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Ausgabe:

1915 Nr. 2

Spalte:

544-545

Autor/Hrsg.:

Ried, Karl

Titel/Untertitel:

Die Durchführung der Reformation in der ehemaligen freien Reichsstadt Weißenburg i. B 1915

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1915 Nr. 25/26.

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deren Lebensgefchichte und Tätigkeit er regeftenartig auf
50 Seiten zufammenfaffen kann. Oft handelt es fich nicht
einmal um eigentliche Breslauer Weihbifchöfe, fondern um
durchreifende Geiftliche bifchöflichen Ranges, die in der
fchlefifchen Diözefe zur Vornahme pontifikaler Handlungen
veranlaßt werden. Daß in den Zeiten der Reformation
die Weihbifchöfe befondere Schwierigkeiten in ihrer Amtsführung
zu verzeichnen hatten, lehrt auch J.s Buch. Die
Darftellung aber wird damit auch vielfeitiger, ausgedehnter
und anregender. Heinrich Füllftein, Bifchof von Niko-
polis, Weihbifchof von Breslau, z. B. weigerte fich, den
vom Rate gewünfchten Pfarrer einzuweifen, wenn diefer zu 1
ftark unter lutherifchem Einfluß ftand, zumal wenn kano- [
nifche Bedenken entgegen ftanden. Seit ihm find die Bres- I
lauer Weihbifchöfe faft ununterbrochen 200 Jahre lang
Titularbifchöfe von Nikopolis gewefen. Nur gelegentlich,
um die Verbindung beider Würden nicht erblich werden
zu laffen, ift das Nebeneinander geftört. Von großer
kulturgefchichtlicher Bedeutung ift z. B. die Amtszeit
Karl Franz Neanders (f 1693), oder die des Elias Daniel
von Sommerfeld (1714 fr.) und feines Nachfolgers von
Almesloe, die beide mit Friedrich dem Großen und dem
neuen Regiment in Schlefien auf eine wenig angenehme
Weife bekannt wurden. Die Darftellung geht bis in die
neuefte Zeit hinein. J. fchildert die erfolgreiche Tätigkeit
des Daniel Latuffek unter mehreren Fürftbifchöfen. Die
bedenklichen Schwankungen des Fürftbifchofs Sedlnitzky
werden nebenbei anfchaulich gefchildert. Es wird auch
gezeigt, wie S. in der nicht zu verwirklichenden Abficht,
dem Papft und dem König zugleich zu dienen und obendrein
noch die Kirche zu reformieren, feine Stellung untergrub
und refignieren mußte. Latuffeks Nachfolger war
Bogedain, der als Schulmann und Parlamentarier viel
Anfehen genoß, aber auch wegen feiner Befürwortung
der polnifchen Mutterfprache viel angefeindet wurde.
So geht J. in der Schilderung der Weihbifchöfe bis zum
jetzigen, dem Veteranen von 1870/71 und Titularbifchof
von Diocäfarea, Karl Auguftin. Das Buch ift wie alles
von J. lebhaft und mit innerer Anteilnahme, auf gründlicher
Sachkenntnis und freimütig gefchrieben. Vielleicht
mag uns die häufige Notiz: ,fein Tod war erbaulich' abflößen
, auch die zahlreichen Weihungen von Altären zu
Ehren der vielen namentlich aufgeführten Heiligen und
heiligen Gegenftänden und Empfindungen ufw. mögen
wie die Denkmäler und Epitaphien befremden: Dem Archivar
und antiquarifchen Forfcher darf man fie zu gut
halten. Die Reihe diefer Lebensgefchichten ift dem neuen
Fürftbifchof von Breslau, Dr. Adolf Bertram, gewidmet,
der, felbft einMeifter der Gefchichte, die Breslauer Kirchen-
gefchichtsforfchung hoffentlich fördern wird.

Leipzig. Otto Lerche.

Sohm, Priv.-Doz. Dr. Walt.: Territorium u. Reformation in
der heflilchen Gefchichte 1526 —1555. (Veröffentlichungen
der hiftor. Kommiffion f. Heffen u. Waldeck. XI, 1.
Urkundliche Quellen zur heff. Reformationsgefch. Einleitung
.) (XXVIII, 186 S.) Marburg, N. G. El wert j
1915. M. 6 —; geb. M. 7.50

Es ift für mich eine traurige Aufgabe diefes Buch
anzuzeigen. Kurz vor Ausbruch des Krieges hat fein Ver-
faffer auf der in Friedberg abgehaltenen Hauptverfamm- j
lung der ,Vereinigung für heffifche Kirchengefchichte'
über die in dem Buch dargebotenen Forfchungsergeb-
niffe ein Referat erftattet, das uns in ihm den Mann j
erkennen ließ, der eine große Reihe ungelöfter Fragen
aus dem Gebiet der heffifchen Reformationsgefchichte 1
ihrer Löfung entgegenführen werde. Da kam der Krieg
und nahm uns ihn in den erften Tagen weg. Daß Sohms j
Tod eine fchwer auszufüllende Lücke reißt, ergibt fich |
jedem, der das vorliegende Buch aufmerkfam durchftudiert. j
Es ift die Einleitung zu einem Quellenwerk, das die f

Hiftorifche Kommiffion für Heffen und Waldeck unter
dem Gefamttitel: ,Quellen zur heffifchen Reformationsgefchichte
' herauszugeben willens ift, und an dem vor Sohm
Profeffor D. Walter Köhler mit hingebendem Fleiße und
großem Erfolg gearbeitet hatte. Freilich eine Einleitung
eigener Art. Nicht eine Einleitung, die mit ein paar
perfönlichen und fachlichen Bemerkungen das Quellenwerk
einleitet, wobei dem Lefer überlaffen bleibt, fich
die Probleme, die in dem Quellenwerk verborgen find,
aufzufuchen und fich mühfam den Weg zu ihrer Löfung
zu bahnen, fondern eine Einleitung, die — wenn auch
etwas einfeitig — das, was dem Quellenfammler fich als
Hauptproblem ergeben hat, herausarbeitet und in eingehender
Darfteilung zeigt, welche Löfung er für dies
Problem bei feiner Vertiefung in die Quellen gefunden
hat. Als Hauptproblem hat Sohm, wie das Geleitwort,
das der Vater der letzten Arbeit des Sohnes mit auf
den Weg gab, mit Recht betont, die .Wirkung der Reformation
auf die Entwicklung des Territoriums, alfo die
Geftaltung des Staatsgedankens in Deutfchland nach dem
Ausgang des Mittelalters' angefehen. Das Ergebnis ift
dabei: Die Reformation brachte die Gewiffensfreiheit, aber
fie konnte und follte nicht bringen die Toleranz; das
Territorium des 16. und 17. Jahrhunderts mußte intolerant
fein, damit der Staat des 18. und 19. Jahrhunderts
tolerant werden könne. Diefe Löfung klingt fehr einfach.
Der Weg, der den Verfaffer zu ihr führte, war ein rauher
Weg durch Aktenberge. Freilich ein Weg, auf dem
Vieles gefchaut ward, was vordem keines Forfchers Auge
gefehen. Der Verfaffer nimmt zu all den vielen Fragen,
die fich jedem, der fich bisher mit heffifcher Reformationsgefchichte
befchäftigt hat, aufgetan haben, Stellung
. Er verfchmäht es nicht, auch mit folchen Fragen
fich zu befchäftigen, an denen zünftige Gelehrte gewöhnlich
vorübergehen, weil fie, als zu lokal oder zu kleinlich,
ihnen für den Gang ihrer Forfchung belanglos erfcheinen.
Dadurch aber ift das Buch, unbefchauet der Rückficht
auf die Einheitlichkeit der Gedankenführung, zu einer
Fundgrube geworden, an die fich künftighin jeder wenden
muß, der auf dem Gebiet der heffifchen, ja der gefamt-
deutfchen Reformationsgefchichte arbeiten will. Die Polizeiordnungen
von 1524 und 1526, über die bisher fo viel
und fo wenig Brauchbares geredet worden ift, die Or-
ganifation des Kaftenwefens, worüber bisher nur einige
kleinere Unterfuchungen vorlagen, die großen Ordnungen
von 1537—1539, mit denen bislang fo mancher Forfcher
fich erfolglos abgequält hat, rücken durch das reiche
neue Material, das Sohm beibringt, und die neuen Gefichts-
punkte, die er aufftellt, in ein neues Licht. Auch die
Sequeftration der Klöfter im Jahr 1527, die heffifche
wiedertäuferifche Bewegung von 1531 —1536 u. a. m. wird
jeder, der Sohms Buch gelefeii hat, fortan anders anfehen,
als wie man fie bisher anzufehen gewohnt war. Be-
fonders wertvoll fcheinen mir auch die Abteilungen des
Buches zu fein, die von dem .kirchlichen Leben' handeln,
obwohl ich dabei dein Verfaffer nicht in allem folgen
kann. Nimmt man noch hinzu, daß die zerfti euie gedruckte
Literatur in einem Umfange von dem Verfaffer gekannt
ift und beurteilt wird, wie es mir bei ähnlichen Arbeiten
noch nicht begegnet ift, fo wird man es begreiflich finden,
wenn ich das letzte Werk des liebenswürdigen und feinfinnigen
Forfchers als eine Leiftung bezeichne, wie fie
einem auf dem Sondergebiet der territorialen Gefchichts-
forfchung feiten begegnet. Ich wünfche dem Buche viele
Lefer, allerdings aufmerkfame.

Friedberg i. H. Diehl.

Ried, Karl: Die Durchführung der Reformation in der ehemaligen
freien Reichsftadt Weißenburg i. B. Auf Grund
archivalifcher Quellen dargeftellt. (Hiftorifche Forfchgn.
u. Quellen. 1. Heft.) (VIII 136 S.) gr. 8°. Freifing,
Dr. F. P. Datterer & Cie. 1915. M. 4.50