheitsgedichte unferes Dichters um ein bisher unbekanntes
Stück vermehren können. —

Aellens Studie berührt fich mit zwei Kapiteln
des P.fchen Buches: auch er fragt nach den Quellen
Gerhardtfcher Lieder in der älteren oder zeitgenöffifchen
geiftlichen Poefie. Bei einer Reihe feiner Lieder weift er
Anklänge und Berührungen nach. Es wird aber fchwer
zu entfcheiden fein, ob es fich um bewußte Anlehnungen
oder nur um jenes ,dichterifche Gedächtnis' handelt, das
zahllofe Reminifzenzen aus den Liedern Anderer bewahrt.
Manche Verwandtfchaften, z. B. in Morgen- und Abendliedern
, laffen fich auch lediglich aus der Gleichartigkeit
der Empfindungen und Bitten erklären, die fich
aus der Situation ergeben. Die Grundgedanken waren
zudem im Katechismus durch Morgen- u. Abendfegen
feftgelegt. Und wenn die ,güldnen' Sterne Zeichen von
Abhängigkeit fein follen, fo müßte diefe auf Ovid zurückdatiert
werden. Auch wenn zwei Dichter die fchöne
Sommerszeit in Garten, Feld und Wald ausmalen, werden
fich viele Ähnlichkeiten von felbft einftellen. — Die
weiteren Unterfuchungen über G.s Stil find höchft dankenswert
, vonPetrich auch verwertet und mannigfach erweitert.
Mich haben befonders die Nachweifungen über die Häufung
finnverwandter Ausdrücke intereffiert Die Unter-
fuchung diefer Eigentümlichkeit müßte allerdings auf
fehr viel breiterer Unterlage geführt werden. Es handelt
fich um den Einfluß der Predigt- und Erbauungsfprache
auf die geiftliche Poefie. Ich habe einmal Teile der
Lutherfchen Kirchenpoftille auf diefe Verdoppelungen
und Verdreifachungen durchgefehen und fand fie in Hülle
und Fülle. Die Predigt ift die Redeform, in der die
Verdoppelung der Gedanken wie die der Worte befonders
üppig im Intereffe der Fülle des Ausdrucks zur Entfaltung
kommt. Wieviel von folchen Wendungen bei G.
längft ausgemünztes Gut der Erbauungsfprache ift, wäre
ohne umfängliche Vorarbeiten auf diefem Gebiet nicht
zu entfcheiden. Jedenfalls verdienen Aellens Nachweifungen
diefer und anderer Erfcheinungen des G.fchen
Stils Beachtung und Anerkennung.

Berlin. G. Kawerau.

Fleifcher's (H. L.) Briefe an Haßler aus den J. 1823—
1870. Nach den Ulmer Originalen hrsg. u. m. An-
merkgn. verfehen v. C. F. Seybold. (Univ. Tübingen,
Doktoren-Verzeichnis der philof. Fakultät 1909.) (XI,
78 S. m. Bildnis u. Unterfchriftfakf. Fleifchers v. 1870.)
Lex. 8°. Tübingen, J. C. B. Mohr 1914. M. 4 —

Einen Blick in die idyllifche Welt des Beginns der
orientalifchen Studien im Abendlande vor ca. 100 Jahren
gewähren die Briefe Fleifchers, des Altmeifters der Ara-
biftik in Deutfchland, an Haßler. Ein reger Verkehr
beftand damals zwifchen Deutfchland, Paris, London und
Petersburg. Paris bildete damals mit de Sacy die Zentrale,
als Fleifcher fchreiben konnte, daß fein Herz nach einer
Anftellung dort ,mehr verlangt als nach einer Profeffur
an einer deutfchen, von Gott und denMenfchen verlaffenen
Univerfität'. Wie fehr hat fich feitdem das Blatt zu Gunften
Deutfchlands geändert! Daß unfer Vaterland auch fernerhin
in den orientalifchen Studien die Führung behalten
wird, ift aus dem ftarken Anwachfen des Intereffes für
den Orient zu erhoffen. — Aus jeder Zeile der Briefe
fpricht das echt deutfche, warme Gemüt F.'s — ,was das
Herz anlangt, da nehme ichs mit einem jeden auf — aber
äuch die fcharfe Beobachtungsgabe, die ihn die Hohlheit |

| der franzöfifchen Kultur in Paris (von ihm die alte baby-
lonifche Hure und die Dreckftadt genannt) recht bald
erkennen läßt. .Espriff gilt dort alles, ,das Herz garnichts'
,wo man die Tugend zu einer wächlernen Nafe gemacht
hat'. Scharf und auch für heutige franzöfifche Verhält-
niffe vielfach treffend fchildert er einen Typus der Parifer
Salonwelt: .unwiffend wie ein Hottentotte, gefchwätzig wie
eine Elfter und dummdreift wie ein Renomift'. .Freund,
fo fchrieb er 1826, es wird einem wunderlich zu Mute,
wenn man in das Leben diefer Menfchen hineinblickt,
hinunterfchaut in diefe übertünchten Gräber'. Die Brief-
fammlung fchließt mit einem Anklänge an die glorreichen
Kämpfe von 1870. Nicht nur die Orientalinnen fondern
alle für die Entwicklung der Wiffenfchaften im letzten
Jahrhundert Intereffierten werden diefe Briefe mit Freude
lefen, um einen Begriff von den nicht leichten Kämpfen
der entftehenden Orientaliftik in unferm Vaterlande zu
gewinnen. Nur durch einen überzeugten Idealismus wie
den Fleifchers, der bereit ift, alles in die Schranken zu
fchlagen, konnten fo große Erfolge wie die feinigen erzielt
werden.

Bonn. M. Horten.

Wright, Willard Huntington: What Nietz[che taught. (333 S.)

8°. New York, B. W. Huebfch 1915. $ 2 —

Foerfter-Nietzlche, Elifabeth: Wagner und Nietzlche zur
Zeit ihrer Freundlchaft. Erinnerungsgabe zu Friedrich
Nietzfches 70. Geburtstag, den 15. Oktober 1914. Mit
4 Bildbeigaben. (VII, 289 S.) 8°. München, G. Müller
1915. M. 3.50; geb. M. 4.50; Luxusausg. M. 16 —

Wright bietet in feinem recht gut gefchriebenen und
überfichtlichem Buche ein Bild Nietzfches, wie wir es im
Ganzen aus der deutfchen Literatur kennen. Die Arbeit
will als Einführung verftanden fein. Als folche ift das
Buch gefchickt zufammengeftellt und auch manch eigene
Auffaffung kommt zur Geltung. Überall fpürt man aber
die Gefühlszufammenhänge mit jener amerikanifch-eng-
lifchen Art, diefen Philofophen zu verftehen.

Elifabeth Foerfter-Nietzfche widmet dem Gedächtnis
ihres Bruders zum 70. Geburtstag ein Erinnerungsbuch,
innigen und wehmütigen Angedenkens voll: eine Sammlung
von unbekannten und bekannten Dokumenten aus
der Zeit, da Richard Wagner und Friedrich Nietzfche noch
zufammengingen. Daraus ift ein liebenswürdiges Buch
geworden mit Beiträgen, die von menfchlichen Beziehungen
handeln, von Tagen des Vertrauens, der Heiterkeit oder
wie Nietzfche felbft fagte: ,von Tagen der fublimen Zufälle
und der tiefen Augenblicke' .... Der Anfang und
das Abblühen einer großen Freundfchaft von zwei großen
I Menfchen — das ift diefes Gedenkbuch. Was wir aus
dem Leben Nietzfches über diefe Zeit wiffen, ift hier bis
in die Einzelheiten erzählt und mit intereffantem, vielfach
neuen Briefmaterial belegt. Auch der Nietzfchekenner
findet viel Neues. Die Darftellung der Verfafferin wirkt
maßvoll und verrät Takt und Wärme. Nirgendwo drängt
fich Polemifches vor. Nietzfches feiner Kopf hebt fich
ftill aus diefen Erinnerungen heraus, feine rührende Be-
fcheidenheit, Gemütskraft und vornehme Anmut gibt
Briefen und Worten den Glanz edeln Menfchentums, und
auch Richard Wagners Bild ift in diefem Buch fo fchlicht
und gehaltvoll, daß man es als menfchliche Erfcheinung
nicht leicht vergißt. Man lieft es mit Spannung und
glaubt, den Roman eines Dichters gelefen zu haben, da
man am Schluß zu dem Worte Nietzfches kommt: ,Wir
waren Freunde und find uns fremd geworden'.

Wien. Franz Strunz.

Buchenau, Dr. Art.: Kants Lehre vom kategorilchen Imperativ
. Eine Einführg. in die Grundfragen der Kantifchen