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Ausgabe:

1915

Spalte:

514

Autor/Hrsg.:

Hofmann, W. v.

Titel/Untertitel:

Forschungen zur Geschichte der kurialen Behörden vom Schisma bis zur Reformation. 2 Bde 1915

Rezensent:

Sehling, Emil

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Seite 1

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5H

diefer Regifter wohl keine Hinderniffe entgegenftehen. F. E. Schneider
behandelt die Frage nach der Kollegialität der römifchen Rota und weift
iie fchon für das Ende des 13. Jahrhunderts nach. Das Urteil erfcheint
/.war nach außen hin als das eines Einseirichters, als die Entfcheidung
des Auditors, der mit der Fällung der Sentenz beauftragt war, aber diefer
mußte feinem Urteil die consilia zugrunde legen , die feine Mitauditoren
abgegeben hatten, fo daß tatfächlich die Entfcheidnng ein Kollegialurteil
war. Es war das eine Anpaffung an den Gerichtsgebrauch der weltlichen
und geiftlichen Gerichte. Baumgarten bringt unter dem Titel: ,Uber einige
püpftliche Kanzleibeamte des 13. und 14. Jahrhunderts' zunächft eine teils
zuftimmende, teils ergänzende Anseinanderfetzung mit BreiTlaus Handbuch
der Urkundenlehre und handelt dann von den Gehülfen und Stellvertretern
des Vizekanzlers der apoftolifchen Kanzlei. Für die Gefchichte des päpft-
lichen Urkundenwefens fällt dank der von B. gebrachten zahlreichen Bei-
fpiele fehr viel ab. II. Zimmermann handelt von der päpftlichen Legation'
zu Beginn des 13. Jahrhunderts im Dienfte der Kreuzpredigt, Inquifition
und Kollektorie (zahlreiche Perfonalnotizen). Ehfes berichtet vom Aufenthalt
des Kardinals Otto Truchfeß von Augsburg zu Rom 1559—1563,
fpeziell über feine Tätigkeit als deutfeher Kronkardiual an der Kurie, auf
Grund von vatikanifchen Schriftftücken. Kolberggibt eine Biographie des
ermläudifchen Dompropftes Chriftoph von Suchten, der 1505 in Leipzig
einen Band Epigramme erfcheinen ließ, nachdem er fchon vorher
fchriftliche Niederfchläge feiner Vorlefungen veröffentlicht hatte oder
als erotifcher Dichter fich verfuchte — Ulrich von Hutten erwähnt ihn in
feiner Elegie ad poetos Germanos, er war auch mit Hutten im Göritz -
fchen Kreife zu Rom zufammen. Eine eingehende Unterfuchung widmet
M um bau er dem Aufenthalte des ,Maler Müller' in Rom, fpeziell deffen
Konverfion zum Katholizismus behandelnd. Sehr viel klarer ift durch
die forgfältigen Erwägungen die Sache nicht geworden, fie ift voller
,Rätfei und Fragen'; tiefere Beweggründe eigentlich religiöfer Art lagen
nicht vor, ebenfowenig nur niedrige Motive wie die Spekulation auf Gunft
und Unterftützung durch den Kurfürllen Karl Theodor und den bayrifchen
Hof, es wird vielmehr ftark das ganze römifche Milieu herangezogen
werden müffen, dem Müller als Romantiker fich cbenfofehr erfchloß wie
die Romantiker des 19. Jahrhunderts; jedenfalls handelt es fich um freiwilligen
Entfchluß. Vielleicht ift aus Müllers, jetzt im Frankfurter Hoch-
Hifte ruhenden römifchen Nachlaß (f. S. 220, Anm. 1) noch Auskunft zu
gewinnen. K. H. Schaefer behandelt das römifche Deutfchtum im 14.
Jahrhundert, aus mühfam gefammelten Notizen ein klares Bild entwerfend;
die Abbildung zweier Grabfteine wird geboten und 1394 als ältefte Erwähnung
des Hofpizes am Campo Santo feftgeftellt. Handwerker und
Gefchäftstreibende namentlich waren unter den Deutfchen vertreten.

I. Schlecht teilt den Brief eines Unbekannten an den Freifinger Domherrn
Sigmund Sänftl von 1492 mit, der wichtige Mitteilungen über die Krönung
Alexanders VI. entbält. Dabei fallen die Worte: scitote tarnen Alexandrum
nunc pontificem maximum una cum decem Septem libciis ac cum
aliis suis marranis gaudere, triumphare et iubilare. Weiter wird an einem
Briefe die Mordtat jenes Papftes an Kardinal Michiel 1504 erläutert.
F. X. Seppelt behandelt die Romfahrt des Bifchof Jodocus von Breslau
(1456—67), die den Zweck hatte, fich über die Stellungnahme des Papftes
zu Georg von Podiebrad genau zu informieren. Eine unbekannte
Biographie ift beigefügt. J. Sickenberger ergreift zur Frage nach dem
Todestage Chrifli das Wort, läßt Jefus am Vorabende feines Todes ein

wirkliches Paffahmal gehalten haben, und zwar am Abend des 14. Xifan.
Fr iueht zu erklären, warum es dann am Todestage Jefu, dem 15. Nifan,
fo wenig feiertäglich zugeht, und zwar mittelft einer im Mifchnatraktate
Pefachim fich findenden Regel, die ,genau die Konftellation vorausfetzt,
welche wir für das Todesjahr Jefu angenommen haben: der Schlachttag
! = ■ 14. Nisan) ift ein Donnerftag, der erfte Azymatag (= 15. Nifan) ein
Freitag, der zweite Azymatag (— 16. Nifan) ein Sabbat; die Regel lautet:
.die Knochen, die Sehnen und das Übriggebliebene vom Pafchalamm
follen am 16. Nifan verbrannt werden. Wenn aber der 16. auf einen Sabbat
fällt, fo follen fie am 17. verbrannt werden: denn fie verdrängen
den Sabbat und den Fefttag nicht'. Aus den Worten ,und Fefttag'
fchließt S., daß diefer Sabbat ein fogenannter großer Sabbat war, der
als folcher die Feftlichkeit des vorausgehenden 15. Nifan ,an fich gezogen
hat'; diefer habe .feine große Solemnität an den folgenden Sabbat abge- j
geben'. S. gibt den hypothetifeben Charakter diefer Deutung felbft zu. |
i.uttor befchreibt eingehend hiftorifch und kunftgefchichtlich die dem

II. Jahrhuodert augehörige ehemalige Türe von S. Paulo fuori le mura,
ein byzantinifches Meifterwerk. F. Ehrle bringt intereffante Nachträge I
zur Gefchichte der drei älteften päpftlichen Bibliotheken, der älteften aus
dem 13. Jahrhundert, der fogenannten Bonifazianifchcn und der avignone- ;
fliehen. 'U. a. bibliothekstechnifch intereffante Mitteilungen! Eubel teilt

«tu dem Würzburger Franziskauerkloller in mittelhoclideutfchcm Texte <
das Apoftolikum, Nicaenum und Athanaßauum, das Benedictus, Magnifi-
cat, Nunc dimittis, Te Deum laudamus, das Conliteor domini Wormaciensis
fowie einen Himmelsbrief mit (über letzteren gibt es aber eine viel reichere
Literatur als die S. 374 mitgeteilte). S tapper weift die dem Albertus Mag- ;
nns zugefchriebene Ars praedicandi in mehreren Drucken nach, doch ift
der große Scholaftiker nicht dir Verfaficr. L. Schulte geht mit der [
vita Conradi episcopi (in Breslau) des Johann Dlugocz kritifch ins Gc- |
r cht und beftimmt die Stellung des Bifchofs zum römifchen Stuhle und
Basler Konzil. Den Schluß des Ganzen bildet Schmidiins Auffatz über
Rom und die Millionen.— Reichhaltigkeit und Gediegenheit haben in
■ diefer Feflfchrift eine fchöne Gabe gefebaffen.

Zürich. Walther Köhler.

ofmann, W. v.: Forlchungen zur Gefchichte der kurialen
Behörden vom Schisma bis zur Reformation. 2 Bde.
gr. 8°. Rom, Loefcher & Co. 1914. M. 24 —

I. Darfteilung. (XII, 329 S.) — II, Quellen, Liften u. Exkurfe.
(VIII, 295 S.)

Ein Stück mittelalterlicher Gefchichte von ganz eigenartigem
Reize. ,Vom großen Schisma 1378—1417 bis zur
Reformation'. Ein gefchickt gewählter Ausfchnitt, denn
,die Gebrechen, an denen die Kurie feit der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts dauernd krankte, find in vollem Sinne
eine Erbfchaft der Schismazeit', und die Reformation hat
in diefen Gebrechen, in der Reformbedürftigkeit der Kirche
an Haupt und Gliedern, eine ihrer wefentlichften Urfachen
gehabt.

Das Werk ftellt die Gefchichte der wichtigften Kurial-
behörden dar. Vor allem der Kanzlei und der Kanzleibeamten
; es behandelt weiter die Ausfcheidung einzelner
Ämter aus der Kanzlei, die Entftehung der Vakabiliften-
kollegien, die Praxis der Ämterbefetzung, die Beamten-
befoldung und das Taxwefen. Der riefige Behördenapparat
erwies fich bei den ftetig mehr anfchwellenden Gefchäften
faft beftändig veränderungsbedürftig. So lernen wir denn
die Reformen kennen, wie fie das Konzil zu Konftanz
und wie fie die Päpfte unternommen haben, aber auch
die Gründe, warum alle diefe Verfuche mißlangen und
warum die zunehmende Disziplinlofigkeit nicht bezwungen
werden konnte. Der Verfaffer will den Verfuch machen,
an der Gefchichte einer der großen Behördenzweige, der
päpftlichen Kanzlei, unter Heranziehung paralleler Er-
fcheinungen in den übrigen Behörden die inneren Gründe
aufzudecken, weshalb es trotz aller Reformverfuche nicht
gelungen ift, dem Auflöfungsprozeffe Einhalt zu tun. Die
Finanzpolitik wird hierbei in das gebührende Licht gerückt.

So ift denn die Arbeit eine Händige Kritik aller
getroffenen Einrichtungen; daneben aber auch eine Fundgrube
für die Erkenntnis der Verhältniffe des Papfttums
und feines Beamtenwefens in der fraglichen Periode. Ihre
Bedeutung ift damit aber bei Weitem nicht erfchöpft.
Daß fie dem Reformationshiftoriker reiches Material zur
Vorgefchichte der Reformation liefert, leuchtet ohne
Weiteres ein. Aber auch für das Kirchenrecht und feine
Gefchichte ift die Ausbeute keine geringe; ich hebe nur
die Ausführungen über die Gefchichte des Gerichtswefens,
über den stilus cancellariae, das päpftliche Urkunden-
wefen ufw. hervor. Bei der großen Fülle des Materials
kann auf Einzelheiten hier nicht eingegangen worden.

Der II. Band bringt die Quellenbelege, bildet aber
auch durch Regelten, Liften und Exkurfe eine wertvolle
Bereicherung des im Hauptteile Gebotenen. Das ganze
Werk ift das Erzeugnis echt deutfchen Gelehrtenfleißes
und verdient dabei durch feine vornehme Darftellung,
feine klare und überfichtliche Verarbeitung des gewaltigen
Stoffes unfere Bewunderung und vollfte Anerkennung.

Erlangen. Sehling.

Muss-Arnolt, William B. D., Ph. D.: The Book of Common

Prayer among the Nations of the World. A History
of Translations of the Prayer Book of the Church of
England and of the Protestant Episcopal Church of
America. A study, based mainly, on the collection of
Josiah Henry Benton, LL. D. (XXI, 473 S.). Lex. 8°.
London, Society for Promoting Chriftian Knowledge
1914- s. 7. 6

Hätte ich nach dem abgekürzten Titel des mir zur
Anzeige angebotenen Buches — The Book of Common
Prayer among the Nations of the World — von dem
Inhalt mir eine genaue Vorftellung machen können, fo
würde ich die Anzeige nicht übernommen haben. Denn
eine Anzeige, wie fie dies Buch ftaunenswerten bibliogra-