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Ausgabe:

1916 Nr. 11

Spalte:

244-245

Autor/Hrsg.:

Holtzmann, Oskar

Titel/Untertitel:

Christus. 2., völlig umgearb. Aufl 1916

Rezensent:

Dibelius, Martin

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Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 11.

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ifcher Forfchungsarbeit, wird fich zweifellos noch eine
ftärkere Konvergenz des fachverftändigen Urteils erzielen
laffen.

Göttingen. Titius.

Die heiligen Schriften des Alten Bundes. Hrsg. v. Prof.
Dr. NivardJoh.Schlögl, O. Cist. IV. Bd. Die prophet.
Bücher. 1. Jesaja. (XXI, 99 u. 43 S.) Fol. Wien, Orion-
Verlag 1915. M. 5 —

Der Überfetzung der Pfalmen ift fehr fchnell die des
Jefaja gefolgt. In dem Vorwort fetzt fich Schi, mit
Jetzingers Kritik der Pfalmen-Überfetzung in tapferer und
feinem Kritiker überlegener Art auseinander. Der eigentlichen
Überfetzung geht eine Einleitung in das Prophetenbuch
vorher, die freilich noch dürftiger als die zu dem
Pfalter ift. Wir erfahren aus ihr, daß Sch. den literar-
kritifchen Anfchauungen völlig ablehnend gegenüberfteht,
er fieht, abgefehen von einzelnen Einfchüben, die fämt-
lichen prophetifchen Reden als Werk des der affyrifchen
Zeit zugehörigen Jefaja an, ein Kuriofum, für das er fich
auf feine proteftantifche Parallele, Paftor Möller, beruft, j
Seine Polemik gegen die kritifche Anfchauung zeigt eine
nur ganz oberflächliche Kenntnis der Gründe der Gegner, j
ihre Widerlegung ift völlig bedeutungslos. Es ift bei
diefer Stellung Sch.'s begreiflich, daß er auch in Beziehung
auf die Kompofition der einzelnen Kapitel ver-
fagt. Nicht beffer wie mit den literar-kritifchen Problemen
fleht es mit den eigentlich exegetifchen: ich verweife
auf feine Ausführungen zu Kap. 7 und der Immanuelfrage, j
hier verführt ihn feine dogmatifch beftimmte Exegefe
auch zu philologifch unrichtigen Behauptungen — ich
erinnere an feine Ausführungen zu niaby und nbiro —
auch fieht er gar nicht, von welchen Schwierigkeiten die j
alte Erklärung des Textes gedrückt ift. Befonders ftark .
tritt feine Unfähigkeit, fich in die Gedankengänge der 1
Schriftfteller einzuleben, bei Deutero- und Tritojefaja her- ;
vor. Hier operiert er durchweg mit dem aus dem j
erften Jefaja entlehnten Meffiasbegriff, der Jef. 40 ff. fo
nicht vorhanden ift, denn nichts berechtigt den 'Ebed
Jahve im Deuterojefaja mit dem Meffias zu identifizieren,
zumal ja doch Korefch mit diefem Epitheton belegt
wird. Vollends ift nicht zu erkennen, was innerhalb des
Zufammenhangs Sch. dazu beftimmt, Jef. 61 ff. den
Meffias als redendes Subj. anzufehen.

Die Überfetzung des Textes ift wie die der Pfalmen
anfprechend und öfter wohl geeignet, in dem Lefer einen
Eindruck von der Kraft des prophetifchen Wortes hervorzurufen
. In philologifcher Hinficht muß Ref. freilich hier
noch öfter als in der Überfetzung der Pfalmen Fragezeichen
machen. Das betrifft fchon die von Sch. öfter
ausgefchiedenen Verfe: ein beträchtlicher Teil diefer Verfe,
die meift aus metrifchen Gründen in der Überfetzung
unberückfichtigt geblieben find, findet fich hernach in
den Anmerkungen überfetzt, andere Verfe oder Versteile
aber find einfach fortgelaffen, ohne daß Sch. es für nötig
gehalten hätte, den Lefer über die Tatfache und ihre
Gründe aufzuklären. Nicht feiten hat das Streben nach
metrifcher Überfetzung Sch. dazu verführt, Eigentümlichkeiten
des Originals zu verwifchen. Das gilt von 3, 2,
wo ppanbE tCS keineswegs Appofition zu "1125 ift, vielmehr
handelt es fich um zwei verfchiedene, durch 1 verbundene
Begriffe; auch die in 3,3 b flehenden charakter- j
iftifchen Ausdrücke laffen fich nicht durch die abge- !
blaßten ,weife und klug' wiedergeben. In 3,9 c will Sch. j
0!T5 aus metrifchen Gründen tilgen, während es doch für
den Sinn unentbehrlich ift. 9,4 überfetzt Sch. ,denn
jedes Schuhwerk der Krieger wird Beute des Feuers
und das blutgetränkte Gewand ein Raub der Flammen',
aber es ift nicht zu fehen, wie er aus dem MT. diefe
Überfetzung gewinnen will. Nicht anders liegt die Sache
59,18, wo Sch. hat: denn der Gott der Vergeltung belohnt
die Tat: Grimm feinen Gegnern, Schmach feinen
Feinden. Der Sinn ift damit getroffen, aber eine Überfetzung
kann man 59,18 a nicht nennen. Für ganz verunglückt
muß ich die Wiedergabe von 1,31 halten:
,Es werde die Eiche zu Werg und das Schnitzbild zu
Funken'. Eine Konjektur findet fich in den Anmerkungen
zu diefem V. nicht, man ift alfo auf MT. gewiefen, der
Tonn u. ibys hat. Das Suff, kann fich nur auf yionfi
beziehen: ift jenes, wie Sch. überfetzt: Eiche, wie kann
dann ibys ihr Schnitzbild fein? Und wie foll man fich
das Bild vorließen, daß die Eiche zum Werg und ihr
Schnitzbild zum Funken wird? In 60,11 hat MT. n^liTJ,
Sch. überfetzt als hätte er D'uVm*, ohne daß in den
Anmerkungen eine Konj. angegeben ift. Da und dort
finden fich auch leichte Verfehen: fo dürften feine Bedenken
gegen die von den meiften gegebene Überf. von
my-lb 7,15 ihre Erledigung durch HS?b Hi 24,14 ni3Bb
"p3 Ex 14,27 finden, jedenfalls wäre nicht tiyib fondern
nyib zu lefen. Unbegründet ift auch feine Meinung, daß
7,23 bp© ausgefallen fei, vgl. G. K § 134 m Ref. fchließt
mit dem Wunfche, daß Sch. den textkritifchen Bemerkungen
, namentlich auch in Bezug auf die alten Über-
fetzungen größere Sorgfalt zuwenden und aus der Überfetzung
ausgefchiedene Beftandteile überall in den Anmerkungen
herausheben möchte.

Straßburg L E. W. Nowack.

Holtzmann, Prof. Dr. Oskar: Chriltus. 2., völlig umgearb.
Aufl. (6.—10. Tauf.). (Wiffenfchaft u. Bildung. 3.) (154S.)
8°. Leipzig, Quelle & Meyer 1914.

M. 1—; geb. M. 1.25

Die zweite Auflage der hier m. W. noch nicht angezeigten
Schrift weift mancherlei Veränderungen auf.
So fällt gleich in dem literaturgefchichtlichen Abfchnitt
eine ausführliche Behandlung des Paulusproblems als
neu auf; während die erfte Auflage betonte ,fchon Paulus
gibt uns ein Bild Jefu', wird die neue Bearbeitung
dem ,Pneumatiker' Paulus gerecht, dem .wenig an ge-
fchichtlicher Überlieferung lag'. Das fechfte Kapitel
„das Evangelium Jefu" zeigt eine neue Anlage; früher
begann H. mit der Botfchaft vom Gottesreich; jetzt
fchildert er zu allererft, wie wenig Jefus durch Gefetz
und heilige Sitte gebunden wird. Das fcheint mir genau
fo einfeitig wie Wernles völlig anders geftimmte Darfteilung
der Bibelfrömmigkeit Jefu. Die Urfache folcher
Differenz bei zwei der Sache Kundigen ift wohl darin
zu fuchen, daß wir wenig grundfätzliche Äußerungen
Jefu über das Gefetz befitzen und daß diefe wenigen,
wie wir teils vermuten, teils fehen, wieder durch den
Gegenfatz zu Antinomismus (Mt. 5, 17 ff.) oder Traditionalismus
(Ehefcheidungs-Gefpräch) beftimmt find. Vielmehr
dürfen wir von einem naiven Gebrauch des Ge-
fetzes durch Jefus reden; mit jener fchöpferifchen Naivität
, mit der fraglofen Gottvertrautheit des Gotteskindes
hat Jefus das Gefetz bejaht und gebraucht, wo es des
Vaters Willen ungebrochen ausdrückte; was ihn in andern
Fällen auch den Bruch mit Gefetz und noch mehr mit
des Gefetzes Auslegung nicht fcheuen läßt, ift diefelbe
Kraft der Gottvertrautheit, als deren Gleichnis Jefus den
Seinen das ungebrochene Vertrauen der Kinder — nur
nicht, wie H. fchreibt, die Lofung: .zurück zur Kindlichkeit
' — vor Augen ftellt.

Geblieben ift dem Buch auch in der neuen Bearbeitung
die Gefamtanlage, die das Evangelium Jefu ge-
fondert von dem nur in wenigen Daten erkennbaren
Ablauf der .Gefchichte Jefu' darftellt und fo die Dar-
ftellung vor manchen Fehlern der Leben Jefu-Bücher
bewahrt. Nur fpricht der Verf. anderfeits wieder proble-
matifche oder höchftens diskutable Vermutungen mit
beträchtlicher und im Hinblick auf den Leferkreis von
.Wiffenfchaft und Bildung' bedenklicher Sicherheit aus: nicht