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Ausgabe:

1915 Nr. 2

Spalte:

440-441

Autor/Hrsg.:

Althaus, Paul

Titel/Untertitel:

Die Prinzipien der deutschen reformierten Dogmatik im Zeitalter der aristotelischen Scholastik 1915

Rezensent:

Lobstein, Paul

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)

439

Theologifche Literaturzeitung 1915 Nr. 20/21.

440

Jubelablaffes und zur Vornahme der Ordensreform in
erfter Linie konziliariftifche Anfchauungen bekämpfen und
kurialiftifche fördern follte; er verkennt auch nicht, daß
feine reformerifche Tätigkeit nur in fehr bedingter Weife
bleibenden Wert gehabt hat, im Grunde doch nur dort,
wo die eigne Tätigkeit der Orden und die Landesfürflen
vorgearbeitet hatten, und auch nicht auf dem geiftlichen
Gebiete, wo, wie bei allen Reformbeftrebungen die Erfolge
nur vorübergehend gewefen find, fondern auf dem
Gebiete der Kunft und Wiffenfchaft, wo infolge des mit
den Reformbeftrebungen in Zufammenhang flehenden wirt-
fchaftlichen Auffchwungs eine große Förderung eintrat.
Er bemüht üch auch fonfl um ein möglichft objektives und
gerechtes Urteil über die Zuftände der Klöfter im 15. Jahrhundert
, da er der Meinung ift, daß wir noch viel zu fehr
den düftern Schilderungen der Reformfreunde und den
maßlofen Angriffen Luthers und feiner Anhänger als den
vorwiegendften Quellen unferer Kenntnis folgten. Ich
möchte dem entgegenhalten, daß diefe Männer eine viel
beffere Kenntnis der Zuftände und Übelftände im Klofter-
wefen gehabt haben, als wir fie uns aus allen gefchrie- j
benen und gedruckten Quellen verfchaffen können, und
daß man bei der Betrachtungsweife des Verfaffers unfchwer
in die Verfuchung kommen kann, alle Reformbeftrebungen
für unnötig zu halten.

Den Unterfuchungen find beigegeben fechs, zum Teil
fchon anderswo gedruckte, Aktenftücke, unter denen der
Bericht über die Vifitation in den Zifterzienferklöftern
Viktring und Reun wohl das intereffantefte ift, das Itinerar
des Kardinals vom 31. Dez. 1450 bis Dez. 1452 und ein
fehr ausführliches Regifter.
Kiel. G. Eicken

Beilee, Hans: Polen und die römifche Kurie in den Jahren
1414 — 1424. (Ofteuropäifche Forfchungen, Heft 2.)
(VIII, 134 S.) gr. 80. Berlin, G. J. Göfchen 1914. M. 3.60
Die Verbindung mit Lithauen und der Sieg bei
Tannenberg 1410 hatte Polen zur Großmacht im Often
erhoben. Entfprechend feiner neuen hervorragenden
Stellung gewannen fortan feine diplomatifchen Verhandlungen
an Umfang und Bedeutung. Sie fteigerten fich
noch, als Polen Anfang 1415 das Konftanzer Konzil be-
fchickte, hier gleichfam in das europäifche Konzert eintrat
. Befonders lebhaft wurden jetzt feine Verhandlungen
mit der Kurie. Noch war der Kampf mit dem Orden
nicht zum Austrag gekommen, der Gegenfatz zwifchen
den beiden Mächten 1414 nach dem ,Hungerkriege' und
dem Waffenftillftand zu Straßburg fo groß wie je zuvor.
Nach einer Beftimmung diefes Waffenftillftandes follte
das Konzil den Streit entfcheiden. Welch Gewinn für
Polen, wenn es da die römifche Kurie für fich gewann!
Über das erfte Jahrzehnt diefer verwickelten, in ihren
Einzelheiten bisher der Forfchung fich entziehenden Verhandlungen
unterrichtet die vorliegende Studie. Sie verwertet
alle gedruckten, kirchlichen, deutfchen und pol-
nifchen Quellen, entnimmt auch einer Handfchrift im
Königsberger Staatsarchiv, einem Kopialbuch des deutfchen
Ordens, wichtige Urkunden. Die einzelnen weit-
zerftreuten Nachrichten verarbeitet fie in ftreng wiffen-
fchaftlicher Methode zu einem Ganzen und weiß oft in
überrafchender Vollftändigkeit all die Fäden aufzudecken,
die damals zwifchen dem Grenzlande des Oftens und Rom
gefponnen wurden. Zweifellos ift fie die wertvollfte Monographie
, die die letzten Jahre uns zur Gefchichte Polens
im Mittelalter gefchenkt haben. Caros monumentale Gefchichte
Polens ergänzt fie für das Jahrzehnt 1414—1424,
berichtigt fie auch in manchen Einzelheiten. Über die
intereffante huffitifche Strömung in Polen und ihre Bekämpfung
, der ich im Jahrbuche für Pofener Kirchenge-
fchichte 1911 eine Arbeit gewidmet habe, kann fie nur
wenig bringen, da fie fchon mit dem Jahre 1424 abfchließt.
Pratau. Wotfchke.

Althaus, Priv.-Doz. Lic. Paul: Die Prinzipien der deutfchen
reformierten Dogmatik im Zeitalter der ariitotelifchen Scho-
laitik. Eine Unterfuchg. zur altproteftant. Theologie.
(VIII, 275 S.) gr. 8°. Leipzig, A. Deichert Nachf. 1914.

M. 7.50

Eine aus lebendiger Wechfelwirkung hiftorifcher und
fyftematifcher Intereffen hervorgegangene, durch Gelehr-
famkeit, eindringendes und befonnenes Urteil und lichtvolle
Darftellung ausgezeichnete Schrift über einen Gegen-
ftand, der dem ferner Stehenden veraltet und wenig reizvoll
erfcheinen mag, dagegen durch feine Bedeutung und
feine Fruchtbarkeit einen wertvollen Gewinn abwirft und
ein förderndes Gegenwartsintereffe darbietet, fobald man
aus der Sprache der Vergangenheit die Probleme herauszufinden
weiß, die, wenn auch zuweilen in verfchiedener
Geftalt und Beleuchtung, fich der theologifchen und phi-
lofophifchen Reflexion unferer Zeit aufdrängen.

Während vor einigen Jahren Bohatec die reformierte
Dogmatik unter dem Einfluß der cartefianifchen Scholaftik
darzuftellen unternahm (Leipzig 1912. Siehe Theol. Literaturzeitung
1913, Nr. 20), ift die Unterfuchung von Althaus
gerade auf die vorhergehenden Jahrzehnte, die Zeit
des Ariftotelismus, gerichtet. Unter den Vorarbeiten, auf
welche A. fich bezieht, ragt zunächft das große Werk
Alexander Schweizers hervor ,die Glaubenslehre der evan-
gelifch-reformierten Kirche' (1844. 1847). Bei aller Anerkennung
diefer bahnbrechenden Schrift Hellt A. feft,
daß Schweizer, dem Zwecke feines Buchs entfprechend,
die aufeinanderfolgende Reihe der Dogmatiker im Wefent-
lichen auf eine Ebene rückt; daher geht der Blick für die
Harken Einflüffe der zeitgenöffifchen Philofophie, trotzdem
Schweizer fie nicht verkennt, im Einzelnen verloren. —
Weitere Anregungen hat A. von einigen Schriften erhalten,
die er in kurzen Zügen charakterifiert und an welche feine
eigenen Forfchungen anknüpften. Troeltfch's Arbeit über
Vernunft und Offenbarung bei Joh. Gerhard und Melanch-
thon, Göttingen 1891, bot die entfcheidenden Gefichts-
punkte, die auch auf reformiertem Boden zu verfolgen find.
Unter dem Einfluße von Troeltfch Hehen alle feitherigen
Arbeiten über die altprotefiantifchen Prinzipien, infonder-
heit die Schriften von E. Weber ,Die philofophifche Scho-
laffik des deutfchen Protefiantismus im Zeitalter der Orthodoxie
' 1907, und die Studie über ,den Einfluß der
proteffantifchen Schulphilofophie auf die orthodoxe luthe-
rifche Dogmatik' 1908. Endlich nennt A. eine letzte Schrift,
durch die er fich befonders gefördert weiß: Heim, Das
Gewißheitsproblem in der fyffematifchen Theologie bis zu
Schleiermacher 1911. Für Heim's Behandlungsweife des
Gegenflandes fei ein Doppeltes bezeichnend. Erflens
Hellt H. die proteflantifche Entwickelung des Gewißheitsproblems
und damit der Prinzipien überhaupt im Anfchluß
an eine ausführliche und eindringende Behandlung der
mittelalterlichen Theologie dar. Zweitens bietet Heim den
j Verfuch, die gefamte mittelalterliche und proteHantifche
j Entwickelung als den mit einer gewiffen Notwendigkeit
j fortfchreitenden Kampf letzter erkenntnistheoretifcher
Überzeugungen zu begreifen.

Im Anfchluß an diefe Vorarbeiten zeichnet der Verf.
! die Aufgabe, die er fich Hellt. ,Es kann fich für uns nur
darum handeln, die Gedanken und Andeutungen von
Troeltfch, Weber und Heim für das reformierte Gebiet zu
prüfen, zu ergänzen und teilweife einzufchränken. Unfere
Arbeit beanfprucht es nicht, neue Gefichtspunkte zu bringen
' (7). Althaus befchränkt fich auf die deutfche reformierte
Theologie und zieht auswärtige Theologen nur
heran, um eine Folie zu erhalten oder eine Entwickelungs-
reihe typifch darHellen zu können. Innerhalb der deutfchen
Theologie wieder Hellt er in den Vordergrund den
j begabteflen und felbHändigflen aller deutfchen reformierten
Philofophen, Barth. Keckermann. Ihm zur Seite Hellt fich
fein Schüler AlHed; beide find für die Prinzipienlehre
der Theologie um 1600 bezeichnend. Von ihnen aus zieht