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Ausgabe:

1915 Nr. 1

Spalte:

403-404

Autor/Hrsg.:

Wilhelm, Friedrich

Titel/Untertitel:

Zur Dreikönigslegende 1915

Rezensent:

Meyer, Arnold

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Seite 1

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403

Theologifche Literaturzeitung 1915 Nr. 18/19.

404

entgegenfteht. Überhaupt rächt es (ich, daß D. die Pa- Die alterte uns bekannte kölnifche Darftellung der

triftiker des 17. Jahrhunderts nicht genügend verwertet Dreikönigslegende ift die um 1240 verfaßte, in einer Haager
hat. Er hätte z. B. von Tillemonts Bedenken gegen die ; Handfchrift aufbewahrte fog. Relatio de tribus magis.
Echtheit der Schrift ,Perifteria' Kenntnis nehmen muffen; j Einen gewiffen Abfchluß bildet um 1370 die Historia de
diefe Bedenken find zwar feit Tillemont von allen, die translatione beatissimorum trium regum des Johannes von
fich über Nilus geäußert haben, totgefchwiegen worden, Hildesheim.

aber m. E. wahrfcheinlich gleichwohl im Rechte. Am Für manchen wichtigen Zug der fpäteren Legende

fchlimmften ift, daß D. den Charakter der fog. ,Erzählung fehlte bisher der deutliche Ausgangspunkt. Die Magier
von dem Überfall der Mönche am Sinai und der Gefangen- werden vom Apoftel Thomas bekehrt und getauft; ihren
fchaft des Theodulos' fo völlig verkannt bat. Gerade Tod erwarten fie auf dem Viktorialberg bei dem Kreuzes-
hier hätte eine kritifche Unterfuchung einen Fortichritt | bild, das fie einft mit dem Sterne zufammen gefchaut
über die ältere Patriftik bringen müffen. D. hält diefe haben. Als fie 1., 6., 13. Januar hintereinander ftarben,
Schrift für echt und nimmt ihren Inhalt naiv für eine auto- ; machen die Toten im Marmorgrab dem nachfolgenden
biographifche Schilderung wirklicher Erlebniffe ihres Ver- 1 willig Platz. Die Kaiferin Helena findet die Leichname
faffers, des Nilus. Zum minderten hätte er das Recht , auf — fo fchon die Relatio — und bringt fie nach Kon-
diefer Auffaffung beweifen müffen. Er fieht auch nicht, ' ftantinopel, Euftorgius bekommt fie von Kaifer Manuel
daß die Überlieferung über den Sinaiaufenthalt des Nilus j für Mailand, Reinald von Daffel führt fie nach Köln, dort
ausfchließlich auf diefer Schrift beruht und in demfelben i wirken fie große Wunder. Alles das erzählt in holperigem
Augenblick hinfällt, in dem diefe Schrift als unecht er- j Bayrifch-Deutfch ein Abfchnitt der Münchner Handfchrift
wiefen ift. Ich muß mich hier mit diefen Andeutungen 1 Cgm 54, offenbar aus dem Lateinifchen überfetzt. Das
über die ,Erzählung' begnügen; das nähere habe ich in j lateinifche Original fand Wilhelm in zwei Codices aus
meinen im Frühjahr 1915 im Manulkript vollendeten ,Un- ! Ebersberg Clm 5866 und Tegernfee 18427. Diefe Legenda
terfuchungen zu Nilus dem Asketen' dargelegt. Ein wei- trium regum oder de tribus magis, wie die aus der Re-
terer Mangel der Arbeit D.s ift, daß er fich nicht um ! latio übernommene Einleitung zeigt, zur Vorlefung am Be-
die Handfchriften bekümmert hat. Nicht als ob ich ihm ! gräbnistag beftimmt, bringt im blühenden ,hochgotifchen'

befondere handfchriftliche Studien, womöglich Herftellung
eines neuen Textes zumutete: aber hätte er nur die bekannten
Handfchriftenkataloge durchgefehen und fich we-
nigftens allgemeine Vorftellungen über die handfchriftliche
Überlieferung gebildet, fo wäre das feiner Arbeit an mehr
als einer Stelle zugute gekommen. Er hat nicht einmal
die handfchriftlichen Varianten, die Migne unter dem Text
bringt, ausgebeutet. Sehr leicht nimmt es D. auch mit
chronologifchen Anfätzen; was er hier bringt, ift zum Teil
ganz willkürlich. — Muß ich fo zu meinem Bedauern D.

in vielen Punkten — die vorgehende Aufzählung ift nicht Schnitzer, Prof. Dr. Jofeph: Savonarola im Streite mit

vollftändig — widerfprechen, fo vermag ich ihm felbltver- ' , .__m n. .__, . , .___,,rTT .„„ c.

ftanölirh anrh in vielen feiner A„sfiihr„na-cn zuzuftimmen. ! ,einem 0rde" Und fe,nem Klo,ter- (VIL 108 S') 8°-

Erbauungsftil die ganze wunderfame Mär zum höheren
Ruhme Kölns und feines Schatzes. Sind auch die Handfchriften
dem 15. Jahrhundert zuzuweifen, fo tut Wilhelm
recht, die Legenden nahe an die Relatio zu rücken und
fie als etwas jünger denn diefe zu erklären.

Es ift diefelbe Zeit und der Geift, woraus der Plan
zum Kölner Dom entftand.

Zürich. Arnold Meyer.

ftändlich auch in vielen feiner Ausführungen zuzuftimmen,
befonders in den darfteilenden Abfchnitten. Aber das
Gefamtbild, das er uns von Nilus gibt, muß ich für un-
hiftorifch erklären. — S. IX und 174 muß es ftatt Falken
berg vielmehr Frankenberg heißen.

Leipzig. Karl Heuffi.

Wilhelm, Friedrich: Zur Dreikönigslegende. (In: Münchener
Mufeum f. Philologie des Mittelalters u. der Renaiffance.
2. Bd., 2. Heft.) (S. 146—190.) 8». München, G. D. W.
Callwey 1914.

Im Jahre 1164 überführte Erzbifchof Reinald von
Daffel die Gebeine der h. drei Könige von Mailand nach

Köln. Alles Volk, Priefter und Laien, holte fie feftlich l gemeinfame Armut. Auf diefer Höhe ift man jedoch

München, J. F. Lehmann 1914. M. 3 —

Diefe neue und fehr lehrreiche Studie des Savonarola-
forfchers fucht mit beftem Erfolge das Schickfal des unglücklichen
Dominikanermönches von Florenz neu zu beleuchten
von feinem Gegenfatz zu feinem Orden und
feinem Klofter aus. Nicht als wenn von hier aus die
Tragödie ausfchließlich erklärt werden könnte, wohl aber
hat diefer Konflikt ,einen wefentlichen Anteil' an ihr. Um
den rechten Hintergrund zu gewinnen, fchildert ein Einleitungskapitel
den Gegenfatz zwifchen Ideal und Wirklichkeit
im Dominikanerorden. Es liegt eine Parallelentwicklung
zum Franziskanerorden vor: auch Dominikus
machte feinen Genoffen ftrengfte Armut zur heiligften
Pflicht, nicht etwa nur die perfönliche, fondern auch die

ein. Bald wirkten fie Wunder nah und fern, die man in ; nicht geblieben, ein allgemeiner Verfall fetzte ein, gegen
Köln zu rühmen nicht vergaß. Auch die Legende der j den jedoch fchon gegen Ende des 13. Jahrhunderts die
lebenden und toten Könige pflegte man eifrig. Schon j Reform der ,Spiritualen' reagierte und dann in Raymund
Reinald hatte ihren Ruhm gepriefen (Brief von Vercelli j von Capua (1380—1400) einen Führer gewann. 1474 je-
vom 12. Juni 1164). Eifrig fammelte und fchmückte man j doch fprach Sixtus IV. den Söhnen des heiligen Dominikus
aus, was man in alten Büchern las und was man aus dem '• das Recht gemeinfamen Befitzes zu und fanktionierte da-
A. T. über die Könige aus Saba und Tharfis geweisfagt ! mit den Abfall des Ordens von fich felbft; gerade die
fand. Papft Leo der Gr. hatte die Dreizahl erwiefen. Obfervanten aber haben fich des päpftlichen Privilegiums
Der gemütvoll glaudernde gotifche Arianer, deffen Werk | gierig bedient und vom Rechte des Gemeinbefitzes fleißig
man harmlos als ein opus imperfectum des Chryfoftomus 1 Gebrauch gemacht, die Abhebung von den Konventualen
anfah, wußte von zwölf Magiern zu berichten, die am verwifchte fich. Die Dominikaner von S. Marco in Florenz
Möns Victoriaiis auf den von Bilearu geweisfagten Stern ; nun, auch Obfervanten, ließen durch die Art und Weife,
warteten, und von der fpäteren Tätigkeit des Apoftels wie fie die Silveftriner aus dem Nefte warfen, nicht geThomas
im Lande der Magier. Damit ward auch der rade das Berte erwarten, 1455 wurde ihnen der Befitz
Strom der Thomaslegende herzugeleitet, felbft der Priefter bewilligt; es war das eine Folge ihrer Angliederung an
Johannes konnte darnach von den Königen abftammen. die Iombardifche Kongregation, die den Gemeinbefitz ein-
Nähere Auskunft über Magier bezog man aus der latei- geführt hatte. Nun tritt Savonarola auf, kraft des recht-
nifchen Hiftorienbibel des Petrus Comeftor f 1179. Aus lieh unanfechtbaren Grundfatzes, daß die mit dem Armuts-
der vita des mailändifchen Bifchofs Euftorgius erfuhr man, gelübde verbundene volle Befitzlofigkeit des Einzelnen wie
wie die Gebeine nach Mailand gekommen waren. 1 des Ordens auch durch päpftliche Verfügungen nicht auf-