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Ausgabe:

1915

Spalte:

547-548

Autor/Hrsg.:

Legg, J. Wickham

Titel/Untertitel:

English Church Life, from the Restoration to the Tractarian Movement 1915

Rezensent:

Goetz, W.

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wicklung-, auch feine zweite Ehe, für ihn eine Frage feines
Amts und entfprang der Überzeugung von feinem religiöfen
Beruf, und wenn man die Entwicklung einfeitig
unter dem Gefichtspunkt des Verhältniffes Zinzendorfs zu
diefen beiden Frauen betrachtet, fo fieht man, wie der
Verfaffer felbft urteilt, nicht den ganzen Zinzendorf, oder
beffer gefagt: man fieht die Dinge nicht im richtigen
Maßftabe, was noch an vielen Einzelheiten nachgewiefen
wei den könnte. So Wertvolles, ja man kann wohl fagen
ziemlich Abfchließendes, der Verfaffer alfo über Erdmuth
beigebracht hat, fo kann man hinfichtlich feiner Beurteilung
Zinzendorfs nur fagen, daß er eine Anregung gegeben
hat, weiter zu arbeiten und feine Ergebniffe auf breiterer
Bäfis richtig zu (teilen.

Niesky. O. Uttendörfer.

Legg, J. Wickham: English Church Life, from the Restoration
to the Tractarian Movement. Considered in some of
its neglected or forgotten Features. (XIX, 428 S.) gr. 8°.
London, Longmans, Green & Co. 1914. sh. 12.6

Der hochkirchlichen Betrachtungsweife, die nur innerhalb
der englifchen Staatskirche rechtmäßige Frömmigkeit
zu finden glaubt, gilt die Periode vom Tode Crom-
wells bis zum Einfetzen der fogenannten Oxford-Bewegung
als eine Zeit des Verfalls und des religiöfen Niedergangs.
Und an Symptomen, die zu diefem Urteil berechtigen, fehlt
es nicht. Gerade die Oxford-Bewegung, die mit dem
Jahre 1833 einfetzte, hat das Ihrige getan, um die Spanne
von 1660 bis zum erften Drittel des 19. Jahrhunderts in
möglichst dunklen Farben zu malen; um fo leuchtender tritt
hervor, was diefe Bewegung dann zur Neubelebung der
Frömmigkeit beigetragen hat.

Diefem Urteil tritt der Verfaffer unfres Werkes entgegen
. Indem er in verwirrender Fülle Quellen aus jener
Zeit reden läßt, verfucht er den Nachweis, daß jene Klagen
nur zum Teil berechtigt find, daß vielmehr auch im 18.
Jahrhundert das Chriftentum einen feiten Halt im Volk
gehabt habe. Allerdings kann nur derjenige feinen Beweis
verftehen, der fich mit ihm auf den streng hochkirchlichen
Standpunkt (teilt. Um feinem Gedankengang zustimmen
zu können, muß man davon überzeugt fein, daß I
es ein Zeichen von lebendiger Frömmigkeit ist, möglichft J
häufig und unter (trengfter Beobachtung des eucharifh-
fchen Zeremoniells das Abendmahl zu genießen, am liebften j
täglich den Gottesdienft zu befuchen, forgfältig alle kirch- I
liehen Gebräuche zu beobachten und der häufigen privaten
Beichte fich nicht zu entziehen. Auch die Ausftattung
der kirchlichen Gebäude von dem Material an, aus dem
der Altar verfertigt ift, bis hin zu den Lichtern, Kreuzen,
Bildern, Decken und Prieftergewändern, die kirchlichen
Gebräuche des Stehens, Kniens, fich nach Often Wendens,
fich Verbeugens, die feierliche Ausgeftaltung des Gottes-
dienftes durch Mufik und Gefang, die Anrufung der Heiligen
und Engel, die kirchliche Stimmung in den ver-
fchiedenften Gebetbüchern jener Zeit, die Wertlegung auf
das hochkirchliche Dogma von der apoftolifchen Sukzeffion
und auf die Lehre von der Kirche, diefes und manches J
andere wird als Material verwertet, um danach die religiöfe
Höhenlage jener Zeitperiode zu beurteilen. Mit unglaub- I
lichem Fleiß find die einfehlägigen Dokumente, Urkunden
und Notizen zufammengetragen, fodaß das Buch den
Charakter einer intereffanten Materialienfammlung an fich
trägt; aber der Nachweis einer gewiffen äußeren Kirchlichkeit
— von Frömmigkeit in unferm Sinne gar nicht !
zu reden — fcheint mir doch nur für eine Reihe von
Einzelperfönlichkeitenund für einen ziemlich eng begrenzten
Kreis der Bevölkerung erbracht zu fein. Der Verfaffer
muß den erfchreckenden Tiefftand des Klerus zugeben,
der in die äußerlichfte Weltlichkeit verfunken ift; die
Predigten, der kirchliche Eifer und der ganze Lebenswandel
der Geiftlichen vermag auch der wohlwollendften

Kritik nicht ftandzuhalten. Mag es auch nur eine frivole
Übertreibung fein, wenn man fich von Anzeigen erzählte
wie diefer: ,Gefucht eine Pfarre in gutem Jagdgrund, wo
das Amt leicht ift und die Nachbarfchaft gefellig': wo
Rauch ift, war auch immer Feuer. Danach ift es faft zu
verwundern, daß die religiöfe Verwahrlofung des Volkes
nicht noch viel fchlimmer geworden ift.

Hier aber fetzen andere religiöfe Kräfte ein, die der
Puritaner, Presbyterianer, Methodiften und anderer Denominationen
. Für fie hat der Verfaffer jedoch nur aburteilende
Worte; in der ganzen Befchränktheit feines
hochkirchlichen Standpunktes und in völliger Verftändnis-
lofigkeit glaubt er fie mit höhnifchen und meift völlig
unzutreffenden Seitenhieben abtun zu können. Was an
wertvoller religiöfer Literatur in jener Periode gefchaffen
worden ift, was an Volkserziehung geleiftet wurde, und
was in den großen Gefellfchaften der äußeren und inneren
Miffion und der Bibelverbreitung zutage tritt, läßt fich
ohne die von hier ausgehenden innerlichen religiöfen
Kräfte gar nicht begreifen; manches Zitat aus diefem
Kreife, das fich unbemerkt mit eingefchlichen hat, legt
unfreiwillig Zeugnis dafür ab. Church Life im hochkirchlichen
Verständnis war auch in unferer, wegen der furchtbaren
Äußerlichkeit ihrer Frömmigkeit als dunkel gekennzeichneten
Periode niemals ausgestorben; dafür hat der
Verfaffer mit faft beängstigendem Sammelfleiß weitere
Belege gehäuft. Aber daß diefe ,Kirchlichkeit' nun die
dunklen Schatten tilge, die über das religiöfe Leben
jener Zeitspanne gebreitet find, dafür konnte der hochkirchliche
Verfaffer fchon von feinem Standpunkt aus den
Beweis gar nicht erbringen.

Dortmund. Goetz.

Nelfon, Leonard: Die kritifche Ethik bei Kant, Schiller und
Fries. Eine Revifion ihrer Prinzipien. (XIV, 201 S.)
gr. 8°. Göttingen, Vandenhoeck&Ruprecht 1914. M. 5 —

Die vorliegende Schrift foll die bevorstehende Veröffentlichung
einer ausführlichen Ethik des Verf. einleiten,
von der bereits ein Teil als ,Ethifche Methodenlehre' (Veit
und Comp., Leipzig 1915) erfchienen ift. Sie foll den
Weg der Auffindung feiner Prinzipien erläutern, fowohl
nach der positiven Seite des Anfchluffes als nach der
negativen Seite der Berichtigung, und eben damit das
Verftändnis des kommenden Buches erleichtern. Da eine
wiffenfehaftliche Ethik erft durch Kant in den Grundbegriffen
entdeckt worden fei und die Kantifche Ethik
nur bei Fries eine kongeniale Fortbildung gefunden habe,
fo handelt das Buch nur von diefen beiden Denkern;
Schiller kommt nur ganz vorübergehend in Betracht, fofern
er den dualiftifchen Kantifchen Rigorismus mit Recht
bekämpft habe. Es handelt fich alfo um die hiftorifch-
kritifche Einleitung in die eigene Ethik des Verf., die fich
fehr kurz faffen kann, da eine wiffenfehaftliche Ethik
außer bei Kant und vor allem Fries nicht existiert. Das
Buch ift nun aber trotzdem fehr fchwierig, weil es überall
auf die eigenen ethifchen Theorien des Verf. zu-
gefchnitten ift, die man erft nach und nach als folche
erkennt, und weil es faft kommentarartig Kant und Fries
Stück um Stück durchgeht, weshalb nur der genaue
Kenner diefer beiden wirklichen Gewinn haben kann. Es
können daher an diefer Stelle nur die fachlich wichtigsten
Punkte herausgehoben werden. An Kant wird mit dem
bei dem Verf. bekannten Scharffinn die Analogifierung
der ethifchen Urteile a priori mit den fynthetifchen Urteilen
a priori der theoretifchen Vernunft bekämpft und
statt deffen mit Fries auf die Unmittelbarkeit des .sittlichen
Gefühls' zurückgegangen, deffen Inhalt erft zum
Urteil, und dann zum spezifisch ethifchen Urteil der
Pflicht erhoben werden muß. Wichtiger noch gegenüber
Kant ift die Abweichung der fo erfolgenden Bestimmung
des Inhaltes, die zugleich auch eine Abweichung