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Ausgabe:

1915 Nr. 4

Spalte:

76-79

Autor/Hrsg.:

Kittel, Rudolf

Titel/Untertitel:

Die Psalmen, übers. u. erklärt. 1. u. 2. Aufl 1915

Rezensent:

Staerk, Willy

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Theologifche Literaturzeitung 1915 Nr. 4.

7"

aus manchen Anzeichen jedenfalls für einzelne Gegenden
im höchften Altertum ebenfo nachzuweifen wie fie bei
modernen Naturvölkern zweifellos befteht. Auch in der
Begründung feiner unverändert gebliebenen euemeriftifchen
Erklärung der drei Götter Adonis, Attis und Ofiris ift
der Verf. zurückhaltender geworden. Er gibt Götter zu,
die nicht auf diefem Weg entftanden find (Bd. II, S. 196).
Hartnäckig verbleibt er für die Erklärung des Adonis als
eines gefchichtlichen Königs bei dem einzigen dafür vorgebrachten
Indizium, der angeblichen Bedeutung vielverbreiteter
femitifcher Perfonennamen mit ,adon' als
wirklicher Gottesnamen, eine Auffaffung, die wohl jeder
fachkundige Semitift ablehnen wird. Wie er fich den
Zufammenhang zwifchen dem hiftorifchen Gottkönig und
dem Vegetationsgott denkt, ift mir für alle drei behandelten
Gottheiten noch jetzt nicht klar geworden, auch
nicht wenn ,sympathetic magic' dabei eine vermittelnde
Rolle fpielen foll. Daß in der Religionsgefchichte gelegentlich
eine beftimmte Gottesvorltellung aus der Verehrung
eines Menfchen entftanden ift, kann nicht in Abrede gefleht
werden. Ahnenkult und Königskult legen vielfaches
Zeugnis dafür ab. Wenn aber Ofiris aus dem König
Klient der erften Dynaftie entftanden fein follte, wie der
Verf. nicht ohne Gefchick als möglich darzutun verfucht
(Bd. II, S. 198), fo kann die Bedeutung des Ofiris als
Vegetationsgott oder fpeziell Korn- und noch früher
Baum-Geift (Bd. II, S. 107), für die der Verf. von Anfang
an als einer der erften eingetreten ift, doch nur außerhalb
jener gefchichtlichen Erinnerung fich gebildet haben,
und vielleicht ift das auch des Verf.s Meinung. Aber
dann läßt er das religiöfe Problem ebenfo unerklärt wie
die Verfchmelzung der religiöfen Vorftellung mit der
gefchichtlichen Perfon.

Indeffen alle Kritik der Auffaffungen des Verf.s wird
entwaffnet durch die Selbftbefcheidung feines Vorworts,
wo er von feinen Ergebniffen erklärt: ,Ob es fo war oder
nicht, vermag ich nicht zu fagen. Je länger ich mich mit
Fragen der alten Mythologie befchäftige, defto miß-
trauifcher werde ich gegen den Erfolg des Verfuchs, fie
zu beantworten'. Welchen ideellen Gewinn der Verf.,
trotzdem in diefer Befchäftigung zu finden weiß, wolle
man in der Weiterentwicklung diefer Refignation bei ihm
felbft Bd. I, S. IX f. nachlefen.

Ich habe die Befprechung diefes Werkes, deffen
Grundlage zu einem nicht kleinen Teile deutfche For-
fchungen und Beobachtungen bilden, übernommen in den
Friedenstagen der erften Hälfte des verfloffenen Sommers
und habe auch jetzt gemeint, fie nicht ungefchrieben
laffen zu follen als eine Reminiszenz an die Zeit, da wir
noch glauben durften, mit unfern Stammesverwandten
jenfeit des Kanals in lebendigen Beziehungen einer Geiftes-
gemeinfchaft zu ftehn.

Berlin. Wolf Baudiffin.

Gennrich, Paul: Moderne buddhiftifche Propaganda u. indifche
Wiedergeburtslehre in Deutfchland. (III, 52 S.) 8°. Leipzig,
A. Deichert Nachf. 1914. M. 1.20

Ein wohltuend kritifcher, gut aufklärender, anerkennenswerter
Überblick über die auf Verbreitung des
Buddhismus im Abendlande gerichteten Beftrebungen,
Vereinigungen, Zeitfchriften und Werke. Die fieben
Kapitel behandeln: 1. Buddhiftifche Propaganda durch
buddhiftifche Vereine, 2. Einführung buddhiftifcher Lehren
durch die Theofophie, 3. Schopenhauer und Richard
Wagner als Wegbereiter des Buddhismus, 4. Entftehung
und Wefen der indifchen Wiedergeburtslehre, 5. .Wiffen-
fchaftliche'1 Begründung der Wiederverkörperungslehre
durch die Neubuddhiften, 6. Die Wiederverkörperungslehre
in Verbindung mit dem Entwickelungsgedanken.

1) Die Gäufefüßchen hat fchon der Verfafler felbft gefetzt.

Theofophifche und philofophifche Rechtfertigungsverfuche,
7. Beurteilung der Wiederverkörperungslehre. Richard
Wagners Parfifal. Auch dem Buddha- und Päli-Forfcher
j hat das Schriftchen einiges Neue zu enthüllen. Mit Ver-
] gnügen erfährt man die biederen deutfchen Namen einiger
Buddhiften-Mönche, hinter deren bekannten hochklingenden
Sanskrit- und Päli-Namen die deutfche Landsmann-
fchaft nur zu ahnen war. Einen kleinen Verfloß (S. 25
,das Tanna' ftatt ,die Tanha') wird die Indologie dem
Verfaffer nicht als Todfünde anrechnen.

Königsberg i. Pr. R. Otto Franke.

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Kittel, Prof. D. theol. Rud.: Die Pralmen, überf. u. erklärt.
1. und 2. Aufl. (Kommentar zum Alten Teftament.
13. Bd.) (LIX, 521 S.) gr. 8". Leipzig, A. Deichert
Nachf. 1914. M. 12—; geb. M. 14 —

Das Bedürfnis nach einem groß angelegten wiffen-
fchaftlichen Kommentar zu den Pfalmen hatte fich fchon
feit längerem fühlbar gemacht. Die älteren exegetifchen
Arbeiten, die einige Jahrzehnte den Markt beherrfcht haben
, fingen an zu verfagen, weil fie den Lernenden über
eine ganze Reihe von Problemen der Pfalmenliteratur,
die fich mit der fortfchreitenden Erweiterung des wiffen-
fchaftlichen Gefichtskreifes aufdrängten, nur ungenügend
oder garnicht Befcheid gaben. Auch die verbreitetfte
unter ihnen, Baethgens fleißige, nur etwas nüchterne Erklärung
, die nach und nach ein vielbenutztes Studentenbuch
geworden war, entfprach den zu Hellenden Anforderungen
fchon längft nicht mehr. Gunkel's ausgewählte
Pfalmen waren zwar rechtzeitig ergänzend in diele Lücke
getreten, konnten aber den Mangel einer Gefamterklärung
des Pfalters nicht befeitigen. Des Ref. .Religiöfe Lyrik'
hat fich denfelben Tadel zugezogen, ift übrigens auch
ihrer ganzen Abzweckung nach nicht eigentlich für die
Studierenden gefchrieben worden. Nun ift Kittel mit
einem vollftändigen Kommentar auf den Plan getreten,
der wie das ganze Sellin'fche Unternehmen die gefährlichen
Wege der .kurzgefaßten' Handbücher grundfätz-
lich meidet und die Forderungen erfüllen will, die vom
Standpunkt der heutigen altteftamentlichen Wiffenfchaft
an einen Pfalmenkommentar geftellt werden müffen.
Er darf alfo mit Recht für fich das Prädikat in Anfpruch
nehmen, daß er einem wirklichen Bedürfnis entgegenkommt
.

In der Anlage des Kommentars geht K. allerdings
nicht grundfätzlich neue Bahnen. Er hat fich nicht ent-
fchließen können, die Erklärung nach der Reihenfolge der
Lieder im maforethifchen Pfalter aufzugeben zu Gunften
eines Ordnungsprinzips, das den Studierenden befähigt,
die charakteriftifchen, formalen und inhaltlichen Eigen-
fchaften der verfchiedenen Literaturgattungen unmittelbar
durch die Beifpiele auf fich wirken zu laffen. Was
K. S. XXXI Anm. 1 für die Beibehaltung der überlieferten
Anordnung der Lieder anführt, will mir nicht recht
überzeugend erfcheinen. Gewiß ift diefe nicht nur zufällig
, aber die Gründe, die für fie maßgebend waren,
find, foweit wir fie erkennen können, von Anfchauungen
über den Charakter der Lieder beftimmt, die wir nicht
als ausreichend für deren volles Verftändnis hinnehmen
können. Auf weite Strecken hin hat man den Eindruck,
daß die einzelnen Pfalmen planlos aneinander gereiht find]
Da können die von Delitzich aufgedeckten Beziehungen
rein äußerlicher Art, durch Anklänge oder Stichworte, falls
fie wirklich vorhanden find, keinen Erlätz bieten. M. E.
ift der Nachteil einer Neuordnung der Pfalmen nach feilen
fachlichen Gefichtspunkten gering im Verhältnis zu dem,
was das Feilhalten an der traditionellen Reihenfolge mit
ihrem z. T. unerträglichen Nebeneinander ganz verfchie-
dener Gattungen uns zumutet K. ift diefer Mangel der
Überlieferung natürlich wohl zum Bewußtfein gekommen.
Er hat ihn durch viele Verweife in der Erklärung und