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Ausgabe:

1916 Nr. 9

Spalte:

205-207

Autor/Hrsg.:

Hobbing, U. G.

Titel/Untertitel:

Der Weg zu neuen Fundamenten. Ein Wort an die Bekenner des alten Evangeliums in der neuen Zeit 1916

Rezensent:

Eger, Karl

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Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 9.

206

(S. 169—184; vgl. 79—86, 107—117), wobei er fich mit
Recht nicht dadurch irre führen läßt, daß L. felber fich
direkt nur auf die antike Seelenwanderungslehre der Griechen
und Orientalen bezieht und nicht auf die neueren
Vertreter und Formen derfelben, von Giordano Bruno
und van Helmont an, auch nicht auf Bonnets .Philofo-
phifche Palingenehe' und Sulzers Schrift ,Über die Un-
fterblichkeit der Seele als ein Gegenftand der Phyhk betrachtet
', mit denen Lefhng in der Annahme des fteten
Verbundenfeins der Seele mit einem körperlichen Organismus
übereinzuftimmen fcheint, fodaß ja fchon Dilthey
in feinem bekannten Lefhngauffatz auf Grund der Jacobi-
fchen Notiz betreffs Lefhngs Bonnet-Studium (Jacobi,
Werke IV, 1, S. 8of.) auf die Beeinfluffung Lefhngs durch
diefe Bonnetfche Seelenlehre neben der Leibnizfchen Monadologie
hingewiefen hat. Der wichtigfte Abfchnitt in Kohnks
Buch ift wohl der, in dem er 3.die Wurzeln des Seelenwanderungsgedankens
in Lefhngs Perfönlichkeit, alfo feine Motive
darlegt (S. 184 bis 211), — am wichtigften deswegen, weil
dadurch klar wird, daß es hch nicht um einen vorübergehenden
Einfall Lefhngs, auch nicht bloß um ein äußerliches
Beiwerk handelt, fondern um ein .notwendiges, wefent-
liches Stück feiner Weltanfchauung', deffen letzte Wurzel
K. in Lefhngs rafllofem Tätigkeitsdrang heht, der ihn zu-
nächft unrehektiert und intuitiv den dann von ihm weiter
durchdachten und zur Beantwortung der Theodizeefrage
verwerteten Gedanken der endlofen Wanderung der Seelen
habe ergreifen Iahen.

Lefhngs Idee der Metempfychofe — diefen Namen
gibt er felbft gelegentlich feinem .Syftem' — ift ein ty-
pifches Beifpiel für die von L. vorgenommene Umgießung
ihm an hch wertvoller chriftlich-religiöfer Gedanken —
hier des Glaubens an die Fortdauer der Einzelfeele, an
dem mit L. faft feine ganze aufgeklärte Zeit feftgehalten
hat, — in neue, dem modernen Denken gemäße Formen.
Kohnk weift auf diefen Umfetzungsprozeß gelegentlich
(S. 191h) hin, ohne aber L.s Stellung in der Entwicklung
der allgemeinen Unfterblichkeitsidee und ihrer Umformung
unter dem Einfluß der modernen Seelenlehre
und des antidualiftifchen Immanenzgedankens ebenfo eingehend
zu analyheren, wie er dies S. 184 bezüglich L.s
Stellung in der Gefchichte der fpeziellen Seelenwanderungsidee
getan hat. Diefe Lücke bei K. ift wohl
veranlaßt durch feine zurecht beftehende Abneigung
gegenüber Arnfpergers Thefe von einer bewußten Ratio-
naliherung der chriftlichen Jenfeitsvorftellungen und einer
Apologie diefer rationaliherten chriftlichen Vorftellungen
durch Lefhng (A. S. 8ff. 32f. u. ö., dazu K. S.42ff. i86f.). In
diefer Zufpitzung ift die Thefe falfch, da bei diefer Umformung
hcher der bewußte Wille zur Rettung einer
chriftlichen Idee nicht das Maßgebende war. Da es
aber, wie auch K. weiß, tatfächlich eine chriftliche Vor-
ftellung war, die bei L. in neuer Form und unter Ab-
ftreifung fpezihfch-chriftlicher Gedanken (Scheidung in
Selige und Verdammte, körperliche und überirdifche Exi-
ftenzweife der Seele u. a.) verwendet wird, fo ergab hch
von da aus doch die Aufgabe, L.s Stellung auch in der
Entwicklungsgefchichte des chriftlichen Unfterblichkeits-
glaubens genauer feftzuftellen. Es ift, auf das Ganze von
Kohnks trefflichem Buch gefehen, nur eine kleine Lücke,
auf die hier aufmerkfam gemacht fein follte.

Berlin-Steglitz. Leopold Zfcharnack.

Hobbing, Palt. U. G.: Der Weg zu neuen Fundamenten.

Ein Wort an die Bekenner des alten Evangeliums in
der neuen Zeit. (96 S.) kl. 8°. Halle, R. Mühlmanns
Verl. 1914. M. 1.50

Die Schrift will einen Beitrag liefern ,zur Erzielung
einer feften gefchloffenen Stellungnahme des offenbarungsgläubigen
Chriftentums in unferer Zeit, unter den heutigen
wiffenfchaftlichen Lebensbedingungen'. Sie nennt als

folche, von denen Verf. hch hauptfächlich beeinflußt weiß,
Kähler, Eucken und Dunkmann. Dreierlei ift verfunken
oder am Verhnken im Umkreis der evangelifchen Verkündigung
: in Hinhcht auf die Quellen für Leben und
Wirken der fefte Ankergrund fürdie innerfteStellungnahme;
in Hinhcht auf die Umwelt das alte Anfehen, die Autorität
; im Hinblick auf das eigentliche Arbeitsfeld, die
Gemeinde, die kraftvolle Methode. Demgemäß behandelt
ein 1. Teil .unfere Glaubensftellung auf dem Boden der
hl. Schrift'. Das letztlich aus Gott fließende gefchichtliche
Leben der Menfchheit gabelt hch in die zwei Ströme des
nicht nur der göttlichen Kaufalität, fondern auch der göttlichen
Normativität ftetig bewußten Lebens der offenbarungsgläubigen
chriftlichen Gemeinde und der in relativer
Selbftändigkeit gegenüber Gott verlaufenden allgemeinen
Kulturentwicklung. Die innere Einheit der beiden Strömungen
kann nicht gewonnen werden von dem falfchen
Satz aus, daß die Kulturgefchichte den Geift fchafft,
fondern nur von dem Bewußtfein der Glaubensgemeinde
aus, die ihre Zugehörigkeit zu der in der Bibel bezeugten
klafhfchen Gottesgefchichte, wie he in Chriftus zum normgebenden
Ausdruck gelangt, in der Glaubenserfahrung
der einzelnen Seelen immer neu beftätigt findet und
von da aus das gute Recht ihrer eignen gottesgläubigen
Pfychologie feft zu vertreten vermag. — Der
2. Teil behandelt die Frage nach der Stellung, die die
gläubige Gemeinde des Evangeliums in der Umwelt einzunehmen
, welche Autorität he zu beanfpruchen hat.
Vom Staat wird gefordert, daß er das Recht der Glaubensgemeinde
auf ein Wirken nach ihren Grundfätzen anerkennt
; er folle dies Wirken im eigenen wohlverftandenen
Intereffe fogar begünftigen. Aber er darf weder die Ge-
wiffen zu gunften der Glaubensgemeinde zwingen wollen
noch letztere zu beherrfchen fuchen. Für die innerkirch-
lichliche Organifation gilt der Grundfatz, daß nur Offenbarungsgläubige
in den Ämtern der Gemeinde ftehen
dürfen. Das aktive und pafhve kirchliche Wahlrecht ift
deshalb von einem in voller Freiheit durch Erwachfene
abzulegenden Bekenntnis und Gelübde abhängig zu
machen. — Bei der feelforgerlichen Gemeindearbeit, von
der der 3. Teil handelt, hat die Kinderfeelforge in der
Mitte zu ftehen. Es gilt kurz gefagt die Kinder zum
Offenbarungsglauben zu erziehen. Dabei muß pfycholo-
gifch verfahren werden nicht nur in Berückfichtigung der
Atmofphäre, in der das Kind aufwächft, fondern auch bei
der direkten Beeinfluffung der Kinder felbft. Der Bedeutung
des Bodens, auf dem des Kindes Seelenleben hch
entfaltet, für feine ganze Entwicklung entfprechend ift
zuerft auf die Eltern der gebührende Einfluß zu gewinnen.
Dabei werden die verfchiedenen Stände durchgefprochen
und das hohe Lob des bäuerlichen Mittelftandes gefungen:
,Der kleinere Grundbehtz in feiner richtigen Abmeffung
von Selbftändigkeit und fozialer Gebundenheit, in feiner
Herrlichkeit und feiner Gottesabhängigkeit ftellt noch
heute den Stamm der normalen Gemeinde und bildet die
lebendige, hegreiche Vertretung des Proteftes des Glaubenslebens
gegen die Bevölkerungsanhäufung in den
Großftädten, den wir Gen. 11 hnden'. Dann folgen ausführliche
Erörterungen über den Kindergottesdienft und
über den ,Angelpunkt evangelifch-kirchlichen Einfluffes',
die Konflrmandenfeelforge. Vom Konfirmandenunterricht
wird ein vollfländiger Abriß gegeben, der einen Einblick
in das gewähren foll, was Verf von einem pfychologifch
verfahrenden Konhrmandenunterricht erwartet. Man merkt,
daß hier die oberften praktifchen Intereffen des Verf. liegen,
und es fteckt viel Beherzigenswertes gerade in diefen Ausführungen
. Es ift die Frage, ob die Arbeit nicht wefent-
lich gewonnen hätte, wenn Verf. he etwa unter das Hauptthema
: ,Die Arbeit der evangelifchen Gemeinde an ihrer
Jugend' geftellt und die Ausführungen des 1. Teils als
grundfätzliche Einleitung vorangefchickt hätte — während
die kirchenpolitifchen Ausführungen des 2. Teils, der an
fehr fchwierigen praktifchen Organifationsproblemen ftill-