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Ausgabe:

1915

Spalte:

393-395

Autor/Hrsg.:

Hertel, Johannes

Titel/Untertitel:

Das Pancatantra, seine Geschichte und seine Verbreitung 1915

Rezensent:

Oldenberg, Hermann

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf Harnack

Fortgeführt von Professor D. Arthur TitiuS und Oberlehrer Lic. Hermann Schuster

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig Halbjährlich 10 Mark

- Manufkriptc und gelehrte Mitteilungen find aus fehl i e ß 1 i c h an _ _, .*v» i-

40. Jahrg. Nl*. 18 19 rroferror D. Titius in Göttingen, Nikolausberger Weg 66, rufenden. ÄO. OeptemDer 1915

° Rezenfionsexemplare ausfchließlich an den Verlag. A

Hertel, Das Pancatantra (Oldenberg).
Salin, Haqiqat aldfchihäd (Horten).
Bertholet, Die ifraelitifchen Vorftellnngen vom

Zufland nach dem Tode. 2. Aufl. (Nowackj.
Jefchurun. i. Jahrg. (Strack).
J. Weiß, Das Urchriftentum I, I—3 (Vifcher).
R u d b e r g, Neuteftamentlicher Text und Nomina

Sacra (Debrunner).
Frankeuberg, Euagrius Ponticus (Preufchen).
Degen hart, Der hl. Nilus Sinaita (Heuffi).
Wilhelm, Zur Dreikönigslegende (A. Meyer).
Schnitzer, Savonarola im Streite mit feinem

Orden und feinem Klofter (W. Köhler).
Schlecht, Pius III und die deutfehe Nation

(Ficker).

Archiv für Reformationsgefchichte. II. Jahrg.
(Boflert).

Beiträge zur fächfifchen Kirchengefchichte 1914
(O. Clemen).

Theologifche Arbeiten aus dem Rheinifchen
Wiffenfchaftlichen Prediger-Verein. N. F. 15.
(Zilleßeu).

Kierkegaard, Der Pfahl im Fleifch (Schwartz-
kopff).

— Kritik der Gegenwart (Derf.).

Dallago, Über eine Schrift [v. Thdr. Haecker]
Sören Kierkegaard u.die Philofophie der Innerlichkeit
(Derf.).

Zänker, Grundlinien der Theologie Martin
Kählers (Haering).

Herrmann, Die Wirklichkeit Gottes (Lobftein).

Stephan, Religion und Gott im modernen
Geiftesleben (Derf.).

Praktifche Theologie im Grundriß. I. Bd. (Eger).

S c h i a n, Der gegenwärtige Stand der Gemeiude-
organifation in den größeren Orten Deutfch-
lands (v. d. Goltz.).

Wagenmann, Seelforgebezirke (Derf.).

Matthes, Neubelebung unferer evangelifcheu
Kirche u. .Gemeindearbeit' (Derf.).

Referate: Dahfe, Die gegenwärtige Krifis in
der altteftamentlichen Kritik. —■ Swete, The
last Discourse and Prayer of our Lord. —
Friede, Der Kreuzestod Jefu. — I.uther's
großer Katechismus. — Wichern, Die
innere Million der deutfehen evangelifcheu
Kirche. — Die Religion, Frankfurter Vorträge
. — Wanckel, Der deutfehe evangelifche
Kirchenbau zu Beginn des 20. Jahrh. — Aus
der Werkftatt des Miffionars. — Felfcher,
Die Bibel im Religions-Unterricht höherer
Schulen. — Storfer, Marias jungfräuliche
Mutterfchaft.

Wichtige Rezenfionen. — Neuefte Literatur.

Beilage: Buddhismus als Religion und Moral.
Eine Erwiderung von Paul Dahlke.

Hertel, Johs.: Das Pancatantra, feine Gefchichte und feine
Verbreitung. Gekrönte Preisfchrift. (XVIII, 459 S.)
Lex. 8°. Leipzig, B. G. Teubner 1914.

M. 24 —; geb. M. 28 —

Man weiß, welche energifche und erfolgreiche Arbeit
Hertel feit langen Jahren dem Pancatantra zugewandt hat:
diefem neben der buddhiftifchen Jätakafammlung — doch
mag der Fortfehritt der Arbeiten auch Jainiftifches zum
felben Rang erheben — bedeutendften, hinfichtlich feiner
Wirkungen im weiten Reich der Weltliteratur aber über
allen Vergleich wichtigften Text der indifchen Erzählungsliteratur
. Treffend fpricht H. vom Pancatantra als einem
Werk, .welches von feinem Heimatlande aus einen un-
vero-leichlichen Siegeszug über den Erdball, foweit er von
Kulturvölkern bewohnt ift, angetreten und mehr als
1 % Jahrtaufende lang Junge und Alte, Gebildete und Ungebildete
, Reiche und Arme, Hohe und Niedrige erfreut
hat und noch erfreut'. Infonderheit hatten fich um die
alterte Rezenfion des Werks, das von H. felbft ans Licht
gezogene, herausgegebene und überfetzte Tanträkhyäyika,
die wichtigen Unterfuchungen gruppiert, die H. in der
großen Einleitung zu deffen Überfetzung (1909) niedergelegt
hat. Die ftattliche neue Publikation, über die jetzt
zu berichten ift, eine von der Straßburger philofophifchen
Fakultät gekrönte Preisfchrift, erftreckt fich über ein viel
weiteres Gebiet: die Gefchichte und Verbreitung des Pancatantra
überhaupt.

Für die ältere Gefchichte des Werks war H. natürlich
in der Lage, eben auf feine Tanträkhyäyika-Ein-
leitung zurückzugreifen. Daß er dabei eigenfinnig an
dem dort Aufgeftellten feftgehalten habe, kann man ihm
nicht vorwerfen. Wenn er als annähernde Abfaffungs-
zeit des Grundwerks früher kühn 200 v. Chr. vermutete,
geht er jetzt auf 300 n. Chr. herab und dürfte damit
wohl der Wahrheit" näher kommen1. Er geht nun die
mannigfaltig fich verzweigenden Abkömmlinge der beidem
Hauptfamilien, Tanträkhyäyika (Hertels Archetypus S)

1) Weniger glücklich fcheint er mir, wenn er die früher von ihm
verfuchte tiergeogiaphifche Argumentation für die Herkunft des Werks
aus Kafchmir auch jetzt verteidigt.

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und Pancatantra (Archetypus K), durch. Neben den
Sanskritfaffungen werden auch die in neueren indifchen
Dialekten verfaßten herangezogen, zunächft vor allem die
in Gujaräti, Braj Bhäkhä, Maräthi, worauf füdindifche,
hinter- und infelindifche Rezenfionen und fodann die
Maffen derjenigen Exemplare folgen, welche aus der im
6. Jahrhundert n. Chr. nach einem Text der K-Familie
verfertigten Pahlaviüberfetzung fließen, durch weite Gebiete
Afien.s, in Nordafrika und Europa verbreitet. Die
Behandlung diefer ungeheuren teils in Ausgaben teils
allein in Handfchriften vorliegenden Materialmaffen durch
den Verf. ift begreiflicherweife keine gleichmäßige. Daß
er neben dem Sanskrit mehrere moderne nord- und
weftindifche Dialekte beherrfcht, verdient alle Anerkennung
. Kaum denkbar wäre es gewefen, daß er für
die füdindifchen Sprachen das Gleiche geleiftet hätte, und
vollends, daß er feine Kenntniffe auf das Arabifche,
Syrilche ufw. erftreckt hätte. Hier ift er natürlich genötigt
, aus zweiter Hand zu fchöpfen.

H. legt Gewicht darauf, daß es fich in feiner Arbeit
nicht um fanskritifche, fondern um indifche Literatur-
gefchichte handelt. Und in der Tat, auf diefem Forfchungs-
gebiet verlaufen die Linien, ohne daß fich eine andere
als eine willkürliche Grenze ziehen ließe, von der Sanskritliteratur
in die Literaturen der modernen Dialekte. Da
kann es nur zur Bereicherung der Forfchung führen,
wenn der Bearbeiter feine Aufgabe in dem weiten Sinne
angreift, wie das hier rühmlich und erfolgreich gefchehen
ift. Selbft für viele ältere Gebiete der indifchen Literatur
und des indifchen Geifteslebens — ich denke an
Veda und Buddhismus — wird man das Recht und das
Bedürfnis folches Fefthaltens der Zufammenhänge mit der

| modernen Zeit prinzipiell durchaus anerkennen müffen.
Nun wird man freilich auch andererfeits die Grenzen

1 menfehlicher Arbeitskraft bedenken. Sie bringen es mit
fich, daß der, der auf alte und ältefte Überlieferungs-
fchichten die volle Energie feiner Arbeit richtet, diefer
oft Wefentliches entziehen, in Halbheiten geraten würde,

I verfuchte er mit gleicher Kraft fein Forfchungsgebiet in

i die fpäten Zeiten hinein zu erweitern. So wird er fich
oft refignieren fremder Hilfe fich zu bedienen, fich deffen

1 bewußt, daß er für den Vernich, fich von diefer unab-

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