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Ausgabe:

1915

Spalte:

376-378

Autor/Hrsg.:

Kuntze, Friedrich

Titel/Untertitel:

Die Philosophie Salomon Maimons 1915

Rezensent:

Guttmann, Julius

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ftück finden in der ausführlichen Arbeit von G. Marchetti-
Longhi über den älteren Gefährten des Legaten, Gregor
von Montelongo, deren mir bisher allein vorliegender
Anfang (Archivio della Societä Romana XXXVI, 1913,
S. 225—285, 585—687) erft das Jahr 1243, als0 nocn
den Beginn der Mitwirkung Kardinal Oktavians erreicht hat.

Bonn. Wilhelm Levifon.

Böhmer, Prof. Heinr.: Luthers Romfahrt. (IV, 183 S.) gr.8°.
Leipzig, A. Deichert Nachf. 1914. M. 4.80

Luthers Romfahrt: es laffen fich kaum größere Ver-
fchiedenheiten denken, als fie zwifchen Hausraths Büchlein
unter diefem Titel (1894) und der jetzt von Böhmer verfaßten
Arbeit beliehen. Jener mit der Gabe anmutiger
Darftellung, der aber das kritifcheUnterfcheidungsvermögen
zwifchen dem, was wir wiffen und was nur möglichenfalls
fo gewefen fein könnte, über feinem Verlangen nach voller
Farbengebung abhanden kam, und diefer lediglich vom
Beftreben geleitet, kein Wort mehr wiffen zu wollen, als
die forgfam geprüften und gewogenen Quellen uns wiffen
laffen: kein Wunder, daß fein Urteil über den Vorgänger
recht abfällig lautet. Man möchte wünfchen, B. hätte für
den Verdorbenen auch einmal ein freundlicheres Wort
gefunden; denn trotz aller Schwächen hat feine Schrift
doch durch die gefchickte Verwertung der Mirabilia urbis
Roniae zur Veranfchaulichung der Wanderungen Luthers
durch die Stadt Rom ein wichtiges Material wieder flüffig
gemacht. B.s Verdienft ift zunächft eine fcharfe Kritik
der vorhandenen Quellen, ob fie felbftändiges Wiffen befitzen
, oder von andern abhängig find, ob fie ernft zu
nehmen oder als Gefchwätz beifeite zu laffen find. Wenn
B. dabei S. 3 der Angabe des Mathefius, daß L. 1510
von feinem Konvent nach Rom gefchickt worden fei,
felbftändigen Quellenwert beilegt, fo ift daran zu erinnern,
daß fich das nach dem Zufammenhang bei Math, auf das
Wittenberger Klofter beziehen müßte, was offenbar
falfch ift. Ich bezweifle, daß Math, mehr vor fich gehabt
hat, als das bekannte Curriculum von Luthers Hand: 1510
fui Romae. Gründlich tut B. ebenfo den Lutheraner
Dreffer, wie die katholifchen Berichterftatter Oldecop und
Felix Milenfius ab. Dankenswert ift, daß er dabei aus
dem höchft feltenen Buch des letzteren die in Betracht
kommenden Abfchnitte vollftändig mitteilt. Er weift deffen
Abhängigkeit von Cochläus, daneben feine Flüchtigkeit
und Unzuverläffigkeit nach, aber es bleiben doch einige
brauchbare, den Akten des Ordens entnommene Angaben
beliehen. Sodann bereichert er unfre Kenntnis des Streites
zwifchen Staupitz und den fieben auffäffigen Konventen
durch Mitteilung der Einträge in die Tagebücher des Ordensgenerals
Egidio aus den Jahren 1508 und 1509 (aus dem
Generalarchiv der Auguftiner), an die fich dann die von
mir in ZKG 32, 603 ff. aus einer Berliner Handfchr. mitgeteilten
Auszüge anfchließen, worauf wieder Notizen der
Tagebücher von 1512 und 1513 folgen (S. 27—30). Nimmt
man dazu zwei wichtige Schreiben des Nürnberger Rates
an den General (2. April 15Ii) und an das Augultiner-
kapitel in Köln (26. April 1512) S. i66f£, fo darf man fich
der Bereicherung durch authentifches quellenmäßiges
Material freuen. In ficherer Beweisführung läßt fich mit
B. dartun, daß L. Ende 1510 die Reife angetreten hat,
daß fein Gefährte und er aber im Januar 1511 durch
Verbot des Prokurators des Ordens verhindert wurden,
den Streit der Konvente vor die Kurie zu bringen. Als
wahrfcheinlich wird man Böhmers Annahme gelten laffen
können, daß der eigentliche Wortführer der Konvente
ein Mitglied des Nürnberger Klofters gewefen fein
werde; aber wenn er als folchen den Nürnberger,Mönch'
Anton Kreß in Vorfchlag bringt, fo möchte ich fragen:
war der angefehene Propft von St. Lorenz denn Auguftiner
? — Mit erftaunlicher Belefenheit befchreibt er das
Rom von 1511, ftellt z. B. feil, welche Kunftwerke der
Renaifiance damals fchon vorhanden waren und wie fehr

die Stadt damals noch eine mittelalterliche Stadt war;
er benutzt diefe Ermittlungen, um das verbreitete Urteil,
L. habe für die Schönheiten der neuen Kunft gehaltene
Augen gehabt, zu ermäßigen. Er benutzt fie zugleich,
um von einer Reihe der fpäteren ,römifchen Erinnerungen'
L.s feftzuftellen, daß er hier den Erzählungen fpäterer
Romreifenden folgt, nicht eigner Erinnerung Ausdruck
gibt. Mit gleicher Belefenheit ftellt er aus den Urteilen
andrer gleichzeitigen Befucher der Stadt den Eindruck
feil, den diefe in religiöfer und fittlicher Beziehung damals
hervorbrachte (hier befonders interefiant die eingehenden
Mitteilungen aus des Spaniers Francisco Deli-
cado Lozana Andaluza von 1528 ,der naturaliftifchen
Schilderung des Lebens einer römifchen Curtifane' S. 168 ff.).
Diefe Unterfuchungen führen B. dahin, Luthers Angaben
als die ,durchaus typifchen* der damaligen Romfahrer zu
erweifen — gegen Grifar, aber auch zur Abwehr der
Meinung, als habe die Romreife damals L.s religiöfe Entwicklung
irgendwie merklich beeinflußt. Natürlich be-
ftreitet er nicht die Bedeutung, die feine römifchen Erinnerungen
fpäter für ihn erhalten haben. Auffallend ift
mir dabei, daß die Frage, inwieweit der deutfche Mann
damals im nationalen Gegenfatz zum Weifchen in ihm
erwachte, ganz übergangen ift. Mit Recht bekämpft B.
die Vorftellung, als wenn die Romfahrt den Grund zu
feiner fpäteren Thefe vom Papft als dem Antichriften
gelegt habe. Ich halte es aber nicht für zutreffend, wenn
er fie wefentlich aus fpäteren Erfahrungen von frivolem
Unglauben, Perfidie und Sodomie der Weifchen ableitet
S. 157. Denn primär kommt darin für L. nicht das Leben,
fondern die Stellung der Päpfte und Romaniften zur
hl. Schrift (und damit zu Chriftus) in Betracht, daß fie
diefe zwar äußerlich als Autorität gelten laffen, aber tat-
fächlich fich felbft über die Schrift ftellen und fie außer
Kraft fetzen. Auf Eindrücken diefer Art beruht L.s Grauen
und unbändiger Haß gegen den Antichriften in Rom.
Alles andre ift nur fekundär. — Ich bedaure, daß die
wertvolle Arbeit, namentlich im Abdruck lateinifcher Texte,
manchen finnentftellenden Druckfehler aufweift; mit Recht
moniert er S. 78 das Zitat in Köftlin5 I, 749: Colloq. 1,37.
57; es muß heißen: 1,376.
Berlin. Kawerau.

Kuntze, Frdr.: Die Philofophie Salonion Maimons. (XXVI,
532 S.) gr. 8°. Heidelberg, C. Winter 1912.

M. 14 — ; geb. M. 16.50

Hinter der ungemeinen Denkerkraft Salomon Maimons
bleibt fein darftellerifches Vermögen weit zurück;
ein durchaus fyftematifcher Kopf, war er außer Stande,
feine Gedanken in fyftematifchem Zufammenhange vorzutragen
. Der Aufgabe, die das Werk eines folchen
Mannes Hellte, hat fich die Philofophiegefchichte trotz
feiner Wichtigkeit für die Entwicklung des deutfchen
Idealismus nur in unzulänglicher Weife angenommen.
Durch das Buch Kuntzes wird das Verfäumte nunmehr
mit einem Schlage nachgeholt. In die Tiefe dringendes
Verftändnis und ficheres Beherrfchen des Stoffes haben
ein klares und umfaffendes Bild der philofophifchen Lei-
ftung Maimons gelingen laffen.

Darftellung und gefchichtliche Würdigung find in
dem Buche Kuntzes ftreng von einander gefchieden. Die
darftellenden Abfchnitte fuchen nach Möglichkeit Maimon
felbft zu Worte kommen zu laffen und ohne eigene Zutat
auszukommen. Das eine ausgenommen, was bei Maimon
nicht zu finden war, die fyftematifche Anordnung und
Gliederung der Gedanken. Diefe Enthaltfamkeit der
Darfteilung ermöglicht den fchlagenden Beweis, daß die
Gedanken Maimons ihren fyftematifchen Zufammenhang
in fich tragen. Die Leichtigkeit und Zwanglofigkeit, mit
der fie fich der Gliederung des Verfaffers einfügen, beweift
, daß die organifierenden Gefichtspunkte feiner Darftellung
dem Stoff nicht von Außen aufgedrängt find,