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Ausgabe:

1916

Spalte:

241-243

Autor/Hrsg.:

Orelli, Conrad von

Titel/Untertitel:

Allgemeine Religionsgeschichte. 2. Aufl 1916

Rezensent:

Titius, Arthur

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf Harnack
Fortgerührt von Professor D. Arthur Titius und Professor Lic. Hermann Schuster

Jährlich 26 Nm. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig Halbjährlich IO Mark

, Manufkripte und gelehrte Mitteilungen find a u s f c h 1 i e ß 1 i c h an r^r-i ■«/r ■

41. Jafirfir. Nr. 11 ProfefforD. Titius in Göttingen, Nikolausberger Weg 66, zu fenden. 27. Mai 1916

~ Rezenfionsexemplare ausfchließlich an den Verlag.

Oreili,Allgemeine Religionsgefchichte. 2. Aufl.
(Titius).

Die heiligen Schriften des Alten Bundes. IV. Bd.
(Nowack).

Holtzmann, Chriftus. 2. Aufl. (M. Dibelius).
Bees, Verzeichnis der griechifchen Handfchrif-

ten des peloponnelifchen Kloflers Mega Spi-

laeon (v. Dobfchütz).
Lidzbarski, Das Johannesbuch der Mandäer

2. TL (v. Harnack).
Gefchichtliche Studien. Albert Hauck zum 70.

Geburtstag (W. Köhler).

Scheel, Martin Luther (Kawerau). | Althaus, Der Friedhof unferer Väter (Eger).

d'Alembert, Einleitung in die franzöfifche
Enzyklopädie v. 1751, herausg. v. Hirfch-
berg (Zfcharnack).

Reinhard, Karl Ludwig v. Haller (Boffert).

Lindner, Weltgefchichte feit der Völkerwanderung
. 8. Bd. (Fickerj.

Bonus, Religion als Wille (Thimme).

Steinmann, Die Frage nach Gott (Thieme).

Erdmann, Kritik der Problemlage in Kants
transzendentaler Deduktion der Kategorien
(Jordan).

Quellenfammlung für das geltende Kirchenrecht,
hrsg. v. Nik. HiUing. 1—3. Heft. (Sehling).
Referate: Harnack, Das Wefen des Chriften-
tums. — Bees, Beiträge zur kirchlichen Geographie
Griechenlands. — Wendland, Die
praktifche Wirkfamkeit Berliner Geiftlicher
im Zeitalter der Aufklärung. — H i 11 y, Was
bedeutet der Menfch? — Hilty, Was ift
Glück ? -Hilty, Vorbedingungen des Chriften-
tums. — Hilty, Jenfeitshofinung.
Wichtige Rezenfionen. — Neuefte Literatur.

Orelli, Prof. DD. Conrad v.: Allgemeine Religionsgefchichte.

2. Aufl. 2 Bde. (VIII, 420 u. VIII, 478 S.) gr. 8°. Bonn,
A. Marcus u. E. Webers Verl. 1911 u. 13. M. 22 —

Über Anlage und Grundcharakter des Werkes hat
früher W. Bouffet in diefer Zeitung berichtet (1900 Sp.
475—63). Die neue Ausgabe hat v. O. noch felbft für
den Druck völlig fertig machen können und hat fie durch
vielfache Änderungen und Ergänzungen, die doch an der
Art des Ganzen nichts ändern und die ich nicht im
Einzelnen aufzähle, auf den heutigen Stand der Forfchung
zu bringen verfucht.

Auch wer nicht alle feine Aufftellungen billigt, wird
anerkennen müffen, daß er durch die Vereinigung um-
faffender Gelehrfamkeit mit ftarker Befchränkung auf das
Wesentliche und mit maßvollem, blendende Hypothefen
fcheuendem Urteil ein Buch zuftande gebracht hat, das
dem Anfänger wertvolle Dienfte leiften kann, das aber
auch dem Mitforfchenden etwas zu bieten hat. Nirgends
fcheut O. davor zurück, feinen pofitiv-theologifchen Maß-
ftab an die gefchichtlichen Erfcheinungen zu legen, überall
aber fieht man auch fein Streben nach gerechter
Würdigung hervortreten.

Übrigens dürfte feine Auffaffung nicht ganz fo einheitlich
fein, als es zunächft den Anfchein hat. Wie er
die alte Einteilung in Semiten, Hamiten (Ägypter, aber
auch Phönizier und Kanaaniter, fowie Gallas und einige
andere afrikanifche Stämme), Japhetiten durch die chine-
fifch-,turanifche' und durch die primitiven Völkergruppen
hat ergänzen müffen, fo ift auch fonft der ftreng bibli-
ziftifche Standpunkt bei ihm mehrfach erweicht. Als berechtigter
(apoftolifcher) Standpunkt gilt ihm (I 299) die
Anerkennung deutlicher Spuren der Offenbarungen des
Einen wahren Gottes in Natur, Gefchichte und Gewiffen',
während ,die einzelnen hiftorifchen Religionen' nur ,als
Verbildungen und Verirrungen der göttlichen Wahrheit
durch Verirrung und Schuld der Menfchen' zu beurteilen
find. Weitherziger und wahrer ift es dagegen, wenn er
auch in der natürlichen Entwicklung der Religion,
in der ,mit der Entwicklung des menfchlichen Geiftes
Hand in Hand gehenden Läuterung der Vorftellungen
und Veredlung der Gebräuche' einen ,göttlichen Faktor',
den ,allen Menfchen eingepflanzten Gottesgeift' wirkfam
findet (II 464 f.) und namentlich in der Mazda-Religion
eine (natürlich befchränkte) innere Verwandtfchaft mit der
israelitifchen (II 147, 179), in den indifchen Religionen, in
anderer Weife auch im Hellenentum, Analogien mit dem

Chriftentum (II 75 100. 123f. 213. 259) anerkennt. Oder
nehmen wir einen zweiten Diffens: Anders orientiert ift
O.'s Anfchauung, wenn er bemüht ift, in den indifchen,
den chinefifchen und fogar in den amerikanifchen Flut-
fagen hiftorifchen Zufammenhang mit der hebräifchen
Überlieferung zu konftruieren (I 32. II 41. 395); anders
wenn fich ihm die Annahme aufdrängt, daß ,die Para-
diefesgefchichte vom Fall des Menfchen und ähnliche
Urgefchichten der Genefis' auf ,altfemitifcher Überlieferung
' beruhen, wie das ,gutbabylonifche' Material jener
Gefchichte: heilige Bäume, dämonifche Schlange, Cherubim
ufw. beweife (I 235). Die für feine Auffaffung der reli-
giöfen Entwicklung konftitutive Thefe O.s., deren Durchführung
nicht feiten die fonft von ihm geübte Vorficht ver-
miffen läßt, (vgl. z. B. I 153. 197) geht dahin, daß das ältefte
uns noch erreichbare Stadium der religiöfen Entwicklung
überall durch einen, zugleich ethifch wirkfamen Henotheis-
mus (der freilich noch naturbefangen bleibe) charakterifiert
fei. Schwer vereinbar ift mit diefer Tendenz die richtige Erkenntnis
, daß die .höheren' Religionen einen nicht unbedeutenden
Bildungsgrad vorausfetzen, und daß für einen
Menfchen, welcher nur von der Gunft des Augenblicks und
vom Zufall lebt, ,auch das Göttliche nur in Geftalt von zufällig
vorhandenen, willkürlich waltenden Mächten exiftiert'
(I 12). Nicht mit Unrecht ift O., zumal wo es fich um
den Bereich der biblifchen Religion handelt, mit der Annahme
der Entlehnungen fehr vorfichtig, z. T. m. E. allzu
zurückhaltend — auf alle Fälle wäre ein genaueres Eingehen
auf den Babel-Bibel-Streit und auf die orientalifch-
hellenifchen Myfterienreligionen geboten gewefen — aber
prinzipiell ordnet er doch die Anfänge der hebräifchen
Religion der femitifchen ein und findet fogar in Renans
Theorie über die (füd-)femitifche religiöfe Begabung einen
Wahrheitskern (I 281 ff). Nur in der reinen Form, die
hier die Offenbarung ,in unmittelbarer Einfprache des
göttlichen Wortes' gewinnt, erblickt er das fpezififche
der biblifchen Religion (284). Bei allem Refpekt vor der
Eigenart der biblifchen Religion ift damit doch die Kluft
zwifchen biblifcher und außerbiblifcher Religiofität z. T.
ausgefüllt. Den gleichen Sinn hat es, wenn O. die bibli-
fche Religion auf den Geift des Herrn ,in höherer
Potenz', die chriftliche auf ,den heiligen Geift fchlechthin'
(II 465) zurückführt. In dem Maße, als diefe Unter-
fcheidungen vager und unbeftimmter werden, find fie
doch zugleich lebensvoller und der Wahrheit angemeffener
geworden. Auf dem Wege, auf dem diefe Ergebniffe
gewonnen find, auf dem Wege unbeirrter und unpartei-

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