Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1915

Spalte:

542-543

Autor/Hrsg.:

Jungnitz, Jos.

Titel/Untertitel:

Die Breslauer Weihbischöfe 1915

Rezensent:

Lerche, Otto

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

54i

542

Mohlberg, P. Dr. Cunib., O. S. B.: Radulph de Rivo, der | Vorteil gereicht. Aber von diefen formellen Mängeln
letzte Vertreter der altrömifchen Liturgie. (Universite i abgefehen ift die Darftellung und Beweisführung wohl
de Louvain. Recueil de travaux publ. par les membres abgewogen und die Ergebniffe im allgemeinen durchaus
,, . . ,r , ., , • v „ Bj einleuchtend. — Der zweite Band bringt die Texte des

des Conferences d histoire et de philologie.) 2 Bde. Liber de officiis ecclesiasticis, des De canonum observatione
Lex.-8°. Münfter, Afchendorff. M. 11.5c über und des Tractatus de Psalterio observando. Der

1. Bd. Studien. (XV, 259 s.) Louvain 1911. M. 5 —. — 2. Bd. | erfte und der letztangeführte Text werden auf Grund der
Texte. (XV, 310 s.) 1915. M. 6.50 einzigen dafür vorliegenden Handfchriften (Liber de officiis

M., der die Anregung zu feiner Arbeit während (eines | im Archiv der Stadt Köln, des Tractatus in der Brüffeler
Studiums an der Univerfität Löwen erhalten hat, würdigt j Kgl. Bibliothek), der Liber de canonum observatione, für
Radulph de Rivo (van Beek oder van der Beek), geb. 134? j den keine Handfchrift mehr vorliegt, auf Grund des 1568
zu Breda, f 1403 als Dekan des Kollegiatkapitels von von Melchior Hittorp in Köln beforgten Erftdrucks dar-
Unferer Lieben Frauen zu Tongern, als einen der bedeu- ' geboten. Die Grundfätze, nach denen die Ausgabe betend
den Liturgiker des fpäteren Mittelalters. Seine wich- forgt wurde, find einwandfrei; der gebotene Text felbft
tigften liturgifchen Schriften find entftanden aus Anlaß j macht den Eindruck großer Zuverläffigkeit. Statt der
der Beftrebungen der 1395 gegründeten Windesheimer | fpätmittelalterlichen Orthographie wurde durchgängig die
Auguftinerkongregation (das Klofter Windesheim felbft ,bei modernen Philologen als befte geltende Schreibweife'
gegr. 1386, fteht in Zufammenhang mit Gerhard de Groot, angenommen. Außer den von Radulph ausdrücklich
dem Stifter der Brüder vom gemeinfamen Leben; mit genannten Quellen find auch alle fonft feftftellbaren An-
Windesheim wie mit den Brüdern vom gemeinfamen | leihen zitiert. — Band I bringt außerdem unter den Bei-
Leben ftand Radulph in freundfchaftlichen Beziehungen) [ lagen einen Abdruck des offenbar mit dem Kalendarium
auf Einführung fefter liturgifcher Ordnungen in der Kon- ' Radulphs aufs engfte zufammenhängenden Kaiendars des
gregation. M. macht wahrfcheinlich, daß der Fragment 1 Klofters Siebenbrunn, nach dem von H. Wellafus 1568

gebliebene Liber de officiis ecclesiasticis von Radulph
1395 auf Anfrage von Windesheim aus gefchrieben worden
ift; dann folgt nach einem Aufenthalt in Rom ein Ka-
lendar und in unmittelbarem Zufammenhang damit der
De canonum observantia liber von 1397, die definitive
Antwort auf die von den Windesheimern bei Radulph
geftellten Fragen. Radulph erörtert eingehend die für die

in Löwen beforgten Druck. Verglichen werden damit
ein Kalendar von Windesheim, eins von Groenendael und
eins aus dem zwifchen 1403 und 1437 gefchriebenen Liber
Ordinarius der Liebfrauenkirche von Tongern, der Kirche
Radulphs. Eine weitere Beilage von Band I bildet Radulphs
Teftament von 1401. — Der Wert der Arbeit,
mit der M. der liturgifchen Forfchung des fpäteren Mittelin
Windesheim geplante hturgifche Reform maßgebenden j alters einen nützlichen Dienft geleiftet hat, wird erhöht
Grundfätze, will die Ordnung der Offizien ganz nach der ] durch ein fehr vollftändiges Perfonen- und Ortsverzeichnis

Norm der Kanones und nach dem alten ehrwürdigen
Brauch der römifchen Kirche eingerichtet haben. Er
polemifiert lebhaft gegen die ,Moderniores', d. h. die
Franziskaner, die unter päpftlicher Gunft die abgekürzten
und auch fonft veränderten, dann von ihnen felbft weiter
modifizierten Formen der Ordnung der päpftlichen Frivat-
kapelle zur kirchlichen Alleinherrfchaft zu bringen fachen:
der Ordnung der Curia Romana gegenüber foll die alte
Ordnung der Ecclesia Romana, insbefondeie der alten
römifchen Bafiliken Lateran und S. Peter, normativ bleiben.
Befonders liegt ihm am Herzen, daß nicht durch das
Überwuchern von Heiligenfeften 1. Ordnung die regelmäßige
wöchentliche Lefung des ganzen Pfalters beeinträchtigt
wird. Dem Beftreben, das Pfalterium in feinen
liturgifchen Würden zu erhalten bzw. wieder zu Ehren zu
bringen, ift auch Radulphs letzte Hturgifche Schrift, der
Tractatus de psalterio observando (1400), entfprungen.
Radulphs Hturgifche Arbeiten haben Wert nicht nur wegen
des von ihnen gewährten Einblicks in die liturgifchen
Grundfätze und Ziele des Verfaffers, fondern ganz befonders
auch wegen ihrer Vertrautheit mit der mittelalterlichen
Kultusgefchichte und mit den mannigfaltigen Ob-
fervanzen der verfchiedenen religiöfen Orden und der
einzelnen Kirchenprovinzen. M. macht wahrfcheinlich, daß
die Einwirkung der von Radulph vertretenen liturgifchen
Grundfätze auf die gottesdienftlichen Ordnungen der
Windesheimer Kongregation mit ihren fpäteren ftarken
Einflüffen auch nach Deutfchland hin (Wittenburg, Klus,
Bursfeld) recht erheblich war; doch konnten fich die
Tendenzen auf Anfchluß an die ältere römifche Tradition
gegenüber der päpftlichen Begünftigung der ,Neuerer' auf
die Dauer nicht halten, und die endgültigen autoritativen
liturgifchen Feftfetzungen in Miffale und Breviarium Ro-
manum haben nicht aus der älteren römifchen Überlieferung
, fondern aus den bereits ,modernifierten' Ordnungen
des 13. Jahrhunderts gefchöpft. — M.s Arbeit ift äußerft
forgfältig, allerdings vielfach fehr breit und mit vielen
Wiederholungen: eine knappere Zufammenfaffung und die
Weglaffung der Partien, in denen Verf. mangels Notizen
über Radulph felbft auf allgemein Kulturgefchichtliches
z. T. fehr ausführlich eingeht, hätte der Schrift nur zum

am Schluß des erften Bandes, während der zweite Band
ein Stellenregifter (außer A und NT auch alle von Radulph
benutzten nichtbiblifchen Quellen), ein Namen-
regifter und ein liturgifches Wort- und Sachregifter bringt.
Den .Berichtigungen' am Ende der beiden Bände find
noch einzelne Druckfehler entgangen, die aber nicht
ftörend wirken.

Halle a/S. K. Eger.

Jungnitz, Dr.Jofi: Die Breslauer Weihbifchöfe. (VIII, 453 S.)
gr.8°. Breslau, F.Goerlich 1914. M.5—; geb. M. 7 —

In diefem Buche bietet der gelehrte Breslauer Diö-
zefanarchivar außerordentlich viel Intereffantes. Da die
Weihbifchöfe dem Bifchofe bei der inneren Verwaltung
der Diözefe zur Seite treten follen, fo ift eine Gefchichte
der Weihbifchöfe zugleich eine Gefchichte des innerkirchlichen
Lebens einer Diözefe. Je nach Bedeutung
der Diözefe und der einzelnen Perfönlichkeiten kann fich
das Thema ausdehnen und zugleich an tiefen Einblicken
gewinnen. Die Gefchichte der großen Breslauer Diözefe
bietet fowiefo fchon recht viel Intereffantes, ihre äußere
Entwickelung, ihre weite Ausdehnung in die Gebiete der
verfchiedenen Territorialherren und fchließlich eine Reihe
hervorragender Perfönlichkeiten auf dem fürftbifchöflichen
Stuhle haben mehrfach zu hiftorifcher Forfchung angeregt
. Neben den Fürftbifchöfen finden fich aber auch
unter den Weihbifchöfen hervorragende Männer, deren
Tätigkeit wohl beachtet werden darf. Zumal in den
Zeiten des 17. und 18. Jahrhunderts, als die vornehmen
Bifchofsfitze und andre große Pfründen von fürftlichen
jungen Herren kumuliert wurden, trat die Perfon des Weih-
bifchofs mit Recht durchaus in den Vordergrund. J. hat, ge-
ftützt zumeift auf die Quellen des Breslauer Diözefanarchivs,
fodann auf eigene und manch andre Vorarbeiten die
Lebensgefchichte der einzelnen Breslauer Weihbifchöfe
nach der zeitlichen Reihenfolge ihrer Amtsführung dar-
geftellt. Naturgemäß find die Nachrichten über die erften
geiftlichen Helfer der Breslauer Bifchöfe recht dürftig.
Ihre Gefchichte nimmt daher nur wenig Raum in Anfpruch.
In der Zeit von ca. 1250—1450 nennt J. 20 Weihbifchöfe,