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Ausgabe:

1915

Spalte:

83-84

Autor/Hrsg.:

Krieg, Julius

Titel/Untertitel:

Der Kampf der Bischöfe gegen die Archidiakone im Bistum Würzburg; unter Benutzung ungedruckter Urkunden und Akten dargestellt 1915

Rezensent:

Lerche, Otto

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Seite 1

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83

Theologifche Literaturzeitung 1915 Nr. 4.

den Neupythagoreismus zurück. Athanafius hat alfo fein
Idealbild für das apotaktifche Asketentum aus der Antike
entnommen und damit nur das neue chriftliche Element verwoben
. Im Gegenfatz aber zu den fpäteren typifchen
Heiligenleben will er ein Charakterbild zeichnen und den
ihm überkommenen Schattenriß damit ausfüllen, daß er
Menfchengröße und Seelenadel an dembildungs- undkultur-
lofen Mönch fchildert. Ich vermag die Differenz der beider-
feitigen Auffaffungen der Vita Antonii nicht für fo tiefgreifend
zu halten, daß fie fich nicht gegenfeitig ergänzten.
R. fcheint mir darin Recht zu haben, daß die Vita Antonii
eine feelifche Entwicklung nicht fchildert. Eine folche zu
geben hat das Altertum nicht vermocht, es fchildert das
äußere Werden, die große Tat und den fertigen Charakter.
Daß aber das von Athanafius gezeichnete asketifche Ideal
nichts als ins Chriftliche übertragene hellenifche Myftik
ift, die damals nach R. angeblich noch in Ägypten herrfchte,
halte ich für unrichtig; denn Reitzenftein felbft hebt am
Schluß mit Recht hervor, daß die chriftliche Frömmigkeit
des Athanafius die Philofophie nicht ergänzt, fondern
felbft Philofophie, die (pgövrjciq ift, die wahrhaft frommt,
nach der alle Menfchengröße nur als Gottes Werk erfcheint.

Münfter i/W. G. Grützmacher.

Krieg, Stadtkapl. D. Dr. Jul.: Der Kampf der Bifchöfe gegen
die Archidiakone im Bist. Würzburg; unter Benutzung un-
gedr. Urkunden u. Akten dargeftellt. (Kirchenrechtliche
Abhandlungen. 82. Heft.) (XXII, 284 S.) gr. 8°.
Stuttgart, F. Enke 1914. M. 12 —

Das vorliegende Buch gehört zu einer hervorragend
eingeführten Reihe; aber es will mir nicht recht einleuchten,
daß das von Krieg zufammengeftellte Material in einer fo
breit angelegten Darftellung geboten werden mußte. Gewiß
foll anerkannt werden, daß der Verfaffer mit großem
Fleiß die einfchlägigen Quellen der Würzburger Archive
durchgearbeitet hat. Auch ift es gewiß eine Aufgabe von
nicht geringem Reiz, ,eine eigene Darfteilung des großen
und zum Teil wechfelvollen Kampfes, in dem die Bifchöfe
fich der Archidiakone und ihrer Macht zu erwehren
hatten' zu geben, wenigftens für das Bistum Würzburg.
Dementfprechend wird der Verf. für feine Arbeit einen
großen Kreis von lntereffenten finden, die in diefer Publikation
eine Bereicherung unferer Literatur über das
Archidiakonat erwarten. Die Erwartungen werden nicht
ganz erfüllt. Die Darfteilung ift viel zu fehr in die Breite
gegangen, ift viel zu fehr zerriffen. Die mit pedantifcher
Genauigkeit auch im Texte durchgeführte Dispofition wirkt
recht ftörend, und das katechismushafte Frage- und Ant-
wortfpiel gehört nicht in eine gelehrte Darftellung. Wenn
nun auch für die Anordnung des erarbeiteten Materials
Schwierigkeiten obgewaltet haben, die zu einer Dispofition
nach der Reihenfolge der Bifchöfe geführt haben und die
einige unvermeidliche Wiederholungen entfchuldigen, fo
fcheint mir doch der Verfaffer zu weit gegangen zu fein.

Den Rückblick von S. 159—175 hätte er fich getroft fchenkeu
können, zumal er in ausgezeichneten Tabellen die Ergebnifle nochmals
zufammenftellt. Dagegen weiß ich nicht, wie die auf S. 175—178 erfolgte
Beantwortung der Frage: übten die Archidiakone die Befugniffe,
die ihnen am Ende des Kampfes verblieben, auch wirklich aus? an den
Schluß des Rückblicks über den Kampf kommt. Schon dadurch, daß der
Verf. gleich im Anfang diefer letzteren Erörterung mehrfach auf fpätere
Partien feines Buches hinweift, ergibt fich, daß fie nicht hierher gehört.
Ermüdend wirkt auch die häufige paragraphenweife Widergabe der bi-
fchö fliehen Uerichtsftatuten, die manchmal mehr, manchmal wem'ger von
einander verfchieden find und die am heften nach ihrem Inhalt in Tabellenform
miteinander verglichen würden. Sonft hätte man wenigftens
die wichtigften Sätze im Wortlaut notieren follen.

Das alles find Schönheitsfehler des Buches, das als
wiffenfehaftliche Leiftung und als Materialfammlung immerhin
Anerkennung verdient. Nach einer Einleitung über
die Entftehung des Archidiakonats und feine beiden Epochen
geht K. über zu einer fpeziell Gruppierung der
Würzburger Archidiakonate. In den Abfchnitten 1—3

handelt er eigentlich mehr allgemein über das Archidiakonat
— er legt dar das Privileg des Sendrechtes als
Fundament der archidiakonalen Macht, weift die Berechtigung
des bifchöflichen Antagonismus nach und deffen
vorwaltende Bedeutung — und geht dann auf befondere
Würzburger Verhältniffe ein, wo er drei Perioden unter-
fcheidet: I. 1225 — 1322, II. 1322—1411, III. 1411 —1519. In
der erften Periode (Abfchnitt IV) erörtert K. den Anfang
des Kampfes, in dem den zu mächtig gewordenen Archi-
diakonen einige Rechte vom Bifchof entzogen werden;
z. B. die Inveftitur bei Kuratbenefizien mit Ausnahme der
Obleipfarreien, des Konfensrechtes bei Inkorporationen, des
Monopols in der geiftlichen Gerichtsbarkeit. In der II.
Periode macht Epoche das Inftitut des Generalvikars und
der mtenfive Einfluß des Bifchofs auf die Verwaltung der
Diözefe, wogegen die III. Periode ausgefüllt ift mit Gegen-

j fchlägen der Archidiakone, mit Verfuchen, die Juftiz nicht
auch wie die Verwaltung dem Bifchof ganz allein zu
überladen. Die Archidiakone erreichen, daß, wie bisher
der bifchöfliche Offizial, auch in Zukunft der bifchof liehe
Generalvikar Domherr fein foll. Im Allgemeinen ift im
15. Jahrhundert durchweg ein Sinken der Macht der
Archidiakone feftzuftellen; den inneren Grund dafür glaubt
K. darin zu finden, daß das Archidiakonat im Gegenfatz
zum Bistum nicht auf jus divinum fondern auf jus humanuni
beruht. Mir fcheint, wenn denn einmal theore-
tifiert werden foll, daß im Archidiakonat unorganifch miteinander
verbunden werden ein beneficium und ein jus
mandatum. Doch, wie dem fei, das Archidiakonat hat
feine Bedeutung im Anfang des 16. Jahrhunderts verloren.

! Es handelt fich damals nicht mehr um einen Kampf der
Bifchöfe gegen das Archidiakonat, fondern die erledigten

j Stellen werden einfach nicht wieder neubefetzt. Die Reformation
, die in den weitausgedehnten Gebieten des Bis-

I tums bald Eingang fand, mag das ihrige zur Lockerung

! der Archidiakonatskreife getan haben, ebenfo der Bauern-

j krieg: das Tridentinum hat gefetzmäßig den neuen Ver-
hältniffen Raum gegeben. 1584 ift die Archidiakonats-

j einteilung gefallen. Wefentlich und außerordentlich über-
fichtlich und inftruktiv find die vom Verf. aufgeftellten
Tabellen über die Wirkfamkeit der Archidiakone.

LeiPzig- Otto Lerche.

Schubert, Prof. D. Dr. Hans von: Reich und Reformation.

(Rede.) (48 S.) gr. 8°. Tübingen, J. C. B. Mohr 1911.

M. 1 —

Der Verf. tritt an die entfeheidenden Jahre des 16.
Jahrhunderts, welche die dauernde Spaltung unfres Volkes
gebracht haben, mit der Frage heran, ob denn nicht die
ftaatliche Ordnung wenigftens einen Anlauf genommen
hat, durch das Mittel der Reichsorganifation die religiöfe
und damit in vieler Beziehung die geiftige Einheit zu
retten. Die feinfinnige Erörterung diefer Frage von ftärkftem
hiftorifchen Gewicht ift reich an neuen Gefichtspunkten
und daher von bleibendem Werte.

Bedeutfam ift gleich der Ausgangspunkt des Verf.s,
die Verbundenheit des Reichsgedankens mit den Verfuchen
einer Reform des Reiches und der religiöfen Reformation
. Wenn der Höhepunkt der verfaffungsrecht-
lichen Bewegung (die Tätigkeit des von Karl V. dem
Wahlvertrage gemäß wieder eingefetzten Reichsregiments)
mit dem Durchbruch der religiöfen zufammenfällt, fo deutet
fchon diefes zeitliche Zufammentreffen darauf hin, daß
zwifchen beiden ein innerer Zufammenhang befteht, daß
fie gegenfeitig fich bedingen. Indem v. Schubert die enge
Beziehung beider Beftrebungen bis zu ihren Anfängen im
Mittelalter zurückverfolgt, wird es ihm leicht, den Punkt
aufzuzeigen, auf dem die offizielle antikuriale Bewegung
und die Sache Luthers fich finden konnten. Eine neue
Rechtslage, welche dem Banne des Papftes nicht ohne
Prüfung die Acht des Reiches folgen laffen will, und die