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Ausgabe:

1915

Spalte:

25-29

Autor/Hrsg.:

Garbe, Richard

Titel/Untertitel:

Indien und das Christentum. Eine Untersuchung der religionsgeschichtlichen Zusammenhänge 1915

Rezensent:

Franke, R. Otto

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf Harnack

Fortgeführt von Professor D. Arthur TitiUS und Oberlehrer Lic. Hermann Schuster

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig Halbjährlich IQ Mark

, Manufkripte und gelehrte Mitteilungen find ausfchli c Dl ich an IQ t„-„OT, 1Q1 r

■QO. Jrlhrff Ifr 2 Profeffor D. Titius in Göttingen, Nikolausberger Weg 66, zu fendcn. A«J. J3HU3.r i»7iO

o" Rerenfionsexemplare ausfchließlich an den Verlag.

Garbe, Indien und das Chriftentum (Franke).

Rießler, Der Untergang des Reiches Juda und
das Exil im Rahmen der Weltgefchichte (Bertholet
).

Lesxynsky, Die Sadduzäer (Beer).

Völter, lefus der Menfehenfohn oder das Be-

rufsbewulkfein Jefu (W. Kauer).
Bertrand, Saint Augustiu .Thimme).
de Vogüe, La Citcrue de Ramleh (Guthe).
Laible, Moderne Irrtümer im Spiegel der Ge-

fchichte (Heinrich HofTmaun).
Palmieri, Theologia dogmatica orthodoxa

(Kattenbufch).

Palmieri, Nomenciator litterarius theologiae
orthodoxae russicae ac graecae recentior
(Kattenbufch).

Streit, Atlas hierarchicus (Lerche).

Hardy, The Religious Instinct (E. W. Mayer).

Lipps, Das Problem der Willensfreiheit (Plifter).

Ruefch, Freiheit, Unflerblichkeit u. Gott als
Ideen der praktifcheu Vernunft (Derf.).

Moderne Predigt-Bibliothek. XI, 1—3. Heft:
Weihnachtspredigten; Ofterpredigten; Pfingft-
predigten. (Schiau).

Steinbeck, Lehrbuch der kirchlichen Jugenderziehung
(Knoke).

Referate: Walter, Der Kumärafambhava. —

Sellin, Einleitung in das Alte Teflament.
2. Aufl. — Ueuffi, Kompendium der Kir-
chengefchichte. 3. Aufl. — F e ß 1 e r, Benutzung
der philofophifchen Schriften Ciceros durch
Lactanz. — Vorberg, Beiträge zur Gefchichte
des Dominikanerordens in Mecklenburg. II. —
Pederzani, Stimmen aus dem Mittelalter. —
Borrmann, Das Eindringen des Pietismus in
die oltpreußifche Landeskirche. — Fries,
Philofophifche Rechtslehre u. Kritik aller pofi-
tiven Gefetzgebung.

Mitteilung. (1) Ausfehreiben der Haager Gefell-
fchaft zur Verteidiguugder chriftlichen Religion.

Wichtige Rezenfionen. — Neuefte Literatur.

Garbe, Rieh.: Indien und das Chriltentum. Eine Unter- l (ich doch wohl etwas zu leicht. Um was es fich dabei

fuchg. der religionsgefchichtl. Zufammenhänge. (VIII,
301 S.) gr. 8°. Tübingen, J. C. B. Mohr 1914.

M. 6—; geb. M. 7.25

Garbes Buch ift fchon deshalb hervorragend wichtig,
weil es zum erften Male den ganzen Entwicklungsgang
der indifchen Religion auf ihre Beziehungen zum Chriften-
tum und zur chriftlichen Literatur hin unterfucht; und
diefe Unterluchung ift fo befonnen-kritifch und die Darfteilung
ihrer ErgebnifTe fo klar, daß auch die innere
Bedeutung des Werkes als eine fehr hohe anerkannt
werden muß. Teile desfelben waren fchon früher, als
Zeitfchriftenartikel, veröffentlicht; bis zu ihrer Einfügung
in das Buch hat ihnen aber der. Verfaffer zu ihrem hohen
Vorteil einen eingreifenden Vervollkommnungsprozeß an-
gedeihen laffen und fich in mancher Beziehung inzwifchen
zu anderen, z. T. entgegengefetzten, Anflehten bekehrt,
was er übrigens S. 18 f. und 47 felbft freimütig zugefteht.

Im I. Abfchnitt behandelt er .Indiens Einfluß auf das
Chriftentum' (1—127), im II. .Chriftliche Einflüffe auf die
indifchen Religionen' (128—289). I zerfällt in 5 Kapitel.
In Kap. I unterfucht G. das Problem ,Buddhiftifche Einflüffe
auf das Neue Teftament?' (12—61). Für vier von
den buddhiftifch-evangelifchen Entfprechungen (Simeon-
Gefchichte, Verfuchung, Meerwandeln Petri, Brotwunder)
fühlt G. fich nunmehr gedrungen, Abhängigkeit der Evangelien
von der buddhiftifchen Überlieferung anzuerkennen,
nachdem er früher jede Abhängigkeit der kanonifchen
Evangelien geleugnet hatte. Es ift alfo vielleicht Ausficht
, daß er in Zukunft auch noch einige weitere Abhängigkeiten
zugeftehen wird. (Auf S. 61 fpricht er felbft
wenigftens die Vermutung aus, daß die buddhiftifchen
Einflüffe fich weiter als auf die vier Punkte erftreckt
haben mögen.) Ref. ift jedenfalls der Überzeugung, daß
noch diefer und jener andere von den fchon bekannten
Anklängen, auch in nachchriftlichen indifchen Werken
(f. z.B. S. 31 ff.), aus Entlehnung zu erklären ift, namentlich
dann, wenn die indifche Parallele fachlich beffer begründet
und mit dem indifchen oder wohl gar auch
mdogermanifchen Denken organifch verbunden ift. Diefes
qualitative oder organifche Beweisverfahren, wie Ref. es
nennen möchte, hätte G. vielleicht noch etwas mehr zu
feinem Rechte kommen laffen können. Mit der Ablehnung
der Annahme buddhiftifcher Beeinfluffung der Gefchichte
vom Blindgeborenen Joh. IX, 1—3 (S. 35ff.) macht er es

handelt, das ift doch ausfchließlich die Frage: ,Hat diefer
gefündigt, daß er ift blind geboren?' Diefe Frage ift
ganz allein auf buddhiftifcher oder überhaupt indifcher
Gedankengrundlage (der karman-Lehre, nicht der Seelenwanderungslehre
im allgemeinen) nicht abfurd. Daß noch
,oder feine Eltern?' darauf folgt, vermag hieran gar nichts
zu ändern, und aller gute Wille, auch die erfte Frage,
wie G. S. 37 fordert, aus der Gedankenwelt eben desfelben
Volkstums zu verftehen wie die zweite, ift dabei vergeblich
. Die Wanderung erzählender und didaktifcher Stoffe
mannigfacher Art fchon im Altertum läßt fich fchwer
leugnen, und Indien ift bei diefem Austaufch fehr ftark
beteiligt gewefen. (Daß die von G. S. 24f. wieder erwähnte
Anekdote bei Herodot III, 119 und die fophokleifche
Verfion dazu in der Antigone gog—12 gegenüber der
indifchen Parallele Zeichen der Nicht-Originalität an fich
tragen, darauf hat Ref. in feiner Anzeige von Winternitz'
Geich, der Ind. Litt. II, 1, Sp. 166 des vorigen Jahrganges
diefer Zeitfchr. fchon hingewiefen.) Warum follen unter
folchen wandernden Stücken nicht auch buddhiftifche
Lehrftücke gewefen fein? Es ift nicht nötig anzunehmen,
ja es ift nicht einmal wahrfcheinlich, daß diefe fich nur
im Lehrzufammenhange weiter verbreiteten, einzelne, die
in ftärkerer oder pikanterer Weife das Intereffe feffelten,
werden vielmehr in anekdotenhafter Losgelöftheit einzeln
gewandert fein wie anekdotenhafte Stücke allgemeinerer
Natur — die meiften kurfierten ja auch in Indien fchon
in lofer Form, ehe fie in die buddhiftifche Literatur aufgenommen
wurden —, und wie folche Stücke allgemeinerer
Natur find fie dann in ihrer neuen Heimat bei der Ent-
ftehung von Literaturwerken oder Lehrdarfteilungen ein-
gefloffen, wie fie deren Bildnern aus dem Gedächtnis
gerade mit einfielen; vielfach fcheinen fie fich auf ihrer
Wanderung fogar in Splitter aufgelöft zu haben, die einzeln
ganz neue Verbindungen eingingen. (Ref. würde,
ganz in abstracto geredet, nicht einmal dabei eine Schwierigkeit
fehen, anzunehmen, daß auf diefe Weife vereinzelte
buddhiftifche Elemente auch in Jefu eigener Lehre mit
untergelaufen feien, wenn fonft genügende Anhaltspunkte
eine folche Annahme forderten. Es braucht kaum hervorgehoben
zu werden, daß deshalb noch niemand ein
Recht haben würde, Jefus einen verkappten Buddhiften
zu nennen.) Jedenfalls liegt kein Grund vor zu zweifeln,
daß die Evangelienfchreiber unter anderen Elementen
auch folche indifcher oder fpeziell buddhiftifcher Herkunft

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