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Ausgabe:

1916 Nr. 10

Spalte:

219

Autor/Hrsg.:

Conybeare, F. C.

Titel/Untertitel:

The Story of Ahikar from the Aramaic, Syriac, Arabic, Armenian, Ethiopic, Old Turkish, Greek and Slavonic Versions. Second Edition, enlarged and corrected 1916

Rezensent:

Lidzbarski, Mark

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219

Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 10.

220

im ganzen zutreffende. Sie ermöglicht einen Einblick in ; neubegründete auf eine am Standpunkt der Tübinger
die fchweren inneren Kämpfe des Islam um die Weiter- I orientierte Kritik der Apokryphen. Aus Jena kommt diefe
entwicklung feiner Religion und Weltanfchauung. Reiz- Bejahung der altkirchlichen Tradition: H. Lietzmann untervoll
wäre es für europäifche Gelehrte, in diefe Kämpfe fucht die gefamte Überlieferung mit dem Refultat, daß
dadurch einzugreifen, daß sie den Muslimen die tradi- : fich ficheres nicht beweifen laffe, aber die Tradition über
tionelle Azhar-Weisheit als unzulänglich nachwiesen und j das Martyrium beider Apoftel in Rom und ihre Gräber
die an ihr herrfchende helleniftifch-fcholaftifche Philofophie große Wahrfcheinlichkeit habe. Der Unterfchied beider
aus den Angeln höben. Hoffentlich werden die jetzt neu Arbeiten ift fehr lehrreich für den Wandel der Methode:
aufblühenden orientalifchen Studien in Deutfchland zu bei Lipfius fteht die Literatur und ihre Kritik, die Idee
einem folchen kulturfördernden Meinungsaustaufche mit ] der Sagenbildung und der Tendenzdichtung im Vorder-
unfern muslimifchen Bundesgenoffen führen. Gegen folide l grund; bei Lietzmann der Kultus mit feinem fchriftlichen
Beweife, die von Freundesfeite ohne Bekehrungsfucht vor- i Niederfchlag in Kalendern, Meßbüchern u. ä. und daneben
getragen werden, wird fich der gebildete Orientale nicht j gleichwertig das Zeugnis der Monumente. In weitausholen-
verfchließen. — Das inhaltreiche Büchlein fei allen beftens der, auch andere Fefte einbeziehender Erörterung wird
empfohlen. zunächft der Wert der älteften Papftliften unterfucht, die
Bonn- Horten ^lcn a^s zuverläffig nur von Pontian (235) ab erweifen;
_!_L_ i dann die Gefchichte des römifchen Feftkalenders mit den

Arabic, Armenian, Ethiopic, Old Turkish, Greek and
Slavonic Versions. Second Edition, enlarged and
corrected. (C, 234 u. 72 S.) 8°. Cambridge, University
Press 1913. s. 15 —

Conybeare, F. C, J. Rendel Harris and Agnes Smith I merkwürdigen Wechfelbeziehungen zwifchen Rom und
I Pwio- ThP Stnrv nf Ahikar from the Aramair Svriar ' Galllen; das Doppeldatum für das Peft der Cathedra Petn,

ac, Synac, das fich ^ nachtragHcher Ausgleich zweier gallifcher

Daten ergibt, von denen eins (22. Febr.) älteren, ftadt-
römifchen Urfprungs ift, ohne mit Petrus Martyrium oder
feinen Reliquien in Zufammenhang zu flehen; endlich die
Beifetzung der Apoftelleiber ad Catacumbas im Jahre 258,
, wobei der 29. Juni aus mancherlei Erwägungen heraus als
Im Jahre 1898 hat J. Rendel Harns in Verbindung ! Xag der Überführung, nicht als älterer Fefttag erfcheint.
mit anderen englifchen Gelehrten die wichtigften der da- j Dies ieitet uber zu den Ausgrabungen, die grade für die
mals bekannten Verfionen des Achikarromanes zufammen- j ßasilica ad Catacumbas höchft wertvolle Auffchlüffe er-
geftellt, in einer ausführlichen Einleitung den literanfchen j geben haben; die Apoftelleiber haben von 258 an nicht
Charakter der Erzählung und die Frage nach ihrer Ent- ; in der fog piatonia; fondern mitten unter der Apoftel-
ftehungszeit und ihrer Abhängigkeit vom Alten Teftament bauuka (fpäter San Sebaftiano) geruht, die im 4. Jahr-
unterfucht. Der Band hat das Intereffe^ fur^ die^ver- hundert über einer älteren Kirchenanlage errichtet worden

ift: an den bemalten Wänden der letzteren, die Paul
Styger 1915 aufgenommen hat, finden fich als Graffiti
Akklamationen an die beiden Apoftel und Eintragungen
über ftattgehabte Gedächtnismahle (refrigerium) bei St.
Peter und Paul. Die Unterfuchungen der Apoftelgräber
am Vatican und an der Via Oftia bei den Neubauten der
Bafiliken im 17. und im 19. Jahrhundert haben ergeben, daß
beide inmitten heidnifcher Grabanlagen liegen, alfo vor
258kaum Feierndort ftattgefunden haben können; andrer-
feits find fie nicht im 4. Jahrhundert bei dem Bau der
Bafiliken frei beftimmt worden: das beweifen fcbeinbar
geringfügige Momente, wie die exzentrifche Lage des
Petrusgrabes innerhalb der Apfis und die Orientierung
der Paulusbafilika zwifchen den alten Straßen: die Bau-
meifter hatten offenbar auf alte Tradition Rückficht zu
nehmen. Und diefe muß älter fein als 258; ja fie läßt
fich durch die Bemerkung des Gajus über die rgöjraia
der Apoftel, deren Beziehung auf die Gräber beim Vatican
und an der Via Ostiensis überzeugend nachgewiefen wird,
bis über 200 zurückführen. Das Zeugnis des Clemens,
d. h. der römifchen Gemeinde 30 Jahre nach dem Ereignis,
fpricht für römifches Martyrium beider Apoftel. Dann
ift freie Erfindung der Grabftätte um fo weniger wahr-
fcheinlich, als die gewählten für die chriftliche Verehrung
denkbar ungefchickt lagen — nicht in chriftlichen Katakomben
, fondern bei heidnifchen Grabftätten. Der Beweis
ift einleuchtend, wenn auch im einzelnen manches fraglich
bleibt. Intereffant ift, daß, wie bei Lipfius, fo auch hier
eine mißdeutete Infchrift eine bedeutungsvolle Rolle fpielt:
dort war es die Weihinfchrift für Semo Sancus, aus der
die römifche Simonfage herausgefponnen fein follte; hier
find es Zweideutigkeiten der Damafusinfchrift, auf die
(mit J. Langen, V. Schultze u. a.) die Legende von dem
durch Orientalen vernichten Raub der Apoftelleiber zurückgeführt
wird. Damit fällt eine wichtige Stütze von Lipfius'
Datierung der apokryphen Akten. Um fo beachtenswerter
ift, daß Lietzmann an dem frühen gnoftifchen
Urfprung der fog. Actus Vercellenses fefthält, gewiß mit
Recht. Auch daß die von Epiphanius benutzte römifche
Bifchofslifte mit ihren genauen Zahlen der Amtsjahre nicht
in die Zeit des Irenäus, nicht einmal auf Hippolyt zurückbreitete
Erzählung neu angeregt, und zahlreiche Unter
fuchungen folgten feinem Erfcheinen. In einer Befpre-
chung ThLZ 1899, Sp. 606 ff. fuchte ich im Gegenfatz zu
früheren Annahmen nachzuweifen, daß das Buch fyrifch-
heidnifchen Urfprunges und von der jüdifchen Literatur
unabhängig fei. Die Entftehungszeit fuchte ich befonders
nach der Nennung des ,Himmelsbaal' zu beftimmen. Die
damals bekannten Denkmäler, in denen diefer Gott erwähnt
wurde, gingen nicht über das zweite Jahrh. v. Chr.
hinaus, und ich nahm an, daß die Entftehung des Romans
nicht weit über diefe Zeit hinausreiche. Später wurden
ältere Denkmäler mit der Nennung das Himmelsbaal entdeckt
. Zu allgemeiner Überrafchung fanden fich unter
den auf Elephantine ausgegrabenen aramäifchen Papyri
auch Bruchftücke diefes Romans. Der heidnifche, außer-
jüdifche Urfprung der Erzählung ging aus ihnen mit
Sicherheit hervor; als Entftehungszeit ergab fich etwa das
fechfte Jahrhundert v. Chr. Selbftverftändlich ift eine
fruchtbare Unterfuchung des Romans ohne die Verwertung
diefes Materials nicht möglich. Der Herausgeber
befchränkte fich aber bei der zweiten Auflage im Wefent-
lichen auf einen Abdruck der erften. Zu den Texten
fügte er eine neuaufgefundene alttürkifche Verfion hinzu.
Auch die Einleitung zur erften Auflage druckte er ganz
ab, obwohl fie jetzt antiquiert ift. Er fügte ihr nur zwei
kurze Kapitel an, in denen er die Papyrusfragmente und
einige nach dem Erfcheinen der erften Auflage über den
Roman herausgekommene Arbeiten befpricht. Wegen
der Zufammenftellung der wichtigen Texte wird der Band
auch in der zweiten Auflage ein unentbehrliches Hilfsmittel
bei der Befchäftigung mit der alten Erzählung fein.

Greifswald. M. Lidzbarski.

Lietzmann, Hans: Petrus und Paulus. Literarifche u.
archäolog. Studien. (XII, 189 S. m. 6 [1 färb.] Plänen
im Text u. auf 1 Tafel.) gr. 8°. Bonn, A. Marcus &
E. Weber 1915. M. 6.80

Aus Jena kam die letzte großzügige Beftreitung der
römifchen Petrusfage: R. A. Lipfius erneuerte 1871 die
alte proteftantifche Kampfthefe, indem er fie eigenartig