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Ausgabe:

1915 Nr. 2

Spalte:

441-442

Autor/Hrsg.:

Shore, W. Teignmouth

Titel/Untertitel:

John Woolman, his Life and our Times. Being a Study in applied Christianity 1915

Rezensent:

Köhler, Walther

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44i

Theologifche Literaturzeitung 1915 Nr. 20/21.

442

A. die Linien nach rückwärts und nach vorwärts, zu Me-
lanchthon und Calvin, Urfinus und Strigel, zu Maccovius
und Wendelin, Polanus, Heidegger und Pictet, ja auch
zu den Cartefianern. Diefer Hintergrund wird indeffen
durch A. nur in dem Maße fkizziert, als er dazu dienen
foll, die Geftalten, auf welche es ihm befonders ankommt,
in ein helleres Licht zu rücken. ,Nur für Keckermann
und Alfted beanfprucht die Unterfuchung, einigermaßen
vollftändig zu fein'. — Bei aller Abhängigkeit der Schrift
A.s von den Arbeiten Troeltfch's, Weber's und Heim's,
bekundet fich doch die Selbftändigkeit feiner weiterführenden
Unterfuchungen in der Erfchließung von neuen, vor
ihm noch unberührten Gebieten, ebenfo in den nicht feiten
anders begründeten und abweichend lautenden Urteilen
und Refultaten.

Aus dem Komplex der ,Prinzipien der reformierten
Dogmatik' greift A. drei Probleme heraus, die er vor allen
als ,entfcheidend' bezeichnet. Zuerft die Frage nach den
allgemeinen Beziehungen zwifchen Theologie und Philo-
fophie (9—125): hier intereffiert in der Fülle des Materials,
das er in der von Keckermann nahe gelegten Ordnung
bringt, zweierlei befonders: das Problem der dogmatifchen
Methode (18—72) und der Einfluß der neu-ariftotelifchen
Metaphyfik auf die Gotteslehre (73—125). Zweitens die
Frage nach dem inneren Verhältnis von Vernunft und
Offenbarung, wie Troeltfch fie für Johann Gerhard geftellt
und beantwortet hat (126—178). Drittens, das Problem,
wie fleh die Reflexion über Art und Grund der religiöfen
Gewißheit auf Grund der Beziehungen zwifchen Theologie
und Philofophie geftaltet hat. ,Von dem fcheinbar Äußer-
lichften fchreiten wir alfo zu dem Innerften, dem Ausdrucke
der religiöfen Gewißheit fort. In allen drei Teilen
legt fleh fchon durch die bisherige Art der Forfchung
ein fortdauernder Vergleich mit lutherifchen Parallelen
nahe' (8).

Es würde den mir angewiefenen Raum weit über-
fchreiten, wollte ich auch nur in kurzen Zügen das Bild
nachzeichnen, das der Verf. in feinem Buch entwirft. Das
Urteil, das er aus feiner Vertiefung in die dogmatifche
Arbeit des 16. und 17. Jahrhunderts gewinnt, bietet ein
Intereffe dar, das weit über den Rahmen feiner Monographie
hinausragt. A. felbft faßt dasfelbe in feinem
Schlußwort zufammen, das das Gefamtergebnis feiner
fleißigen und gründlichen Unterfuchung zum Ausdruck
bringt. ,Immer wieder liegt es nahe, die Theologie der
Generation um 1600 als eine Verengerung, Entfeelung und
Verkürzung des wundervollen reformatorifchen Reichtums
zu empfinden. In der Tat: der Reiz des Urfprünglichen,
Lebendigen, des Paradoxen und Genialen fehlt bei faft
allen Theologen jener Zeit. Das gewaltige Pathos, das
durch Calvin's fcharfgefchliffene Sätze oft genug hindurchzittert
, darf man bei Keckermann und Alfted, Maccovius
und Polanus nicht fuchen. Aber ohne den Eindruck von
einer imponierenden geiftigen Arbeit wird kein urteilsfähiger
Lefer jener Dogmatik bleiben. Es waren keine
Scheinprobleme, mit denen die Scholaftik rang. Keins der
Probleme, die wir angerührt haben, ift von uns heute
überwunden. Aber auch die Art, wie man fie zu löfen
fuchte, darf dauerndes Intereffe beanfpruchen. Und wenn
man die Spuren der Epigonenzeit deutlich empfindet, fo
ift nicht zu vergeffen, daß der Übergang von den genialen,
aber philofophifch naiven Intuitionen der Reformatoren
zu der philofophifch beeinflußten Theologie der Scholaftik
eine innere Notwendigkeit war. Zudem hat es doppelten
Reiz, in einer Zeit der Verbildung das Gefühl für die
Eigenart des theologifchen Gegenftandes immer wieder
hervorbrechen zu fehen' (274).

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Shore, W. Teignmouth: John Woolman, his Life & our
Times. Being a Study in applied Christianity. (IX,

273 S. m. 1 Karte.) 8°. London, Macmillan & Co.

I9I3- s. 5 —

Bei dem neuerdings wieder lebhaft erwachten Intereffe
für die Quäker und ihre Gefchichte wird auch das vorliegende
Buch Beachtung und Intereffe finden. Es ift eine
gute Einführung in Leben und Denken der Quäker,
namentlich in Amerika. Nur wäre eine ftärkere Verarbeitung
des Materials erwünfeht gewefen; jetzt wird uns
im Wefentlichen Woolmans Tagebuch wörtlich in Petit-
Druck geboten unter Beifügung verbindender Worte. Und
damit kommt etwas Eintönigkeit und ermüdende Breite
in das Buch hinein. John Woolman, von dem wirklich
the world has taken so little heed, wurde 1720 auf einer
Farm in Mount Holly, Burlington County, New Jersey
geboren; aus feiner Jugend ift beachtenswert eine fein
Gewiffen fchwer bedrückende Graufamkeit gegen ein Rotkelchen
, das er mit einem Steinwurf leichtfinnig tötete.
Seine Eltern gehörten zu den Quäkern, und Shore benutzt
die Gelegenheit, kurz über die Anfänge des amerikanifchen
Quäkertums, namentlich über Penn, zu berichten; nach
New Jersey find fie zuerft as fugitives from the bitter
persecution, with which they were treated in the New
England States, gekommen. Wertvoll find die Notizen
über den von W. eingenommenen Toleranzftandpunkt:
I found no narrowness respecting sects and opinions, but
believed, that sincere, upright-hearted people, in every
society, who truly love God, were aeeepted of Hirn —
dem liegt deutlich der fpiritualiftifche Kirchenbegriff zum
Grunde. Nicht minder ift W.'s Auftreten gegen die
Sklaverei wichtig, weil es für die Quäker typifch ift. Vielleicht
das intereffantefte ift das ,troubles' überfchriebene
neunte Kapitel; denn hier taucht das Kriegsproblem auf
und wird für W. praktifch. Nach anfänglichem Schwanken
lehnt er the payment of taxes levied in support of
troops and to provide munitions of war glatt ab. Das
Problem ift ja durch den gegenwärtigen Krieg für die
chriftliche Ethik wieder brennend geworden, und die
Quäker find naturgemäß dabei in die Debatte gezogen
worden. Ein Einzelner oder eine kleinere Gemeinfchaft
wird fo denken können wie W., daran raufcht dann der
Strom der politifchen Gefchichte vorüber, aber ein ganzes
Volk geht zu Grunde, wenn es die Wehrlofigkeit vertritt.
Hier fpielen dann eben ganz andere Intereffen und Werte
mit, und die Quäker können nur daran mahnen, daß es
eigentlich nicht fo fein follte, wie es in der Welt zugeht.
Die Worte des Nachrufs auf W. feitens der Quäker
zeichnen die Lage ganz richtig: he was filly persuaded,
that as the life of Christ comes to reign in the earth, all
abuse and unnecessary oppression both of the human
and brüte creation will come to an end. — Eine Karte der
Settlements in part of the Eastern States of North America
1750 ift beigegeben.

Zürich. Walther Köhler.

Malaryk, Th. G.: Ruflland u. Europa. Studien üb. die geift.
Strömgn. in Rußland. I. Folge. Zur ruff. Gefchichts-
u. Religionsphilofophie. Soziologifche Skizzen. 2 Bde.
(387 u. 533 S.) gr. 8°. Jena, E. Diederichs 1913.

M. 24—; geb. M. 28 —

Ein außerordentlich intereflantes Werk. DerVerfaffer
ift Profeffor der Philofophie an der tfchechifchen Univer-
fität zu Prag, einer der Hauptfürfprecher der Verftändigung
zwifchen den Tfchechen und Deutfchen; katholifch auf-
gewachfen, ift er Proteftant geworden. In der Chriftl.
Welt, 1906 Nr. 20 kann man eine fympathifche Schilderung
der religiöfen Perfönlichkeit Mafaryks lefen. Das vorliegende
Werk will bloß gefchichtliche Darftellung fein.
Mein Intereffe an ihm ift in erfter Linie begründet in demjenigen
für das ruffifche Kirchentum und feine Bedeutung
im modernen Rußland; man kann auch an den meiften,