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Ausgabe:

1915 Nr. 2

Spalte:

449-450

Autor/Hrsg.:

Häberlin, Paul

Titel/Untertitel:

Über das Gewissen 1915

Rezensent:

Rost, Gerhard

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Seite 1

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449

Theologifche Literaturzeitung 1915 Nr. 20/21.

450

Harmonie an einzelnen Punkten unverkennbare Riffe auf
— es bleibt dabei, daß der fpezififch katholifche Autoritätsbegriff
fich nicht mit der Freiheit, wie wir fie fordern,
verträgt, es ift tatfächlich trotz R. bloß die Freiheit des
Vogels im Käfig, S. 62; vgl. auch die Ausführungen über
Wunder und Willensfreiheit — fondern vor allem erfcheint
uns die Vorftellung von einer, feis auch noch fo innigen
Harmonie von Natur und Gnade immer noch als zu äußerlich
. Man mag glauben, daß Gnade das natürliche Ge-
fchehen leitet und gleichfam durch dasfelbe hindurch
fcheint, aber man darf nicht, wie R. als Katholik (und
Semipelagianer) tut, Gnade und Natur ineinanderflechten.
Wir haben das Verhältnis von Immanenz und Trans-
fzendenz anders zu beurteilen gelernt.

Iburg. W. Thimme.

und Fähigkeiten zu dem Begriff der von dem Naturzu-
fammenhange freien, geiftigen, fittlichen Perfönlichkeit und
fo auch zu einer tieferen Auffaffung von dem Wefen des
Gewiffens.

Buxtehude. G. Roft.

Deichmann, Pfr. Adolf: Eine neue Evangelienreihe exege-

tifch u. homiletifch bearbeitet. (In 12 Lfgn.) 1._6.

Lfg. (S. 1—288) gr. 8°. Leipzig, G. Strübigs Verl. 1914.

je M. — 50

Der Verl. will eine Reihe evangelifcher Predigttexte

bieten, die keines der in den altkirchlichen und in der

Eifenacher Reihe genutzten Stücke wiederholt, für folche

alfo, die diefe beiden Reihen .durchgepredigt' haben,

ganz ,neu' ift. Gewählt find die Texte mit Vorliebe aus

Häberlin, Paul: Über das Gewiifen. Nach e. öffentl. Dis- den in nichtpreußifchen Landeskirchen gebräuchlichen

kuffions-Vortragvomzi.November i9i4inBern. (77 S.) Praktfkern ^.farnmengeftellten Periko-

00 tj c 1 v u M ' ' penreihen. Wo diefe letzteren in Benutzung find, wird

8». Bafel, Kober 1915. M. 1.20

Ausgehend von der Tatfache der Selbftbeurteilung
als der Vergleichung mit einem von uns gedachten Ideal-
zuftande, unterfcheidet der Verfaffer die Selbftbeurteilung

man alfo D.s Reihen der Kollifionen wegen nicht gut brauchen
können; aber in Preußen, und wo fonft nur jene beiden
erftgenannten Reihen im Gebrauch flehen, werden
ficher manche Prediger ihm dankbar fein. Die jedesmalige

nach Wunfehidealen und nach einem autoritativen Ideale. j Wahl wird durch einen kurzen Einleitungsabfchnitt be-
Jene richtet fich auf das, was uns gefällt oder angenehm j gründet. Daß diefe Begründung gerade auf das Ver-
ift, und es fleht in jedes Belieben, ob er fein Verhalten j hältnis zu den anderen Reihen viel Gewicht legt, verliehen

darnach einrichten will oder nicht; diefe urteilt nach einem
Idealbilde, welches wir uns von uns machen und deffen
Verwirklichung unbedingte Pflicht, höchfte Aufgabe und
der eigentliche und einzige Beruf des Menfchen ift.

Dies Idealbild aber ift nach Häberlin, und darin liegt
das befondere, wefentliche Kennzeichen feiner Erklärung
des Gewiffens, nicht für alle Menfchen das gleiche, fondern
für jeden verfchieden. Es mag wohl, fo erklärt er,
eine allgemeingültige Idee des Menfchen überhaupt geben,
es foll jeder ein anftändiger und tüchtiger Menfch fein;
darüber hinaus aber gibt es für jeden eine perfönliche
Beftimmung, eine für ihn geltende Idee, die Idee feiner
befbnderen Perfönlichkeit. Die Selbftbeurteilung nach
dieferldee ift nach dem Verfaffer das Wefen des Gewiffens.

Es leuchtet ein, daß ihm bei diefer Auffaffung die
Nachweife leicht gelingen, daß das Gewiffen nicht auf
fremder Autorität beruht, nicht bloß negativ in Verboten
und Rügen, fondern in pofitiven Forderungen auftritt, nicht
anerzogen oder fonftwie erworben, fondern angeboren ift,
nicht in dem felbftfüchtigen Streben nach dem Nützlichen
oder in dem Verlangen nach Bewahrung der Gemeinfchaft
mit andern befteht und trotz der mannigfachen Verfchie-
denheit feines Inhaltes bei den einzelnen Menfchen und
in den verfchiedenen Kulturepßchen infofern einheitlich,
konftant und unbedingte Autorität ift, als es in feiner
Befonderheit in jedem Einzelnen wirkt und für ihn ab-
folut gilt.

Ebenfo offenfichtlich aber ift es, daß auf diefe Weife
eine fefte und univerfale Ethik nicht erreicht wird, daß
dem fo gefaßten Gewiffen doch die verpflichtende Kraft
fehlt und es alfo in feiner Eigenart nicht erklärt wird, weil
hier die Möglichkeit nicht ausgefchloffen ift, daß Wunfch-
beftrebungen den Inhalt der Idee der befbnderen Perfönlichkeit
beftimmen und damit das Sichausleben Nietzfches
als höchftes Ziel erfcheinen kann.

Anzuerkennen ift, daß der Verfaffer den Verfuch gemacht
hat, das Wefen des Gewiffens im Anfchluß an
Kant zu beftimmen in Gegenfatz gegen das Trachten
nachdem Gefallenden, Angenehmen und Nützlichen, gegen
allen Eudämonismus in dem Gefühle der Verpflichtung
zu dem, was man irgendwie als an fich recht und gut,
als Pflicht erkennt. Aber er hat diefen Verfuch nicht
durchgeführt, fonft würde er zu einem höheren Begriff der
Perfönlichkeit gelangt fein, nämlich ftatt des hergebrachten
als der Beftimmtheit des Einzelnen durch mehr oder
weniger äußerliche, naturhafte befondere Eigenfchaften

wir; aber für den Gebrauch tragen diefe Bemühungen, die
immerhin Platz koften, wenig aus. Die Texte konnten
ruhig für fich felbft fprechen, tun das auch größtenteils.
Nur ift die Rückfichtnahme auf die alte Evangelienreihe
viel zu ftark gewefen; eine neue Reihe hat doch ihre
Aufgabe gerade auch darin, daß fie andere Gedanken
zu bieten erlaubt.

Warum alfo z. B. am i. Adv. Luc 19, i—10, das doch an diefem
Tag als Parallele zu Matth 21 wirkt? Ob für Weihnachten Luc. 1,
26—35. 37—38 eine glückliche Wahl ift, bleibt, mindeftens in diefer
Textbegrenzung, fraglich.

Für jeden Text find exegetifche Einleitungen geboten
, die vor allem die Hauptfchwierigkeiten zu löfen
fuchen. Dabei werden Ausleger wie B. Weiß, Wohlen-
berg, Jülicher, Schlatter u. a. oft ziemlich ausführlich be-
rückfichtigt; bald mehr diefer, bald mehr jener. Diefe
Bemerkungen können zwar keinesfalls zur exegetifchen
Durcharbeitung genügen, aber fie geben immerhin Handhaben
und Anregungen. Dann folgt Homiletifches,
d. h. eine Reihe von Propofitionen mit etlichen Zufatzbe-
merkungen; endlich einige Stücke aus der Predigtliteratur
, wobei fehr verfchiedene Prediger benutzt werden
Die Wahl diefer Stücke macht natürlich oft den Eindruck
des Zufälligen.

Die Propofitionen bieten viel, werden alfo wohl jedem etwas
bringen. Doch fcheinen mir ziemlich viele Themata an allzugroßer
Unbeftimmtheit zu leiden. Zu Joh 6,41—46 ift u. a. vorgefchlagen:
.Murrende Leute'; ,das Murren' (ift 1. zwar erklärlich, 2. doch betörlich).
Blaffe Themata find fehr häufig, kräftig-konkrete faft feiten. Ein Thema
wie ,Eine geiftliche Luftveränderung' (293) ift verfehlt.

Das Ganze ift zuerft als Beigabe zu der Zeitfchrift
.Dienet einander' erfchienen. Die Raumverhältniffe ver-
urfachten es, daß zu den letzten fechs Thematen nichts
als die Begründung der Themawahl gegeben werden
konnte; auch ift die Verteilung des Raumes fehr ungleich;
die früheren Texte find reichlicher bedacht als die fpä-
teren. — Die Zahl der ftiliftifchen Nachläffigkeiten und der
Druckfehler ift fehr bedeutend.

Gießen. M. Schian.

Schönhuth, Dek. Lic. Ottmar: Methodenlehre für den Unterricht
in Religion. 2., neubearb. Aufl. (XI, 169 S.) 8°.
Tübingen, J. C. B. Mohr 1915. M. 2.40; geb. M.3.20

Im ganzen ift diefes bewährte Buch in der zweiten
Auflage dasfelbe geblieben: eine genau und immer wieder