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Ausgabe:

1916 Nr. 8

Spalte:

187-188

Autor/Hrsg.:

Leonhard, W.

Titel/Untertitel:

Von Advent bis Trinitatis. Predigten über die Eisenacher Evangelientexte 1916

Rezensent:

Bussmann, E. W.

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18/

Theologifche Literaturzeitung 1916 Nr. 8.

188

fchieden abgelehnt. Kleine intime Predigtfäle finden eben-
fowenig den Beifall des Verfaffers, wie die Verlegung der
Orgelbühne in den Chor. Von ,Biedermeierei' hält er
nichts. ,Für beftimmte Dinge und Begriffe haben fich
Formen entwickelt, die auf uns den Eindruck des Kirchlichen
machen im Gegenfatz zu anderen Bildungen, die
wir für profan erklären.' Darum empfiehlt fich Anfchluß
vor allem an die erfte fchöpferifche Zeit proteftantifchen
Kirchenbaus im 17. und 18. Jahrh., wohl auch noch an
die der erften Jahrzehnte des 19. Jahrh. Wo Rückficht
auf Umgebung und heimifche Überlieferung es nahe legen,
mag man auch in noch frühere Jahrhunderte zurückgehen.
Bisher fcheinen mir modernfte Leiftungen die Richtigkeit
diefer Grundfätze noch nicht erfchüttert zu haben.
Aber das Recht, auch in ihren Formen kirchlich zu reden,
wird man ihnen nicht wehren können. Daß die Künftier
fich durch jene Schranken in der Freiheit ihres Schafifens
nicht ernftlich beengt fühlen, beweifen die vorgelegten Bei-
fpiele. Befonders beachtenswert find die für die innere
Ausftattung gegebenen Winke und Anweifungen.

Frankfurt a. M. Schloffer.

Leonhard, Pfr. u. Superint. Dr. W.: Von Advent bis Trinitatis
. Predigten über die Eifenacher Evangelientexte.
(III, 172 S.) 8°. Gütersloh, C. Bertelsmann 1914.

M. 2.40; geb. M. 3 —

Die vorliegenden Predigten über die Eifenacher
Evangelientexte zeigen befonderen Charakter und find
von einem Mann verfaßt, der fich gewiß Mühe gibt und
es an Fleiß nicht fehlen läßt. An vielen Stellen kommt
man zu neuen eigenartigen Gedanken, die Schriftauslegung
ift faft ftets eindringend und bietet gute Ausführungen
, z. B. über die Vornehmheit Jefu, S. 140. Viel Geift-
reiches findet fich, und dann wieder auch Einfaches,
Schlichtes. Und doch legt man das Bändchen unbefriedigt
aus der Hand. Man möchte faft glauben, daß die
Predigten fo nicht gehalten find, vor allem nicht in der
Gemeinde, in der der Verfaffer fteht. Sie bieten nämlich
oft nur Andeutungen, Skizzen; fchon jetzt muß man beim
Lefen oft anhalten und fich fragen, wohin will der Red- I
ner, oder man muß überlegen, um den Ubergang bei
den Gedanken zu finden. Die Predigten werden oft geift-
reichelnd, bringen zu vielerlei, faft unvermittelt nebeneinander
, die Sprache ift pointiert, oft in ganz kurzen Anti-
thefen, und dann auch oft zu knapp, auf edle Popularität
legt ihr Verfaffer kein Gewicht. Er wird zum Schulmeifter,
der immer zuerft belehren will und feine Gelehrfamkeit
zeigen möchte, wobei es dann gefchieht, daß nur Worte
über die Sache gemacht werden. Er will mehr oder faft
allein der Erkenntnis dienen, Gefühl und Wille zu beein-
fluffen liegt ihm ferner. Darum mangelt der Sprache, fo
fein fie fein kann, auch oft der Schwung. Fremdwörter,
die ganz entbehrlich gewefen wären, werden wie es fcheint
mit Vorliebe gebraucht. Man merkt dem Verfaffer an,
daß er auf feiner Studierftube mit großem Fleiß und
Scharffinn alles erarbeitet hat, aber man hat nicht den
Eindruck, daß er es auch felbft erlebt hat. Der Prediger
fteht unendlich fern und hoch über feinen Zuhörern; er
bleibt fehr kühl und unperfönlich. Gewöhnlich fehlt der
fich einheftende zentrale Gedanke, die Spitze, der Haken,
und der Schluß ift meift abrupt. Wenn die Predigten fo
gehalten find, können fie nicht viel Eindruck erregt haben, I
da der Hörer die größte Mühe hat zu folgen.

An Einzelheiten fällt mancher Ausdruck auf: z. B. S. i Ein neues 1
Kirchenjahr will fich am Staket des bürgerlichen Jahres emporranken, j
S. 43 Wir haben zuerft von dem Zeugnis der Vergangenheit zu handeln,
das unfere Begegnung mit unferm Herrn verurfacht. S. 47 Meifter wo bift
du zur Herberge, wo ift deine Lebensfphäre. S. 55 Es gibt folche Kirchen- j
Politiker auf liberaler und auch auf pofitiver Seite. S. 56 Eine Staffel des
Ewigkeitsglaubens. S. 73 Kann man fich leugnen, fich ausftreichen, gegen
das eigene Ich handeln? Der Herr ruft dich zu diefem Selbftwiderfpruch,
in dem, wie ein Kreuzbalken den anderen, dein Entfchluß und Streben
dein natürliches Weben durchftreicht. — S. 76 Gewerbsftand. — S. 77

Chriftlicher Idealismus pflegt feine Siegesgewißheit aus fich felbft zu
fchöpfen. — S. 83 Der ganze Abfatz über die Samariter, und darin: der
ärmfte Fellach. — S. 100 Es gibt ihrer, deren ganzes Leben gemeinnützig
ift, aber nur der Adreffe, nicht dem Geifte nach. Es gibt folche,
die bei der guten Tat, wenn nicht pofaunt, fo doch gefchielt haben nach
dem Blick der Anderen (pofaunen nach dem Blick??) — Es muß die
ganze Selbftgebundenheit zerbrochen werden wie jenes Nardenglas nach
Markus [und dann wird gewiffenhaft hinzugefügt: Mark. 14,3]. — S. 146
Arbeiten ohne Beten ift für den Chriften ein verkrüppelter Gang, u. a.

Ahlden/Aller. E. W. Bussmann.

Referate.

Much, Hans: Buddha. Der Schritt aus der Heimat in die Heimat-
lofigkeit. (103 S.) 8«. Zürich, A. Müller 1914.

M. 2.80; geb. M. 3.50
Das Wenige, was wir im buddhiftifchen Kanon über das
Fortgehen des Buddha aus der Heimat in die Heimatloflgkeit
hören, ift in dem vorliegenden Buch zu einer redfeligen, phan-
taftffchen Erzählung ausgefponnen. Was foll das? Der Buddha
wird uns hier ganz gewiß nicht greifbarer, verftändlicher; dazu
reicht die Begabung des Verfaffers bei weitem nicht hin. Vielmehr
find es nur unglaubwürdige Schemen, die da vor uns agieren und
deklamieren. Es mag ja Gefchmack geben, der fich mit folch
theatralifcher Aufputzung einer großen Gefchichtsgeftalt befreunden
kann. Ref. gefteht, daß er die Zeit bedauert, die er an das
Durchlefen wenden mußte, wie nicht minder die Zeit, die dem
Verf. die Arbeit gekoftet haben wird. Er hätte fie beffer dazu
benutzt, noch ein wenig zuzulernen, um dann nicht mehr Dinge
zu fchreiben wie Dschiva (für Civa oder Shiva) (S. 13 u. ö.), Sud-
dhodona (für Suddhodana) (S. 71, 79 u. ö., nicht etwa Druckfehler!),
Advaryu (für Adhvaryu) (S. 73), Mahabodi (für Mahäbodhi oder
doch Mahäbodhi S. 103) u. a. m. Auch die Vermengung von
Päli- und Sanskrit-Wörtern fällt unangenehm auf.
Amfterdam. H. Hackmann.

Torrn, Prof. Fred.: Das ftellvertretende Leiden im Judentum und im

Chriftentum. Ein Vortrag. (Schriften des Institutum Judaicum
zu Berlin Nr. 45.) (20 S.) 8». Leipzig, J. C. Hinrichs 1915.

M. — 30

Diefer auf der 9. internationalen Judenmiffionskonferenz in
Hamburg Juni 1914 gehaltene Vortrag will Juden und Chriften
zur Klärung ihrer Gedanken dienen. Die Hörer des Vortrags
haben feine Drucklegung gewünfcht. Der Verfaffer ift fich deffen
bewußt, daß ein Vortrag das fchwierige Thema nicht erfchöpfend
behandeln kann. Die warmherzigen und klaren Ausführungen
T.'s heben jedoch in aller Kürze einen für die Auseinanderfetzung
zwifchen Chriftentum und Judentum wichtigen Punkt mit Recht
hervor, bieten einiges rabbinifches Material und rechtfertigen auch
durch ihre wiffenfchaftliche Art die Aufnahme in die rühmlichft
bekannten ,Schriften des Institutum Judaicum zu Berlin', in denen
auch Dalmans Schrift über Jef. 53, auf die fich T. für das rabbi-
nifche Material vor allem bezieht, erfchienen ift.
Gotha. Fiebig.

Wernle, Prof. D. Paul: Die Quellen des Lebens Jefti. 3. Aufl. 21.—
30. TauE (Religionsgefchichtliche Volksbücher I. Reihe, 1. Heft.)
76 S.) 80. Tübingen, J. C. B. Mohr 1913.

M. — 50; geb. M. — 80
Diefe 3. Auflage ift unverändert geblieben, weil ,die feitherige
Evangelienforfchung keine den Verf. überzeugenden umwälzenden
Ergebniffe gezeitigt hat'. Da der Verf. beobachtet hat, daß keine
feiner fonftigen Schriften bei manchen Lefern einen fo negativen
Eindruck hinterließ (trotz ihres Schlußworts), fo bekundet er im
Vorwort noch ausdrücklich feine Überzeugung, daß er für die
Zukunft kein anderes Ziel fehe als die Verrenkung in die Wohltat
Jefu und ihren kräftigen Gebrauch im täglichen Leben.
Hannover-Kleefeld. Schufter.

Jullinu8', des Philofophen u. Märtyrers, Apologien. Hrsg. u. erklärt
v. Gymn.-Rekt. Pat. Johannes Maria Pfättifch. 2 Tie.
80. Münfter i. W., Afchendorff 1914. Geb. M. 2.70

I. Text. (XXIV, 114 S.) Geb. M. 1.20. - II. Kommentar.
(144 S.) Geb. M. 1.50.

Die Notwendigkeit diefer billigen und hübfch gedruckten
Ausgabe wird man nicht eben leicht zu begründen vermögen.
Denn nachgerade herrfcht an guten und zu geringem Preis zugänglichen
Juftinausgaben ein folcher Überfluß, daß auch die
Buchhändlerfpekulation vor der Veranftaltung neuer zurück-