Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1915 Nr. 2

Spalte:

30-32

Autor/Hrsg.:

Leszynsky, Rud.

Titel/Untertitel:

Die Sadduzäer 1915

Rezensent:

Beer, Georg

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

29

Theologifche Literaturzeitung 1915 Nr. 2.

30

Puränen und den verwandten und an fie anschließenden
Werken und auf die Reformatoren (faft bis zur Miffion
der Gegenwart) in Kap. V (S. 254 fr.) — die Feier von
Krifchnas Geburtstag z. B. ift eine Nachbildung des durch
die Neftorianer in der erften Hälfte des 7. Jahrh. n. Chr.
nach Indien verpflanzten Chriftfeftes (S. 255, 259) — beschließt
G. fein lehr verdienftliches Buch.

Daß deffen Ergebnifle nicht in jeder Beziehung abschließend
fein werden, daß es vielmehr in der Natur
vieler der darin behandelten Probleme liegt, daß die Entscheidung
über Sie oft eine etwas fubjektive fein muß,
das beweift Schon G.s oben erwähnter Stellungwechfel
zwifchen Seinem Artikel in der Deutfchen Rundfchau,
XXXVI (Juli 1910), und feinem hier besprochenen Buche;
und G. in Seiner gewohnten Anfpruchslofigkeit bekennt
felbft S. 11: .Nicht durchweg Sind die ErgebniSSe abschließend
'. Es gibt auch von Dingen, die nicht direkt
zum Hauptthema des Werkes gehören, einige, an denen
Ref. nicht ganz mühelos ohne Kritik vorübergekommen
ift, fo die Anflehten über die Entstehungsgeschichte der
Göttlichkeit Buddhas (165 fr.), Krifchnas (210), Rämas(268),
über das Wefen des Nirväna (171 f.), über die. Schrecklich
zufagen, .totemiftiSche'Natur der Tierfymbole imKrifchna-
glauben (265 s). Solche Nebensächlichkeiten in der Ge-
famtbeurteilung aufzubaufchen, verriete aber eine große
Unfähigkeit, die Bedeutung von G.s Buche richtig zu
erkennen und nach Gebühr anzuerkennen.

Königsberg i. P. R. Otto Franke.

Rießler, Prof. Dr. Paul: Der Untergang des Reiches Juda u.
das Exil im Rahmen der Weltgerchichte. r. u. 2. Aufl.
(BiblifcheZeitfragen. V.Folge, 1. Heft.) (46 S.) gr. 8».
Münfter i. W., Afchendorff 1912. M. —6b

Dem Titel feines Schriftchens entsprechend Sucht der
Verfaffer das Bild des Unterganges Judas und des Exils,
wie es uns die altteftamentlichen Quellen bieten, möglichst
in den Rahmen der Weltgeschichte hineinzufpannen. Er
verwendet denn auch auf die Darfteilung der weltgeschichtlichen
Beziehungen der in Frage flehenden Zeit befondere
Mühe. So lebhaft ich das anerkenne, fo kann ich doch bei
Stark abweichender Beurteilung eines großen Teiles des
von R. verwendeten biblifchen Materiales meinen entschiedenen
Widerspruch gegen eine Reihe von Ergebnissen
feiner Darfteilung nicht verhehlen. Daß z. B. Joels düftere
Schilderung des Feindes auf die griechifchen Piraten
gehen Soll, die Schon zu Zeiten Amilmarduks (diefer
übrigens = ,der Baltafar der Hebräer und Sardanapal
der Griechen' S. 33) an die Pforten des Reiches geklopft
hatten, aber abgewiefen worden waren und jetzt in verstärkter
Anzahl wiederkamen (S. 37), ift reine Mutmaßung,
an Sich ebenfowenig gefichert als fo manche andere, die
über Joels genaue ZeitverhältnifSe geäußert worden ift.
Aber woher weiß der Verfaffer, daß durch jene Piraten
,in Jerufalem der Königsfohn Salathiel mit andern Edeln
getötet, die Stadt ausgeplündert und verwüftet, der notdürftig
reparierte Tempel gefchändet und die Einwohner-
Schaft hingeschlachtet' wurde? (S. 38). Die Belegstellen,
auf die Sich R. beruft: Thr. 5 Pf. 79 Sach. 12,10 find
wahrlich nicht darnach, daß es anginge, dergleichen in
Form bloßer Behauptung vorzutragen.

Aber die Begründung der Einzelheiten behält R. einer
befondern Arbeit vor (S. 4).

Man ift für manchen Auffchluß auf fie gefpannt. Warum z. B. greift
«üb /e ''3 auf die aIte Gleichuns" Kebar-Chaboras in Mefopotamien
rUuU-r (S- l8)> nachdem wir den naru kabaru in Babylonien aus In-
fchnften kennen gelernt haben? warum geht er mit der ausdrücklich
auf 571 datierten Rede Hefekiels 29, 17 ff. um über 20 Jahre zurück (S. 2l)f
warum fetzt er den Tod Nabopolaffars 585 (ftatt 605) an (S. 29f.)? warum
gibt er in der Notiz über Jofias Ende II Chr. 35, 23 f. vor II Kon. 23, 29 f.
den Vorzug (S. 9) ufw. Wo fich freilich zeigt, daß R. die Erzählungen
der Bücher Daniel, Efter und Judith als Gefchichtsquellen für die baby-
lonifche Zeit in Rechnung Hellt oder in den Ereigniffen bis 560 fchon

die Erfüllung der danielilchen Weisfagung von den 4 Reichen fieht (S. 37),
da wird die Verftändigung über eine Reihe von Punkten leider ein Ding
der Unmöglichkeit bleiben.

Göttingen. Alfred Bertholet.

Leszynsky, Rud.: Die Sadduzäer. (309 u. V S.) gr. 8°.

Berlin, Mayer u. Müller 1912. M. 6 —; geb. M. 7 —

Hatte man bisher im Anfchluß an Geiger (Urfchrift,
Breslau 1857) und Wellhaufen (Pharifäer u. Sadduzäer,
Greifswald 1874) in den Sadduzäern die Erben der Hellenisten
und in den Pharifäern die Nachfolger Esra's und
der .Frommen' (Bi-pOrf) gefehen, die Sadduzäer für
die Partei derPriefter mit vorwiegend politischem Intereffe
und die Pharifäer für die Partei der .Religiöfen' gehalten,
So möchte Leszynsky durch neue Argumente die früher
beliebte Anficht über die Sadduzäer wiederbeleben, wonach
Sie als die Karaiten des Altertums einzuschätzen
feien (S. 14). Nicht der allmählich herausgebildete Volksbrauch
, für den die Pharifäer eintreten, fondern allein
das Schriftliche Gefetz bildet die Norm für das Leben:
das Soll das Hauptdogma der Sadduzäer fein, in welchem
Sie eben mit den fpäteren Karaiten zusammentreffen.
Was nicht in der Schriftlichen Tora Halt hat, fei vom
Übel. So kommen die Sadduzäer dazu, die erften Interpreten
des Gefetzes zu werden, und zwingen ihre Gegner,
die Pharifäer, die Männer der mündlichen Überlieferung,
ihrerfeits Sich durch Ableitung ihrer in das Leben eingeführten
mündlichen Traditionen aus der Schrift zu rechtfertigen
. Denn Schließlich war für alle Denominationen
des Judentums das in den 5 Büchern MoSis niedergelegte
Gefetz der Lebensnerv. Für alle war daher die Frage;
wie ftehft du zum Gefetz? grundlegend.

Es liegt etwas Wahres in der Hypothefe L.s. Gibt
doch Jofephus mit ähnlichen Worten den Unterfchied
zwifchen Pharifäern und Sadduzäern Antiq. XIII, 10,6 an,
wenn er fagt: vvv xai drjXmöai ßovXofiai, ort vofitfia
xoXXa xiva jtaQtöoöav rät örjfico 01 <PaQiOaloi ex xaxeomv
öiadoy^q avrsp ovx dvayeyoaxxai ev xolq Mmvaecaq vö-
[toiq xai öia xovxo xavxa xb 2addovxaimv yevoq ixßaXXei
Xeyov exelva 6elv r/yeicfrai vöfiiua xa yeyQa/eueva, xa.
d* ex Jiagaöooemq xmv naxegmv /ir) xrjgetv. xai negi xov-
xeov C,rxröeiq avxolq xai öiaepogaq ylveöQ-ai ovveßaivev
ueyaXaq.

Daß der Name .Pharifäer' felbft fchon für diefe
Deutung Spreche (Lesz. S. 27, Anm. 2), kann ich allerdings
nicht billigen.

'PaQtaaloi—y^'^ könnte freilich durch U*~l*T>T^'AoiöaZoi beeinflußt
— aber auch urfp'rünglich fein! Denn das in der Mifchna regelmäßig
dafür flehende QilSIIB könnte durch den Gegenfatz OipiflS in
der Ausfprache bedingt fein I ' JUB'nB möchte fchließlich nur die ära-
mäifche und *H21~iB die hebräifche, jene die im Volksmunde und diefe die
von der archaifierenden Mifchna bevorzugte Ausfprache fein. Pharifäer •=
,Erklärer' (nämlich des Gefetzes), wie L. felbft S. 27. 123, den Namen
deuten will, würde ein Partizip des Intensivftammes von VU"ijj nötig machen;
ein !B1*1B = Erklärer schwebt in der Luft, mag gelegentlich auch <f»apt-
aatoq in der alten Überlieferung mit ,Erklärer' gedeutet werden. Es bleibt
dabei: Pharifäer ift der Abgefonderte, der Superfromme, der fich von
dem yiitn DS, dem zügellofen, gefetzesunkundigen großen Haufen, durch
ftrikte Befolgung des väterlichen Gefetzes abfondert (Levy, Neuhebr.
Wörterbuch IV, 1889, 142). —

Gelten die Sadduzäer als die Griechenfreunde, wie
Steht es dann mit Jofephus, der Pharifäer ift, aber für
Griechen Schreibt, ja Sogar Griechen abschreibt (Lesz.
S. 15)? Hier Scheint die übliche Beurteilung des Gegen-
fatzes von Sadduzäern und Phariiäern zu verfugen! Aber
gerade das Beifpiel des Jofephus ift Sehr lehrreich. Jofephus
ift Pharifäer, er ift nur Scheinhellenift. Er benimmt
Sich als Grieche, um Sich bei den Regierenden zu empfehlen
und zu halten. So ift auch für die Sadduzäer der
Hellenismus — denn diefer ift nach den Quellen das
Wesentliche des Sadduzäertums — das Mittel, Einfluß
auf die Regierung zu behalten, die, Seitdem die Makka-
bäer weltliche Ziele verfochten, eben nach dem Herrenvolk
der Römer sich richtete. Natürlich mag es auch
unter den Sadduzäern Heuchler vom Schlage des Jofe-