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Ausgabe:

1916 Nr. 11

Spalte:

246

Autor/Hrsg.:

Lidzbarski, Mark

Titel/Untertitel:

Das Johannesbuch der Mandäer. 2. Teil 1916

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 11.

246

nur gilt Mt. 11,27 wenigftens zum Teil als echt und die
Seligpreifung des Petrus Mt. 16,17 als ein .durch feinen
Inhalt beglaubigtes Wort'; fondern man lieft auch, daß
die Verfuchungsgefchichte ,eine Erzählung Jefu ift; im
Hebräerevangelium hatte fie noch (!?) diefe Geftalt'. Und 1
Jofeph von Arimathäa hatte aus Treue gegen das Gefetz
für ,die Abnahme des Verbrechers vom Kreuz' geforgt;
„aber bei der jüdifchen Hochfehätzung des Familiengrabes
wurde die Leiche eines Gottesläfterers hier nicht
auf die Dauer geduldet".

Im zweiten Kapitel wirkt die lebendige Darftellung
jüdifcher Gefetzesinterpretation befonders anregend; im
Intereffe der Lefer wären entfprechende Mifchna-Zitate
im Anhang zu wünfehen. Das erfte Kapitel will die
Stellung des Chriftentums in der Gefchichte und feine
Wirkung innerhalb unferer Kultur würdigen — ein großes,
bei der gebotenen Befchränkung des Raumes kaum erreichbares
Ziel! Im allgemeinen wird das Chriftentum
hier und am Ende des Buches meinem Gefühl nach zu
einfeitig als Kulturfaktor, als die Botfchaft vom .Helfen
und Fördern' dargeftellt, übrigens in fehr anziehender,
pädagogifch mufterhafter Weife. Es fehlt das über-
kulturelle Element, das zum Kriterium jeder Kultur werden
kann, löov nXslov EoXoficövog (66s.

Heidelberg. Martin Dibelius.

Bees, Dr. phil. Nikos A.: Verzeichnis der griechiiehen Hand-
(chriflen des peloponnefifchen Klofters Wega Spilaeon. Bd. I.

(XVI, 140 S.) 4°. Leipzig, Kommiffionsverlag von
O. Harraffowitz 1915. M. 10 —

Auch mit griechifchem Titel:
KaxaXoyog xeov EXXrjvixcov xsiyoyQcupcov xcoöixcov xtjg
sp IJsZoJiopptjOm yovrjg rov MsyaXov EmjXaiov. sv
A&rjvaig sx rov xvxoyQaspsiov xrg ^Eöxiag K. MatövsQ
xai N, KaQyaöovyr].

Klofter Megafpilaion im Peloponnes, das uns Ed. von
der Goltz in feinen Reifebildern aus dem griechifch-
türkifchen Orient 1902 launig gefchildert hat, gilt als das
bedeutendfte Klofter des Königreichs, die Stätte der Erziehung
für den höheren Klerus. Angeblich ins 4. Jahrhundert
zurückreichend, ift es erft feit dem 14. Jahrh.
gut bezeugt. Ein Brand von 1639 hat die älteren Be-
ftände faft zerftört. Die jetzige Bibliothek ift großenteils
aus den mit Rumänien in Verbindung flehenden Metochien
Blach Saragi in Konftantinopel und dem Georgsklofter
Karepe auf der Antigonos-Infel zu Chalkedon gekommen.
Bemerkenswert find die vielen weltlichen Beziehungen:
ein griechifches Tetraevangelion des 11. Jahrhunderts ift
1598 in Venedig gekauft; wir treffen unter den 172 von
Bees befchriebenen Handfchriften zahlreiche mittel- und
neu-griechifche Überfetzungen aus dem Lateinifchen und
Italienifchen: fo Auguftin und Thomas Aquinas, überfetzt
von Demetrios Kydones (43.107), Joh. de Capiftrano's
Sendbrief an alle Chriften von 1456 (79), eine auf Aristoteles
aufgebaute Ethik des Turiner Emanuel Tefauro
(1670), überfetzt 1717 zu Bukareft von Demetrios Notaras
(1001, die Cosmografia des Giov. Coronelli, überfetzt von
Manuel (82.83), das Theatrum politicum des Ambr. Mar-
liani aus Pavia (99), John Barclays Argenis (65), eine
italienifche Homiletik, überfetzt von Georgios Sougdoure
(77), wohl ein Collegheft 1678 zu Padua entftanden. Als
Einband findet fich ein lateinifches Mifiale mit Noten
verwendet (51).

Merkwürdig ift, daß fich in der Bibliothek eines
folchen Klofters neben 12 Handfchriften des Tetraevangelion
, von denen eine bis in das 10. Jahrhundert zurückreicht
, und 2 des Apoftolos, 17 Evangelien- und 1 Apoftel-
Lectionaren keine vollftändige Handfchrift des ATs zu
finden fcheint: ein Oktateuch (68), mehrere Pfalter in
Neugriec hifch (52 von dem Kreter Porphyrios, 123 von

Athanafios, 171) fowie die Umdichtung des Apolinarios
(51), Athanafios' Pfalmenkommentar (49 v. J. 1693),
Schriften über das Hexaemeron (71), altteftamentliche
Lektionen (135), Jefus Sirach (79 zwifchen außerbiblifcher
Literatur) find alles, was vorhanden ift. Am meiften
Raum nimmt natürlich Liturgifches und daneben, das
verdient Beachtung, Kirchenrechtliches ein.

Auf anderes kommen wir bei Befprechung des hoffentlich
bald erfcheinenden 2. Teils zurück, bei dem wohl
vollftändige Regifter zu erwarten find. Die Befchreibung
ift befonders inbezug auf Äußeres und Beiwerk fehr genau.
In bibliographifchen Nachweifen könnte noch etwas mehr
gefchehen, z. T. unter Heranziehung von Legrands
Bibliographie Hellenique 1885fr., und Philipp Meyer, Theologifche
Literatur der griech. Kirche im 16. Jahrh. 1899.
Jedenfalls ift die Veröffentlichung diefes Katalogs durch
Dr. Bees, jetzt trotz der erfchwerten Lage, fehr dankenswert
. Der Verf. stellt einen 3 bändigen Katalog der Me-
teonenklöfter und ein Verzeichnis der Kataloge griechischer
Handfchriften im Orient in Ausficht. Ich möchte
bei diefer Gelegenheit der Hoffnung Ausdruck geben,
daß es gelinge, nach dem Kriege auch den Vieles ver-
fprechenden großen Katalog der Lawra vom Berge
Athos, den der ermordete Pater Chryfoftomos hinter
laffen hat, der Öffentlichkeit durch den Druck zugänglich
zu machen.

Halle a. S. von Dobfchütz.

Lidzbarski, Mark: Das Johannesbuch der Mandäer. 2. Tl.

Einleitung, Überfetzg., Kommentar. (XXXII, 256 S. u.
S. 39—42 in Photolith.) Lex.-8°. Gießen, A. Töpelmann
1915. M. 18 —

In welchem Sinn diefe Kompilation der babylonifchen
Gnoftiker Johannesbuch' heißt, hat der Herausgeber S. Vf.
nachgewiefen. Die Kompilation felbft entfprang höchft
wahrfcheinlich dem apologetifchen Bedürfnis der Selbft-
erhaltung, dem Koran ein geoffenbartes Schriftwerk ent-
gegenzufetzen. .Soweit der Inhalt — er fleht an Viel-
feitigkeit dem umfangreicheren Ginzä nicht nach, ift zu-
fammengewürfelt und läßt jegliches Anordnungsprinzip
vermiffen — Anhaltspunkte für die zeitliche Beftimmung
bietet, weifen fie auf die islamifche Zeit hin und nicht
einmal auf ihre Anfänge. Manche Stücke find ficherlich
älter. Aber bei dem Dunkel, in das die ganze Gefchichte
der Mandäer gehüllt ift, fehlt uns jedes Mittel für chro-
nologifche Beftimmungen, foweit eben nicht auf den Islam
angefpielt wird'. Religionsgefchichtlich läßt fich daher das
Werk nur fehr behutfam verwerten. Der Verfaffer
(S. XVI f.) hat fich vom babylonifchen Urfprung der
mandäifchen Religion nicht überzeugen können (gegen
Keßler); er ift vielmehr (mit Bouffet) der Meinung, daß
fie fchon in ihren Anfängen durch die perfifche Religion
beeinflußt ift; diefe Anfänge fcheinen ihm aber nicht im
Often, fondern im Werten zu liegen: ,Die mandäifche
Religion muß ihre wefentliche Ausbildung bei Juden oder
einer judaifierenden Sekte erhalten haben'. Ich würde
die judaifierende Sekte, zunächft im Werten, betonen
, und auch das tut der Verfaffer (.heterodoxes
Judentum mit heidnifchem Einfchlag im Werten'). Der
Haß und die Verachtung gegen alles Jüdifche, welche
die Mandäer zeigen, kann daran nichts ändern; ihre
Schriften beweifen, daß Jerufalem und Judäa die Ausgangspunkte
find.

Der Verfaffer hat die Texte im Original und in einer
deutfehen Überfetzung veröffentlicht, der ein gründlicher
und gelehrter Kommentar beigegeben ift. Es gehörte
viel Selbftverleugnung dazu, diefe wüfte Kompilation
durchzuarbeiten und ins Licht zu rücken, hinter der
urfprüngliches religiöfes Leben und Denken weit, weit
zurückliegt.

Berlin. A. v. Harnack.

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