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Ausgabe:

1915 Nr. 5

Spalte:

101-104

Autor/Hrsg.:

Neutestamentliche Studien, Georg Heinrici zu seinem 70. Geburtstag dargebracht v. Fachgenossen

Titel/Untertitel:

Freunden u. Schülern 1915

Rezensent:

Bousset, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung 1915 Nr. 5

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ift neuerdings die Thefe aufgeftellt worden, er gebe
die echte LXX von Chron., Efr. und Nehemia wieder,
während die fogenannte LXX von Chron.-Ef.-Neh.
eigentlich die Überfetzung des Theodotion (0) [oder des
Symmachus (2)] fei. Zu dem erften Teil diefer Thefe
verhält fich Walde, den Spuren Bayers, Das dritte
Buch Esdras (Bibl. Studien XVI, 1) Freiburg 1911 folgend,
ablehnend; was den zweiten anbetrifft, dem fich auch
Bayer anfchließt, fo lehnt ihn W. gleichfalls ab, bezw.
nimmt er einen zuwartenden Standpunkt ein.

Nun fchmiegt die griechifche Überfetzung von Chronik,
Efra und Nehemia fich dem MT viel inniger an als III Efra,
der vielfach auf einer älteren und befferen hebräifchen
Vorlage beruht. Da III Efra von Jofephus Antiqu. XII — 5
benutzt wird und vor Eoögag ß (= Efra-Nehemia) fteht
und auch die Abtrennung der Chronik von Efra-Nehemia
noch nicht zu kennen fcheint (vgl. Steuernagel, Einl. i.
AT S. 773 f.), fo repräfentiert III Efra allerdings, wenn es
auch nicht die echte LXX ift, fo doch eine ältere Stufe
der griechifchen Überfetzung als die jetzige LXX von
Chron.-Ef.-Neh. Daß III Efra nicht die LXX ift, folgt
aus den inhaltlichen Abweichungen von MT, die fich aus
bewußten Änderungen des glaubwürdigeren Inhalts und
der befferen Anordnung des MT befriedigend erklären
laffen, worüber Steuernagel a. a. O. S. 774 zu vergleichen
ift.

Für den zweiten Teil der Thefe wird es in der Tat
vorab richtiger fein — wenn auch der Standpunkt manchem
etwas philifterhaft erfcheinen mag — fich Waldes Urteil
S. 50f. anzueignen. Der griechifche Überfetzer von (Chr.-)
Ef.-Neh. fchließt fich in der Weife von & eng an MT an,
ohne auf Identität beider etwa fchließen zu wollen.

Für die Gefchichte vom Wettftreit der drei Jünglinge
vor Darius III Esd. 3,1—5,6 möchte W. nach dem Vorgang
von Torrey und Bayer eine aram. hebr. Vorlage
annehmen (S. 120ff.), eine apokryphe Quelle, die fich inhaltlich
mit gewiffen Danielfabeln berührt. Jedenfalls ift
III Ef. 3,1—5,6 kein primärer Beftandteil von Ef.-Neh.
gewefen. •

Heidelberg. Beer.

Neutettamentliche Studien, Georg Heinrici zu feinem 70. Geburtstag
(14. März 1914) dargebracht v. Fachgenoffen,
Freunden u. Schülern. (Unterfuchungen zum Neuen
Teftament. 6. Heft.) (XV, 271 S. m. 1 Bildnis u. 3
Lichtdr.-Tafeln) gr. 8°. Leipzig, J. C. Hinrichs 1914.

M. 8—; geb. M. 9 —

Bei Gelegenheit des fiebzigften Geburtstages von Georg
Heinrici hat fich ein großer Kreis von Fachgenoffen,
Freunden und Schülern zufammengefunden, ihm eine
reiche Gabe von Auffätzen darzubringen, die zugleich
beweifen, wie weitreichend und mannigfaltig die Anregungen
gewefen find, die der nunmehr ins Greifenalter
eintretende Gelehrte in feinem der Forfchung gewidmeten
Leben gegeben hat.

Paul Krüger hat fich das Thema ,Würdigung der
Propheten im Spätjudentum' gewählt. Eine anziehende
Aufgabe, deren Ausführung wohl noch der Vertiefung
fähig wäre, befonders hätte ich eine Hereinziehung der
Bekämpfung des Propheten-Kanons in judenchrifthchen
Sekten, die ficher auf jüdifche Kreife zurückfuhrt, ge-
wünfcht. von Baudiffin befpricht die griechifchen
Zeugniffe über Adonis in der Unterwelt, befonders das
•n der Bibliothek des Apollodor fich findende Zeugnis
des Panyaffis über eine Dreiteilung des Jahres zwifchen
Adonis, Perfephone und Aphrodite. Er fucht nachzu-
weifen, daß diefe merkwürdige Nuance der Legende kaum
griechifch fein könne und vermutet babylonifche Einflüffe.
Eine endgültige Unterfuchung nach diefer Seite hin müffe
fpäterer Zeit vorbehalten bleiben. Clemen hat fich das
Thema gewählt ,Der Ifis-Kult nach Apulejus und das

Neue Teftament'. Die Unterfuchung gräbt nicht gerade
fehr tief und bleibt an Einzelheiten hängen. Vorzüglich
ift die Unterfuchung von Heitmüller über ,die Bezeichnung
der Taufe mit Sphragis'. Heitmüller zieht das Re-
fultat feiner Unterfuchung felbft zufammen, wenn er Seite 53
äußert ,damit ift die letzte Wurzel der Taufbezeichnung
ocpgayig bloßgelegt, fie liegt im Sinn und Gebrauch von
ocpgayig im vulgären und kultifchen Leben der Antike.
Weder auf die Myfterien noch auf die Befchneidung
brauchen wir zu rekurrieren, ocpgayig alsMyfterien-Terminus
und als Bezeichnung der Befchneidung find Parallel-Er-
fcheinungen zum Taufnamen ocpgayig, aber nicht deffen
Wurzel.' Weiter ftellt H. dann die Frage, weshalb gerade
die Taufe den Namen Ocpgayig bekommen habe, und führt
den Nachweis, daß fich in diefer Bezeichnung die Kultfitte
der Namennennung über dem Täufling wiederfpiegele. Zu
meiner Freude geht er dabei genau von der Stelle aus,
die auch ich für die entfcheidende halte: Hirt des Hermas
Simil. IX, 16, 3 (vergl. meinen Kyrios S. 279). Ein wertvolles
Pfalter-Fragment der Jenaer Papyrus-Sammlung
gibt Lietzmann heraus. Karl Schmidt veröffentlicht
zwei altchriftliche Gebete, Fragmente aus einem Papyrus-
Buch; das letztere gibt fich als ein Sabatgebet, das
erftere erfchließt Sch. fcharffinnig als ein Freitags-Gebet
und kommt fo zu der Anficht, daß jenes Papyrus-Buch
eine Sammlung liturgifcher Gebete enthielt. Der Auffatz
enthält überhaupt vortreffliche Bemerkungen zur Liturgie
der alten Kirche. Paul Fie big trägt auch hier feine
fchon bekannte Thefe über die Bedeutung der mündlichen
Überlieferung für die fynoptifche Literatur vor.
Er wird mit feinen Angriffen gegen die bisher herrfchende
Literar-Kritik wenig Glück haben, fo lange es ihm nicht
gelingt, pofitive, einleuchtende Refultate der neuen Methode
ans Tageslicht zu bringen, von Dobfchütz handelt
über Paarung und Dreiung in der evangelifchen Überlieferung
, eine fcharffinnige, aber etwas fubtileUnterfuchung,
bei der doch hie und da Hauptfachen überfehen find, fo,
daß Matth. 10,40 feine nächfte Parallele an Luc. 10,16
hat und hier alfo Logien-Text vorliegt, fo daß doch aller
Wahrfcheinlichkeit nach erft Lukas den Pafcha-Gedanken
in die Abendmahlsworte Jefu hineingetragen und die
Dublette in diefe eingeführt hat. Bernhard Weiß befpricht
unter dem Titel: ,Ein Tag in Kapernaum' den
Abfchnitt Mark. 1,21—-39 mit dem Refultat: ,ich wollte nur
an diefem Beifpiel nachweifen, wie die Konftruktion der
fynoptifchen Grundfchrift bei Spitta . . . unhaltbar ift', und
da mag Weiß Recht haben. Alfred Seeberg trägt
fcharffinnige und anregende, aber doch recht fragwürdige
und unbeweisbare Thefen über Vater Unfer und Abendmahl
vor: das Vater Unfer von Anfang an ein Abendmahlsgebet
; das .tägliche'Brot: das Brot der (himmlifchen)
Zukunft, die Worte ,wie auch wir vergeben haben oder
vergeben' im urfprünglichen Zufammenhang mit der gottes-
dienftlichen Sitte des Bruderkuffes (beachte übrigens die
feine Beobachtung über Didache X, 5 S. 110); die lu-
kanifche Uberlieferung (in der Form ,Dein heiliger Geift
komme über uns und reinige uns') dadurch entftanden,
daß das Vater Unfer hier feine Stelle beim Initiations-Akt
fand; hinter den erften Bitten des Vater Unfers foll ein
beftimmtes Gebet Johannes des Täufers ftehen, und die
Sitte, daß die Täuflinge mit der verfammelten Gemeinde
vor der Abendmahlsfeier das Vater Unfer beteten, foll
fchon im paulinifchen Zeitalter nachweisbar fein! Das
alles ift ein wenig viel des Neuen auf 4—5 Seiten. Übrigens
ift auch die kritifche Wendung S. 112 bemerkenswert,
das Vater Unfer gehe im felben Sinn wie die Taufe auf
Jefus zurück, d. h. nach dem Zufammenhang doch fehr
indirekt und eigentlich garnicht. Auf fichererem Boden
baut Adolf Deißmann in feiner Erörterung des Wortes
Ijtioioiog. Unter Abweis der neuen Löfung von Seiten
Debrunners, das Wort bedeute ,für den betreffenden Tag
beftimmt', greift Deißmann auf die fchon bekannte Deutung
: ,Brot für den folgenden Tag' zurück und verteidigt