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Ausgabe:

1915

Spalte:

97-99

Autor/Hrsg.:

Dahlke, Paul

Titel/Untertitel:

Buddhismus als Weltanschauung 1915

Rezensent:

Franke, R. Otto

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf Harnack

Fortgeführt von Professor D. Arthur TitiuS und Oberlehrer Lic. Hermann Schuster

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Jährlich 26 Nm. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig Halbjährlich 10 Mark

. Manufkripte und gelehrte Mitteilungen find ausfchlicßlich an -|/T" irtte

40. Jahrg. NT. O Profcffor D. Titius in Göttingen. Nikolausberger Weg 66, zu fcndcn. O. IVlarZ lthO

ö Rezenfionsexemplare ausfchlicßlich an den Verlag.

Dahlke, Buddhismus als Weltaufchauung
(Franke).

— Die Bedeutung des Buddhismus für unfere
Zeit (Derf.).

Dussattd, Les Monuments palestiniens et ju-

daiques (Guthe).
Wal d e,Die Esdrasbücher derSeptuaginta(Beer).
Neuteflamentlichc Studien, G. Heinrici zu feinem

7o. Geburtstag dargebracht (Bouffet).
Wohleb, Die lateinifche Überfetzung der Di-

dache (v. Soden).
Corpus Scriptorum Christiauorum Orientalium.

Expositio officiorum ecclesiae Georgio Arbe-

lensi vulgo adscripta, ed. ConuoUy (Diettrich).

Weiffembach, Quellen zur Gefchichte des
Mittelalters bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts

(Lerche).

Paflor, Gefchichte der Piipfle feit dem Ausgang
des Mittelalters 6. Bd. (Köhler).

Koepp, Johann Arndt (Kohlmeyer)

v. d. I'fordten, Konformismus (Kowalewski).

Winkelmann, Die Offenbarung (Loblfein).

Jakobovits, Die Lüge im Urteil der neueften
dcutfchen Ethiker (Kattenbufch)

Burggraf, Goethepredigten (Schian).

Keukauf, Didaktik des evacgelifchen Religionsunterrichts
in den Voiksfchulen (Kabifchi.

Referate: Kniefchke, Das heilige Land im
Lichte der neueften Ausgrabungen und Funde.

— Reichhardt, Geburt, Hochzeit u. Tod.

— Girgenfohn, Zwölf Reden über die chrift-
liche Religion. — König, Das antifemitifche
Hauptdogma. — Baur, Die Fordcruug einer
Weiterbildung der Religion auf ihre Grundlagen
unterfucht.

Mitteilung (4). Voranzeige einer religionsgc-
fchichtlichen Bibliographie (Giemen).

Entgegnung von Schnitzer und Schlußerklärung
von Köhler.

Wichtige Rezenftouen. — Neuefte Literatur.

Dahlke, Paul: Buddhismus als Weltanrchauung. (265 S.) gr.8°.

Breslau, 1912. Leipzig, W. Markgraf M. 6 —

— Die Bedeutung des Buddhismus für unlere Zeit. (22 S.)

gr. 8°. Ebd. 1912. M. —60

Der Eindruck diefer beiden Schriften, die im folgenden
als I und II zitiert werden, auf den Ref. war ein fo wenig
einheitlicher und klarer, daß er fie nach der erften Lefung
auf längere Zeit beifeite legen mußte, um erft etwas mehr
Durchblick zu gewinnen. Daher die Verfpätung der Anzeige
.

Was die Gefühle des Nicht-Neubuddhiften beim Lefen
beider fo zwiefpältig macht, das ift in erfter Linie gerade
der Eindruck der hohen geiftigen Bedeutung des Ver-
faffers. Sein Denken ift fo originell, feine Auffaffung fo
geiftreich, fein Wiffen fo ausgedehnt, daß man fich von
feiner Darfteilung am liebften widerftandslos überzeugen
ließe. Es macht ja nichts aus, daß er fo ziemlich alles
Geltende niederreitet. Da bei der großen Rolle, die die
Mode leider auch in den Wiffenfchaften fpielt, oft gerade
das am verdächtigften erfcheinen follte, was am allge-
meinften als Wahrheit anerkannt wird, fo braucht fein
erfrifchender Trieb aufzuräumen, an fich kein fchlechtes
Zeichen zu fein. Ref. gefteht, daß er die naturwiffen-
fchaftliche und allgemein-philofophifche Seite an D.s Arbeiten
am ungemifchteften genoffen hat, und bedauert
nur, zugleich bekennen zu müffen, daß er über die natur-
wiffenfchaftlichen Dinge zu wenig fachliches Urteil hat,
um mit fich einig zu werden, ob feine Freude auch begründet
fei.

Was die buddhiftifche Seite feines Problems anbetrifft
, fo will D. dem Umftande abhelfen, daß die Löfung
der für uns wichtigften Menfchheitsfragen, die nach feiner
Uberzeugung im Buddhagedanken vorliege, doch in einer
uns vorläufig fo fremdartigen Form gegeben fei, daß fie
praktifche Wichtigkeit bisher nicht erlangt habe (I S. 8).
kr will Buddhas Gedanken alfo in eine uns angemeffenere
l'orm umgießen und dadurch unferem Verftändnis und
pefchmacke näher bringen. Man kann fich die Gefahr
leicht vorftellen, die mit diefem Verfuche verbunden ift,
und es fcheint dem Ref., daß D. diefer Gefahr erlegen
jft. Er hat viel zu viel Realwiffenfchaftliches, zu viel Feftes
«1 Buddhas luftige Begriffe hineingetragen und benutzt
logar umgekehrt den Buddhismus als Leuchte, um die
noch beftehenden Dunkelheiten und Rätfei der Wiffen-
Rhaften aufzuhellen. Selbft in D.s fo verfeinerter Faffung
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find die Ergebniffe des Naturerkennens im Wefen doch
etwas ganz anderes als Buddhas Philofopheme.

Schnn Worte wie .Buddhismus ift Wirklichkeitslehre' (I S. 37,
ähnlich II S. 13), ,Der Buddha begriff Wirklichkeit ... am eigenen Ich'
!l S. 37), ,Bei der einzig reinen Wirklichkeit der Welt, dem Ich, fetzt
er ein' (I S. 43) machen doch wohl aus dem Ich irgendwie etwas Pofi-
tives, was Buddha nie darin gefehen hat. Es kommt dabei wohl wenig
darauf an, daß I). unter Wirklichkeit das verlieht, was wirkt (was foll,
nebenbei bemerkt, der Klarheit des Verftiindniffes denn mit folcher Wort-
fpielerei gedient fein?). Der Terminus Sankhära befagt, daß für uns alles
Vorßellung ift, nicht aber, daß ,alles zufammengefetzter . . Natur1 (I S. 49)
fei. Vgl. auch I S. 133. Daß ,alie Lebewefen auf Grund vou Kräften'
.beliehen', daß ,der Buddha wirkliche Energien lehre' und daß mit
Kamnia folche ,Inkraft' gemeint fei (I S. 50), eine anfanglofe individuelle
Energie (II S. 10), das alles find viel zu pofitive und konkrete Auf-
faffungen. rüpa ift nicht .Körperlichkeit' (I S. 51), fonderu ,Gellalt'.
Buddha vergleicht den Erfcheinungsprozeß mit dem Feuer, D. fagt (z. B.
II S. 8): .Der Buddha lehrt, daß jedes Lebewefen durch und durch ein
Verbrennungsprozeß ift'. Die Tatfachen des biogenetifchen Gruudgefetzes
follen .unbeabfichtigter Buddhismus' fein (I, 186). ,Der Embryo in feinen
Entwicklungsftadicn' führe ,die Spuren des Samsära' (der Seelenwanderung
) ,vor' (I S. 187). Was foll man dazu fagcu, daß wir die Buddha-
Lehre hingeftellt fehen als die Erklärerin, ja als die alleinige Erklärerin,
der gelegentlichen Erfolglofigkeit des Begattungsprozeffes und auch als
die Erklärerin der gleichzeitigen Ähnlichkeit und Unähnlichkeit zwifchen
Erzeugern und Kindern? (I S. 165f.) Es ift willkürlich, in der Stelle
Majjhimanikäya 38 (I S. 265f.), die die Phyfiologie der Zeugung gibt,
den dritten Faktor, der außer Vater und Mutter für ihr Zuflandekommen
mit notwendig ift, den gandhabbo, aufzufallen als die .individuelle
Energie' (I S. 63), d. h. als das Kamma, das weiter wirkende Handeln
einer früheren Exifteuz (ebd.). Der gandhabbo ift vielmehr ein mytho-
logifches Überlebfei, ein Ret! der ehemals u. a. als gandharva bezeichneten
Gottheit, d. h. des göttlichen Ur- und Lebeusprinzips, das,
mit diefem Namen benannt, namentlich zum Liebesleben Beziehungen
hatte. Daß Buddha ein folches aber nicht mehr wirklich gemeint haben
kann, dürfen wir, vorausgefetzt einmal, daß diefes Lehrtlück wirklich von
ihm herrührt, feiner fonltigen Lehre Dach als ftcher annehmen. Was er
und feine Zeit darunter fich vorgellellt habe, refp. ob er und fie überhaupt
in diefem Zufammenhange etwas Bellimmtes darunter fich vorgellellt
haben, ift ganz dunkel. Vielleicht war die Redensart zur finnlofen Phrafe
geworden und gandhabbo bezeichnete einfach den unbeftimmbaren
Faktor X.

I, 67 fagt D. feiner naturwiffenfehaftlichen Auffaffung
zuliebe: ,Di'efe Fähigkeit' (der Rückerinnerung Buddhas
an frühere Exiftenzen), auch auf die embryonalen Perioden
ausdehnen zu wollen, wäre widerfinnig .. . Daher fagt der
Buddha, . .., nicht: 'ich erinnere mich, den und den
Mutterfchoß verlaffen zu haben' . . .'. Hier find wir durch
Zufall (und durch eine kleine Flüchtigkeit D.s) einmal in
den Stand gefetzt, die Nichtberechtigung feiner Darftel-
lungsweife handgreiflich zu machen, denn Majjhimanikäya
123 (III, u8ff.) behauptet ausgerechnet folche Erinnerung.
Es fprechen da zuerft Buddhas Mönche über feine wunder-