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Ausgabe:

1915 Nr. 5

Spalte:

116

Autor/Hrsg.:

Knieschke, W.

Titel/Untertitel:

Das heilige Land im Lichte der neuesten Ausgrabungen und Funde 1915

Rezensent:

Brückner, M.

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"5

Theologifche Literaturzeitung 1915 Nr. 5.

116

denken hinwegfetzen können, die aus dem gottesdienft-
lichen Charakter unferer Predigt entfpringen. Darum:
fo intereffant diefe Verfuche find, fo hoch fie als geiftige
Schöpfung ftehen, fo reiche Gedanken fie anregen, fo wertvoll
fie dem denkenden Lefer fein mögen: einbürgern darf
fich diefe Dichterpredigt nicht.

Gießen. M. Schian.

Reukauf, Schul-Dir. Schuir. Dr. A.: Didaktik des evangelischen
Religionsunterrichts in der Volksschule. 3.umgearb.
u. erweit. Aufl. (Evangelifcher Religionsunterricht, i.Bd.)
(XX, 385 S.) gr. 8°. Leipzig, E. Wunderlich 1914.

M. 4.60; geb. M. 5.20

Reukaufs Didaktik, die 1900 in 2. Aufl. erfchienen
war, hat in der vorliegenden Geftalt eine gründliche Umarbeitung
erfahren. Der Verf. tritt damit aus dem einengenden
Rahmen der Herbartfchen Schule heraus. Indem
er fich in der religionspfychologifchen Begründung
der didaktifchen Aufgaben und Maßnahmen, auch in der
Frage von der Lehrbarkeit der Religion an mich, in der
allgemeinen Pfychologie, namentlich hinfichtlich der Drei-
dimenfionalität der Gefühle an Wundt anlehnt, gewinnt
er gegenüber den früheren Auflagen einen neuen Standpunkt
, an die Einzelfragen heranzugehn. Auch der äußere
Umfang ift um mehr als das Doppelte erweitert.

In den von früher her übernommenen Abfchnitten ift zwar in manchen
Einzelheiten der Ausgleich mit der neu gewonnenen Grundlegung noch
nicht immer gegeben; fo wenn R. im Anfchluß an meine Theorie von
der Erfahrungs- und Phantafiereligion für den allererften Anfang die
Weckung religiöfer Gefühle mit Hilfe eines religiöfen Erfahrungsunterrichts
fordert (S. 175), auf Gefühlserfahrungen aus dem kosmifchen und
aus dem fittlichen Leben eine Vorftellung Gottes als des Herrn des Himmels
und der Erde und des Vaters der Menfchen aufbauen will (S. 176)
und im Anfchluß daran wünfcht, daß der grundlegende Religionsunterricht
Gelegenheitsunterricht fein und möglichft entfprechende Stoffe verarbeiten
folle, — dann aber unter der Einwirkung des Zillerfchen Lehr-
planfyftems und feiner Weiterbildung in der Zillerfchen Schule aus der
2. Aufl. feines Buches den Satz wiederholt, daß ,auf diefer Stufe die
religiöfe Charakterbildung noch hinter der ethifchen zurücktritt' (S. 352,
vgl. 2. Aufl. S. 127), und daß deswegen ,die Einfetzung von Märchen in
die erfte Hälfte des erften Schuljahrs' nur zu empfehlen fei.

So ift die ganze Lehrplankonftruktion auf Grund der
abgeänderten Kulturftufentheorie, vor allem in Hinaus-
fchiebung der biblifchen Stoffe bis ins dritte Schuljahr,
an deren Stelle im erften die Märchen, im zweiten der
Robinfon treten, mehr ein Kompromiß mit alten Lieblingsgedanken
der Herbartfchen Schule als eine gefchlof-
fene Herleitung aus dem, was in Anlehnung an unfere
religionspfychologifchen Beftrebungen im Anfang über
das Wefen des religiöfen Erlebniffes und über die Religion
des Kindes gefagt war (S. 158—164, 186f. u. ö.);
wobei indeffen nicht überfehen werden darf, daß R. zum
Robinfon erft neuerdings unter der Einwirkung von Erfahrungen
, die er an feinen eigenen Kindern mit dem
von Lehmenfick bearbeiteten Robinfon gemacht hat, bekehrt
worden ift.

Das Eigentümliche, für Reukauf Bezeichnende ift die
gewiffenhafte und aufmerkfame Regiftrierung deffen, was
um ihn her vorgegangen ift, der Reformbewegungen unferer
Tage und ihrer leitenden Triebfedern. Wer über
das, was methodifche und didaktifche Forfchung einer-
feits, fchulpolitifche Strömungen in Vereinen, Tagungen,
Druckfchriften andererfeits in den letzten 20 Jahren dem
Religionsunterricht Neues gebracht haben, möglichft
vollftändig und genau unterrichtet fein will, wird fich
nicht leicht einem zuverläffigeren Führer anvertrauen
können. Daneben tritt der gerade, unbefangene und genaue
Theologe und der erfahrene Schulmann mit dem
nüchternen Blick für das Echte und Mögliche, der fachliche
Sucher, der fich nie ganz in die Fefleln einer Partei
fchlagen läßt, überall hervor. Diefer Blick für das Mögliche
und Wirkliche, der ihn auch in die Erörterungen
über das Verhältnis der Kirche zur Schule, über den

konteffionellen Religionsunterricht u. dgl. begleitet und
gegen die Utopie einer Einheitsfchule, die gar zwifchen
katholifcher und evangelifcher Religion durch das Allheilmittel
eines fouveränen Schulunterrichts die Gegen-
fätze fanft zu überbrücken vermöchte, ihn feft macht, ift
vielleicht eine der vorzüglichften Eigenfchaften des Ver-
faffers und feines Buches.

Der Inhalt gliedert fich fo: Allgemeine Grundlagen
für den Aufbau einer Didaktik des ev. R. U.; I, Religions-
philofophifche, II. Religionspädagogifche, III. Schulpoli-
tifche Fragen. — 2. Die Gefchichte des chriftl. R. U. —
3. Die Aufgaben der religiöfen Erziehung in der Volks-
fchule. — 4. Auswahl und Nebeneinander der Unterrichts-
ftoffe. — 5. Der Aufbau des Lehrplans.

Vielleicht laffen fich in einer Neuausgabe Teil 4 und
5 zufammenziehen und ftatt deffen in Teil 5 über die
Geftaltung und unterrichtliche Verarbeitung des Stoffes,
nach der doch der Lehrer befonders fragt, jetzt aber
nur zerftreute Bemerkungen vorfindet, eine befondere, an
die pfychologifche Grundlegung anknüpfende Darftellung
geben.

Bromberg. f Kabifch.

Referate.

Kniefchke, Lic. Oberpfr.: Das heilige Land im Lichte der neueften
Ausgrabungen und Funde. (Biblifche Zeit- und Streitfragen,
IX. Serie, 5. Heft.) (32 S.) 8». Berlin-Lichterfelde, E. Runge
1913. M. — 50

Ohne den Anfpruch auf Vollftändigkeit zu erheben, gibt K.
erft eine gedrängte Überficht der in Gezer, Jericho, Ta'annek,
Meggido, Samaria, Jerufalem und Ain-Schems gemachten Ausgrabungen
und Funde, um dann unter den Stichworten ,das Allgemein
-Kulturelle', ,die Schrift' und ,die Religion' die Ergebniffe
und Schlüffe daraus zu ziehen.

Aus Gezer und Ta'annek intereffieren befonders die keil-
fchriftlichen Tafeln, von Jericho und Ain-Schems die alten Stadtmauern
, die bei Jericho in doppeltem Ring ein etwa 5 ha großes,
eiförmiges Areal umfchließen. Aus Meggido ift das Wertvollfte
der Siegelftein des Sch'ma, Knechtes des Jerobeam IL, aus Samaria
die mit Rohrfeder und Tinte befchriebenen Scherben, mit
Jahreszahl und Namen in althebräifcher Schrift, meift Widmungen
von Oel und Wein. Einiges Wertvolle vermißt man, wie z. B.
die 8 Malfteine (Maffeben?) in Gezer. Auch hätte u. a. die Ausgrabung
der Synagoge von Kapernaum wenigftens unter ,Sonftiges'
S. 15f. erwähnt werden muffen.

Sehr ergiebig ift der Ertrag der vielen Ausgrabungen nicht
grade zu nennen. Daher ergeht fich auch K. im zweiten Teile
in allgemeineren Ausführungen über Stein- und Broncezeit, Ent-
ftehung der Schriftarten und der Unableitbarkeit des israelitifchen
Monotheismus. Seine Aufteilungen find auch oft recht anfechtbar
. So lehnt K. den Gräberkult, der noch heute in Paläftina
eine große Rolle fpielt und fie ficher früher auch gefpielt hat,
S. 28f. ab und verbindet damit eine Polemik gegen ,die moderne
Entwicklungstheorie' Wellhaufens. Aus den herrlichen Tempel-
reften von Dfcherafch habe ich auch nicht zu lefen vermocht,
,welche Anftrengungen das im Todeszucken liegende Heidentum
gemacht hat', fich gegen das eindringende Chriftentum zu behaupten
, wie K. zweimal (S. 16 und 32) mit denfelben Worten
ausführt.

Die Überfetzung von tandem mit ,dennoch' S. 32 ift wohl
nur ein lapsus calami.
Berlin. M- Brückner.

Reichhardt, Rud.: Geburt, Hochzeit u. Tod im deutfchen Volksbrauch
u. Volksglauben. (VIII, 176 S.) 8». Jena, H. Coftenoble
1913. M. 3—; geb. M. 4 —

Eine recht reichhaltige und überfichtliche Materialienfamm-
lung, wenn auch, wie natürlich, vorzugsweife aus zweiter Hand.
(Weshalb der Umfchlag das Buch als ein ,aktuelles Werk' bezeichnet
, ift nicht deutlich; es fei denn, daß solche Aufzeichnungen
wegen der Gefahr baldigen Verlöfchens der Uberlieferungen
alle ein dringendes Intereffe haben). Befonders ausführlich find
die Werbungs- und Hochzeitsgebräuche, unter Mitteilung zahlreicher
Hochzeitsbitterfprüche, fowie die entfprechenden Bei-
fetzungsfitten behandelt. Man fleht mit immer neuer Verwunde-