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Ausgabe:

1915 Nr. 2

Spalte:

497-498

Autor/Hrsg.:

Weingärtner, Georg

Titel/Untertitel:

Rudolf Euckens Stellung zum Wahrheitsproblem 1915

Rezensent:

Koppelmann, Wilhelm

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Seite 1

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497 Theologifche Literaturzeitung 1915 Nr. 23, ^3

u. Forfchen. 6. Bd.) (XXVIIT, 392 S.) gr. 8°. Leipzig, kathoHfchen Forfcher leicht als ein gefährlicher Subjek-
F. Meiner 1914. M. 7.50; geb. M. 8.50 ! tivismus erfcheinen. Höchften.s mag er zugeben, dal-1 bei

T,. , «... , Tir , , * -i 1 ^ . • ! der Überzeugung von der religiöfen Einzieartiekeit Tefu
Einer der fuhrenden lYychologen Amer kas hat hier d d , f perfönUche Erl|£n;s von au%fchfag"fi"

mit großer Gelehrfamkeit, aber in flottem Plauderftfl die der Bedfut /ein könne. fageDeU
bahnbrechenden Leiftungen von Lotze hechner Hehn- E|]cken £t mm freüich durch f j j .f fa M

hotz undyundt dargeftelltund Das | thod auf dje ßier natürIich nicht eingegangen werden

Original entlnelt fogar noch befondere Artikel über Zel- ka 'das perfö„liche Erlebnis mit Erfolg unf jedenfalls

ler und E. von Hartmann.. Diele fchaltete aber der Uber- , 'ßem-Stile auf eine breitere Bafls zu Bellen und

fetzer aus, weil fie ihm mit Recht als unwichtig erschienen. dersGefahr fubjektiviftifcher Entgleifungen nach Möglich-
Die Darftellungen des Verfaffers fuchen vor allem den per- kdt yu fchüt/enJ fucht Trotzd|m wird feine Phflofophie
fönlichen Untergrund der horfcherarbe.t feftzuftellen und denjenigen welche an die Möglichkeit logifch vermittelter
bieten m diefem Intereffe viele biograph.fche Details. ErkJennfnis auf dem Gebiet der Metaphyfik glauben -
Die Lüftungen felbft werden nicht nur nach ihren allge- und dazu höre„ nebe„ anders ^n Ge*ftern doch
meinen Umriffen charaktenfiert fondern auch nach ihren wohl auch die mejften kathoIirchen Theologen und Phi-
bedeutfamften fpeziellen Inhalten. Der Lefer fühlt fleh , lofophen niemais Genüge tun. Das findet bei Wein-
durch die eingeflochtenen gefch.ckt ausgewählten Aus- | artner feinen Ausdruck in feinen Schlußbemerkungen
züge aus den Schiften der pfychologifchen Klaffiker | §. ?$ ff aus denen ich wenigftens eine charakteriftifche
lebhaft zu weiteren Studien angeregt. Manche perfonli- Stdle hervorheben will. ,Es mutet faft tragifch an', fo
chen Erinnerungen, die der Verfaffer aus feinem Verkehr | heißt es dort; man den küh vom höchften Idea-

mit Fechner Helmholtz und Wundt verwerten konnte, H,mus und innerftem Bedürfnis eingegebenen Anfturm
erhöhen den Reiz der temperamentvollen Charakterlftlk. Euckens, echtes, wefenhaftes Erkennen und damit einen
H. hat eine gewiffe Abneigung gegen reine I hilofophie. : Shm des Lebeng zu gewinnen gerade am höchften Punkte
Darum ift er auch in feinem knhfchen Urteil über die fcheitern fieht/ Dieles Scheitern befteht aber nach W
fpekulativen Elemente der großen Pfychologen nament- jn nichts anderenij a]s daß EuGken logifche Beweife für
lieh Lotzes, Pechnersi und Wundts; em wenig abfprechend. die letzten und höchften Überzeugungen metaphyflfcher
Und doch find die fcharfen Präzifierungen, die Lotze für 1 Art nicht für möglich hält. Übrigens ift Weingärtners
gewiffe metaphyfifche Probleme einführte und die gerade 1 auf vide Zitate und dn rtindliches Studium geftützte
den philofophifchen Grundlagen der Seelenlehre zugute j Darftellung der Stellung Euckens zum Wahrheitsprob'em
kamen, noch heute muftergültig. Auch Fechners Ge- j klar und t und fdn emftes Beftreben trotz feine.

danken über die letzten Weltratfel find doch nicht bloß | dnem entfcheidenden Punkte völlig entgegenfetzten Aufgemütvolle
Phantafiefp.ele, fondern von dem ernften. Be- faffu Eucken ht zu werden miverkennbar. Da
ftreben durchdrungen, Konftmkt.onen von pofit.v-wiffen- auch kritifenen Ausführungen manches Lehrreiche
fehaftheher Wahrfche.nhchke.t zu bieten Die tadelnden enthalt kann fdne Schrift daner als dn recht lefens_
Bemerkungen über Wundt hat fchon clas Vorwort von werter Beitrag zur Würdigung der Euckenfchen Phüofophie
Max Brahn auf das richtige Maß zurückgeführt. Trotzdem bezeichnet werden
orientiert das Buch ausgezeichnet über die Entftehungs-

gefchichte der modernen Pfychologie. Nur hätte der Über- Münfter i. W. Wilh. Koppelmann.

fetzer die ftörenden Druckfehler und fonftigen Ungenauig- :------—

keiten des Originals noch vollftändger befeitigen follen. Burckhardt, Georg E.: Was ilt Individualismus? Eine phi-
Köni^sberg i. Pr. Kowalewski. lofoPh- Sichtg- (89 S.) gr. 8°. Leipzig, F. Meiner 1913.

___________ M. 2 —

Weinqärtner Dr. Geo.: Rudolf Euckens Stellung zum Wahr- Diefe Unterfuchung ift nicht, wie man vielleicht nach
heitsproblem. Darfteilung und Beurteilung. (82 S.) gr.8«. I d«m Tlt^J erwarten ivürde, eine foziologifche. Der Ver-
v "l , . o r „1. M , .n fafler will ausdrücklich nicht in den am gewöhnlichen
Mainz, Kirchheim & Co. 1914. • praktifchen Sprachgebrauch haftenden befonderen Ver-
Weingärtner gehört, wie ich aus gelegentlichen Äuße- - Wertungen des Wortes hängen bleiben, fondern will das
rungen fchließe, ' feiner philofophifchen Richtung nach Moment des .Individualismus' in allen erdenklichen Gedern
Neufcholaftizismus an. Damit hängt es wohl zu- dankenbildungen auffpüren, z. B. auch in dem Verhältnis
fammen, daß ihm einerfeits der idealiftifche Schwung der der Einzelwiflenfchaften zur Phflofophie, der konkreten
Euckenfchen Phflofophie, ihr erfolgreicher Kampf gegen Sprache zur abftrakten Begriffsbildung, der Heraushebung
den oberflächlichen Naturalismus und das damit verbun- des Herrfchers aus dem beherrfchten Verbände. Damit
dene Streben nach einer Vertiefung des Wahrheitsbe- weitet fich der Bedeutungskreis des Wortes unendlich
griffes höchft fympathifch ift, andererfeits Euchens Lö- aus und wird er, wie der Verf. felbft empfindet, zum
fung des Wahrheitsproblems doch nicht genügt. Denn .Hexenkeflel'. Das ift umfomehr der Fall, als auch alle
dem Scholaftizismus liegt das Streben nach verftandesmä- erkenntnistheoretifchen Erfcheinungen des Skeptizismus,
ßigen Beweifen, wie es z. B. in dem Anfelmfchen und Relativismus und auch der naturphilofophifche Begriff
den anderen Argumenten für das Dafein Gottes feinen des Atoms und des Organismus unter ihn fubfumiert
klaffifchen Ausdruck gefunden hat, tief im Blut, während werden, und überdies neben ein die individuelle Befonder-
bei Eucken fchUeßÜch alles auf das Erleben refp. das leben- heit fixierendes Denken auch noch das tatfächliche be-
dige Erfaffen eines in uns hineinragenden abfoluten Gei- wußte oder auch unbewußte Sonderexiftieren des Seins
fteslebens geftellt ift. . m* feinen Folgen darin aufgenommen wird. Da wird denn
Solchen Gedankengängen wird ein proteftantifcher freilich eine .philofophifche Sichtung' fehr notwendig. Sie
Theologe im allgemeinen mehr Verftändnis entgegen- befteht darin, daß der Begriff als logifche Kategorie wie
bringen als ein katholifcher. Daß das Erleben auf gewiffen Kaufalität oder Subftantialität deduziert und als bewußtes
Gebieten, z. B. dem äfthetifchen, eine Quelle, ja die einzige denkendes Ifolieren des individuellen Momentes in dem
Quelle der Erkenntnis der Wahrheit "ift, daß man z. B. ganzen Kreis der Dinge vom Weltall bis zum Element
die Überzeugung, daß Goethe ein großer Dichter, Beethoven und vom Element bis zur Heldenperfönlichkeit bezeichnet
ein großer Tonkünftler ift, nicht aus logifchen Beweifen wird. Der Verf. wendet an diefe logifche Sichtung fehr
fondern nur aus eigenem Erleben gewinnen kann, wird viel Wiffen und fehr viel bohrendes Nachdenken. Allein
zwar jeder ohne langes Zaudern zugeben. Daß dies aber mir fcheint, daß die fehr heterogenen und im Recht ihrer
auch auf dem religiöfen oder, wie wir auch fagen können, Beiziehung oft fraglichen Mafien von Beifpielen des ,Indivi-
auf dem metaphyfifchen Gebiet gelten foll," wird dem duellen' durch die zuletzt entworfene und graphifch in