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Ausgabe:

1915

Spalte:

494-495

Autor/Hrsg.:

Schäfer, Albrecht

Titel/Untertitel:

Die Orden des h. Franz in Württemberg bis zum Ausgang Ludwigs des Bayern 1915

Rezensent:

Lempp, Eduard

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494

demgemäß unferen Ausgaben zu Grunde zu legen fei. '
Raufchen, deffen Ausgabe hier fcharfe Kritik erfuhr, hat
fogleich widerfprochen und erneut nachzuweifen verfucht,
daß beide Überlieferungstypen Rezenfionen des Tertul-
lianifchen Werkes feien, F die bei weitem beffere, aber ]
keineswegs die allein maßgebende. Es fei geftattet, von j
der das perfönliche Gebiet berührenden Polemik, der
beide Herren gegen einander treiben, hier abzufeilen. I
Ich verzichte auch darauf, den langen Liften von Verfehen i
aller Art, die fich die Verfaffer mit übertriebener Pedanterie
und peinlicher Kleinlichkeit aufrechnen, nicht ganz j
wenige weitere hinzuzufügen, weife aber nachdrücklich auf
das umfangreiche Verzeichnis von Berichtigungen und Änderungen
hin, das Raufchen den Benutzern feiner ed. II
zur Verfügung ftellt (es hätte zu einer zweiten Auflage j
auch bei billiger Nachficht nicht ganz fo vieler bedürfen
muffen). Beide Arbeiten unterliegen bisweilen der bei
folchen Studien drohenden Verfuchung, das Gras wachfen
hören und zu viel beweifen zu wollen ;fie halten das Problem j
nicht elaftifch genug und berückfichtigen nicht die Mehr- j
heit von Möglichkeiten zu feiner Deutung. Im Rahmen
diefer Anzeige kann nur noch auf die entfeheidenden
Argumentationen kurz eingegangen werden. Zur Erklärung
und Kritik einzelner Stellen liefern beide Studien viel
willkommene Beiträge.

Schrörs befpricht zunächft 15 Stellen, an denen der
Sinn einer Modifikation unterliegt, und meint, daß minde-
ftens für fünf die Annahme einer Neubearbeitung durch
den Verfaffer fich aufdränge, für die übrigen fich nahe
lege. Weiter findet er, daß viele Gedanken in S beffer
oder fchärfer ausgedrückt feien als in F, eine Korrektur
alfo, wie man fie zumal in fo konfequenter Durchführung
nicht wohl einem anderen als dem Verfaffer felbft zutrauen
dürfe. Ebenfo deuten die zahlreichen rein ftiliftifchen
Varianten auf Selbftkorrektur, da die kürzere oder klarere
Formulierung immer die von S fei. Es verfteht fich von
felbft, daß nicht bei allen in diefem Sinn befprochenen
Varianten die vertretene Mypothefe gleich einleuchtend
ift. Sie müßte aber mindeftens für eine in F und S mit
wirkfame Stufe der Überlieferung als erwiefen gelten,
wenn fie an einigen Stellen durchfchlagend dargetan, wenn
wenigftens eine Stelle nachgewiefen würde, deren Lefungen
in S und F fchlechthin nicht anders denn als Selbftkorrektur
des Autors aufgefaßt werden können. Ich muß
nun Raufchens Antikritik darin Recht geben, daß ein
folcher Nachweis nirgends geglückt ift. Dann aber behalten
alle die Stellen ihr volles Gewicht, die man zunächft
zugunften der Authentizität von F gegenüber S
angeführt hat, vor allem die Glanzftelle 9,2 patris F gegen
patriae S, gegen die Schrörs S. 103 ff eindruckslos argumentiert
, dazu weitere von Raufchen S. 17 ff, 38 ff z. T.
gut befprochene. S ift zweifellos an vielen Stellen interpoliert
und durch eine tüchtige, aber mehrfach fehlgreifende
Rezenfion fpäterer Zeit korrumpiert. Seine Vorlage
war wohl eine arg befchädigte Hf. des Originals.
Daß diefes nur eine, in F beffer erhaltene Form gehabt
hat, macht ja auch die von Schrörs nicht einleuchtend
erklärte Tatfache der Übereinftimmung von F mit der
Vorlage des Apologetikum, der wenig älteren Schrift
Ad nationes, und mit der griechichen Überfetzung bei
Eufebius und den lateinifchen Zitaten bei Rufin hochft
wahrfcheinlich. Im übrigen ift S felbft nicht einheitlich;
fo ift z. B. nomen reus 2,20 handgreiflich Verkuppelung
von zwei konkurrierenden Lesarten.

Kann nun S überhaupt noch neben F für die recenfio
in Betracht kommen, wo es fich nicht um die fejb.ftyer-
ftändliche Berichtigung gewiffer Schreiberfehler und Uber-
lieferungsmißgefchicke handelt? Das wird von Callewaert
verneint, von Raufchen behauptet. Mindeftens an einer
Stelle ift auch F unleugbar kompiliert: das berühmte
Fragraentum Fuldenfe (von Schrörs wird es merkwürdiger
Weife überhaupt nicht befprochen) kann nur anftatt, unmöglich
jemals neben c. 19.20 der Vulgata (wie in F)

rezipiert werden, muß jedoch unbedingt vor S zurück-
ftehen, da Tertullian nur S, nicht aber den Text des
Fragments (es fei denn in einer Kladde, und felbft diefe
Annahme findet außerhalb des Fragments keine Stütze
und in ihm einige Anftöße') gefchrieben haben kann.
Sekundäre Rezenfion, nicht einfache Korruption durch
die Überlieferung verrät F auch 34,4 male traditum anftatt
maledictum; 35, 2; 48,2 u. a.

So viel dankenswerte Förderung alfo die befprochenen
Schriften gerade durch ihre ftarke Gegenfätzlichkeit in
Einzelheiten gebracht haben, — das ganze Problem der
Überlieferung bleibt noch ungelöft. Aus der Erkenntnis,
daß weder S noch F in fich einheitlich find (eine Hf. ift
faft immer ein Gewächs, feiten ein Fabrikat), ergibt fich
die Forderung einer komplizierter angelegtenUnterfuchung,
die auch die Varianten der einzelnen S-Handfchriften zu
berückfichtigen hätte. Vorbedingung wäre eine Ausgabe,
die beide Texte in Parallelkolumnen böte; vielleicht be-
fchert fie uns das Wiener Corpus.

Berlin-Dahlem. Hans von Soden.

Blume, Dr. Karl: Abbatia. Ein Beitrag zur Gefchichte der
kirchl.Rechtsfprache. (Kirchenrechtliche Abhandlungen
83. Heft.) (XIV, I18S.) gr.8". Stuttgart, F. Enke 1914.

M. 5.40

Die vorliegende, gelehrte Studie nennt fich mit Recht
einen Beitrag zur Gefchichte der kirchlichen Rechtsfprache.
Denn fie gibt uns die Gefchichte der fprachlichen Verwendung
des Wortes ,abbatia', und liefert den Beweis,
daß wie fo oft in der Sprache des Volkes und des Rechtes
heute Ausdrücke verwendet werden, mit denen in der Vergangenheit
vielfach ein ganz anderer Sinn verbunden
wurde, der zudem allerlei Wandlungen durchgemacht hat.

Das Wort ,abbatia', welches zuerft in der Irländischen
Kirche gebraucht wurde, bedeutet zunächft das Amt des
Abtes, als Amt des Kloftervorftehers, aber auch als Amt
des Vorftehers von Weltgeiftlichen. Eine fpätere Bedeutung
war die einer Gefamtheit von Äbten; eine weitere
die des Miffionsbezirkes eines Abtes. Sodann bezeichnete
man damit die Temporalien und die Grundherrfchaft des
Klofters, ferner Klofter und Stift (kirchliche Anstalt, kirchliche
Gebäude, kirchliche Gemeinschaft). Diefe zahlreichen
Bedeutungen haben zum Teil wieder allerlei Schattierungen
aufzuweifen. Gewiß ein fehr buntes Bild.

Allen diefen Bedeutungen geht der Verfaffer mit
minutiöfer Gelehrfamkeit in ihrer Gefchichte nach; er prüft
fie auf ihr (z. T. nur ganz gelegentliches) Vorkommen,
und unterfucht die (z. T. nur ganz vereinzelten) Belege.
Diefe werden hiftorifch und philologifch erläutert. Über-
fichtliche Tabellen, in denen das Vorkommen des Wortes
in den geiftlichen und weltlichen Urkunden nachgewiefen
wird, geben zugleich ein Bild von dem reichen vom Verfaffer
durchfochten Material und feinem höchft anerkennenswerten
Gelehrten fleiße. —

Erlangen. Sehling.

Schäfer, Albrecht: Die Orden des h. Franz in Württemberg
bis zum Ausgang Ludwigs des Bayern. Diff. (Tübingen).
(VIII, 109 S.) 8«. Stuttgart 1915.

Eine treffliche Doktordiffertation aus der Schule von
Walter Götz und Karl Müller. Mit großer Sorgfalt und
gründlicher Belefenheit werden die Gründungen der drei
Zweige des Franziskanerordens und ihre Entwicklung bis
13 50 aufgezeigt, foweit fie im Gebiet des heutigen Württemberg
fich finden. Dabei ift natürlich die geographifche
Abgrenzung, die dem Verfaffer feine Aufgabe Stellte, eine
recht willkürliche. Der Gewinn, den wir aus der Arbeit
ziehen, befteht in den genau nachgewiefenen Einzelheiten.
Wo es fich um größere und grundl ätzlichePTagen handelt,
ift S. natürlich von fekundären Bearbeitungen abhängig,