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Ausgabe:

1915

Spalte:

499-500

Autor/Hrsg.:

Faulhaber, Michael von

Titel/Untertitel:

Zeitfragen und Zeitaufgaben. Gesammelte Reden 1915

Rezensent:

Eger, Karl

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Seite 1

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499 Theologifche Literaturzeitung- 1915 Nr. 23. 500

ihren Abftufungen dargeftellte Kategorie nicht gedeckt ] und politifchen Ziele des die Bildung und die Strömungen
wird. Hier ift fo Heterogenes zufammengehäuft, daß eine , der Zeit nicht kurzerhand ablehnenden oder ignorierenden,
Sichtung überhaupt unmöglich wird. Aber auch wenn j fondern fich mit ihnen auseinanderfetzenden, dabei den

man davon abheilt und fich an die fchließlich entwickelte
Kategorie allein hält, fo möchte ich bezweifeln, ob diefe
Art von Sichtung in Geftalt einer vom Atom zum
Helden, vom Weltall zum Weltelement reichenden Katekirchlichen
Standpunkt ftreng wahrenden Katholizismus
hnden hier ihre gedanklich vornehme und fprachlich anziehende
Erörterung. Man lefe, wie in der erften Rede
das katholifche Brieftertum aufgefaßt und gewürdigt wird

gorie viel nützt für ein wirkliches Verftändnis des ,In- (dabei tritt F. nachdrücklich für die katholifch-theologifchen
dividualismus' und feiner Bedeutung im gegenwärtigen | Fakultäten ein), dann den Hirtenbrief über den fozialen
Kulturzufammenhang. Mir würde das Hängenbleiben an j Segen der 7 Sakramente, die Rede über den Marienkult
den von einzelnen Lebensgebieten her erzeugten Begriffen j als Schule des Glaubens — letztere ift von dem Beftreben
von Individualismus in der Tat fruchtbarer fcheinen. Er

müßte und könnte dann auf diefen Gebieten viel eindringender
analyhert werden, als das in den fehr fummarifchen
Überfichten des Verf. gefchehen ift. Aber der Verl. will
eben gerade ins Weite und Große. Die ganze Unter«
fuchung foll eine Art Prolegomena zu einer kritifchen
Gefchichte des Individualismus fein. Ich fürchte, daß die
Gefchichte eines fo weitfchichtig gefaßten Objektes überhaupt
nicht zu fchreiben ift, obwohl eine folche Art Vor-

beherrfcht, den Mariendienft nicht als Ablenkung vom
Gottesdienft, als Rütteln an der chriftozentrifchen Auf-
faffung des Glaubens erfcheinen zu laffen. Im eigentümlichen
Gegenfatz zu der fcharfen Ablehnung derer, die
von Ave Marien, Rofenkränzen, Wallfahrten allerhand
irdifche Vorteile für fich erwarten, fteht für evangelifches
Empfinden der Preis der Biblioteca de la Virgen auf dem
Montferrat in Spanien (Sammlung von Krücken, Bildtafeln
ufw. von Pilgern, die beim dortigen Marienbild ,Hilfe und

befinnung, wie die Unterfuchung fie darfteilt, vielleicht eine i Troff gefunden haben) — aber diefer Preis des wunderberechtigte
Mahnung an die Breite und die verfchlungenen j tätigen Gnadenbildes neben jener Ablehnung ift für unfern
Zufammenhänge des ,Individualismus' ift. [ gebildeten kirchlichen Katholizismus gerade charakte-

Berlin E Troeltfch nftifch. Wertvolle Einblicke in die tragenden Grundfätze

der katholifchen Schulpolitik gewährt der Vortrag über
Schule und Religion (darin die Verwahrung dagegen, daß
die deutfchen Katholiken die heutige Schule abfolut ent-
ftaatlichen wollten; Staat und Kirche follen an der Schule
Hand in Hand arbeiten. Diefes Hand in Hand Arbeiten
ift natürlich unter Wahrung aller Anfprüche der katholifchen
Kirche gemeint). Auch die Rede über kirchliche
Freiheit (im 4. Buch) erklärt fich, nachdem heftig über
die Unfreiheit der Kirche in Deutfchland und über die
Ablehnung des Toleranzantrags des Zentrums geklagt
ift, energifch gegen den Traum, als ob mit der Trennung
der Kirche vom Staat das goldene Zeitalter der Kirche
anbrechen würde, und bezeichnet die Verbindung der
Kirche mit dem Staat nach deutfchem Mufter als den
,für uns idealen Typus'. Intereffantes bringen auch die
Reden des 3., die Frauenfrage behandelnden Buches; u. a.
tritt F. entfchieden für das Recht des Frauenftudiums ein.

Haering, Prof.Dr.Th.: Daschriltliche Leben. Ethik. 3.verm.
u. verb. Aufl. 6. u. 7. Tauf. (552 S.) 8°. Calw, Vereinsbuchhandlung
1914. M. 7—; geb. M. 9 —

Über die zweite Auflage diefer Ethik habe ich im
Jahrgang 1907, Nr. 23 der ThLz berichtet. Der fyfte-
matifche Autbau und die Ausführung im großen und ganzen
find in der neuen — noch vor dem Kriege erfchienenen
— Auflage diefelben geblieben. Im einzelnen aber hat
der Verf. fein Werk aufs glücklichfte noch zu verbeffern
und zu bereichern verftanden. Das Buch bringt keine
wefentlich neuen Gefichtspunkte zur Auffaffung der Grund-
tatfachen des fittlichen Lebens und zur Löfung der großen
Grundprobleme der philofophifchen Ethik. Wohl aber
bietet es eine fehr klare und reichhaltige Darfteilung der
praktifchen Forderungen, die fich aus der chriftlichen
Glaubensanfchauung ergeben, und ihres Verhältniffes zu Halle a. S. K. Eger.

den ethifchen Idealen und Forderungen, die von anderen j_________,

Standpunkten aus gewonnen werden. Ein befonderer 1

Vorzug des Buchs befteht in der durchgängigen leben- Referate.

digen Auseinanderfetzung mit den vielerlei ethifchen Gall, Gymn.-Prof. Priv.-Doz. Lic. Dr. Aug. Frhr. v.: Die Papyrus-
Anfchauungen und praktifchen Bewegungen der Gegen- j Urkunden der jüdilchen Gemeinden in Elephantine in ihrer Bewart
. Gerade auch diefen Vorzug hat der Verf. der ! deutung f. jüdifche Religion u. Gefchichte. (Vorträge der
neuen Auflage zu erhalten gewußt, indem er alle wichtig- theolog. Konferenz in Gießen, 34. Folge.) (26 S.) gr. 8°. Gießen,
eren Erfcheinungen und Strömungen auf ethifchem Gebiet I A. Töpelmann 1912. M. —60

auch der letzten Jahre vor dem Kriege mit berückfichtigt Hrku, Dr. Ant.: Die jüdifche Gemeinde von Elephantine u. ihre Be-
hat. Die vielfeitige Auseinanderfetzung mit fremden Ge- Ziehungen zum Alten Teftament. 3. Tauf. (Biblifche Zeit- u.
danken wirkt in dem Buche nicht zerftreuend. Denn fie Streitfragen. VII. Serie, 11. Heft.) (32 S.) 8". Gr. Lichterfelde,
ift überall feft in die einheitliche Gedankenführung des E- R"nf- m2- J; „ , ,_ . M- - 50

Verf.'s hineinverflochten und feinem vorfichtig abwägen- , .. .Rudo'f Smend' d?r dlf e„ Schnftchen hatte anze.gen follen

den, nirgends engherzigen, immer aber ficheren chriftlichen ZZ^Ztl^Z h'" ^ 1 E,eph- T

tt i 1 r fl- 1 t +- eine Bedeutung beigelegt werde, welche ihnen nicht zukomme,

urteil unterltellt. Er fah nämlich jn den juden von Elephantine überhaupt nicht

t-v r Lfruhv',n A,Llfl^e /e.hlten Mle Literatm-angaben. ; Jlldenj rondern Samariter und war der Meinung, daß damit die
Dielen Mangel hat der Verf. jetzt abgeftellt. Er gibt am Elephantinepapyri erheblich an Intereffe verlören. Wenn man
Schluffe eine vorzügliche Zufammenftellung der Literatur indelfen diefe Auffaffung für noch nicht bewiefen hält, wird man
zu den einzelnen Abfchnitten feines Buchs. Diefe Zugabe diefen beiden Schriftchen mindeftens als einftweiligen Verfuchen,
ift höchft dankenswert. die Urkunden als von Juden herrührend zu deuten und zu verJena
. H. H. Wendt werten, eine Exiftenzberechtigung zuerkennen. Von Gall behandelt
die aus den Urkunden fich ergebenden Probleme kurz und

r.„iL.L„„ us/ut, iv/i:~i,.,m ■ 70;tiMnn„ ,,„j -7„:i_ < u anfchaulich in der daraus gefchöpften Überzeugung S. 4, daß

Faulhaber, Bifch. Michael v Ze.tfragen und Zeitaufgaben. i diefe Funde in ihren wichtigften Urkunden die Irgfbnilfe der
Gefammelte Reden. (VIII, 370 S.) 8°. Freiburg i. B., modernen altteftamentlichen Wilfenfchaft beftätigen und ihnen
Herder 1915. M. 4.60; geb. M. 5.60 | den letzten Verdacht des Hypothetifchen nehmen. Die weiter
r u -u j- r 1 ~i a c ^ ! fchweifigere, nicht fo gewandt gefchriebene Schrift von Jirku bietet
, fl?ih.uubejj dle Gedanken- und Stimmungswelt rachlich nier und da mehl.; enthält aber mehrfach recht ZweifeI.
der geiftig führenden unferer heutigen deutfchen katho- | hafteS; um nicht zu fagen Verkehrtes, weshalb fie ais Populari-
hlchen Kirche unterrichten will, hat in den gefammelten , fierungsverfuch Bedenken wecken muß. Im Übrigen fehlt auch
Reden des Bifchofs von Speyer ein ausgezeichnetes Hilfs- hier nicht ganz die Überzeugung, daß gewiffe Ergebniffe der alt-
mittel dafür. Dogma, Kultus, Ethik, fowie die fozialen teftamentüchen Quellenfcheidung durch den neuen Fund glänzend